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Wenauer Ain tiger Erscheint Dienstag, Donnerstag u. Sonnabend. Inserate kosten die Spaltenzeile oder deren Abonnementspreis einschließlich der illustrirten * z Raum 10 Pf., für auswärtige Inserenten 15 Pf. Beilagen „Gute Geister" u. „Zeitbilder" sowie » 11111^ <1111 11 11ll 1^1111 II 11 1l l11^1 Tabellarische Inserate werden doppelt berechnet. des illustr. Witzblattes „Seifenblasen" 1,50 Mt. 11^11111»^ ^14 1 Annahme von Anzeigen für alle Zeitungen. Groß- und Kleinölsa, Obernaundorf, Hainsberg, Somsdorf, Coßmannsdorf, Lübau, Borlas, Spechtritz re. Mit verbindlicher Publikationskraft für amtliche Bekanntmachungen. Nummer 34. Dienstag, den 20. März 1900. 13. Jahrgang. Aus Nah und Fern. — Der Frühling zeigt sich in diesem Jahre wieder einmal als ein recht listiger Geselle. Eigentlich hat er unser Vertrauen schon gründlich verscherzt. Man weiß wirklich nicht mehr, ob er es ernst meint, oder ob er uns nur einen Traum von Sonnenschein, Blüthenduft und Lenzes- hauch vorgaukeln will, um hinterher unsere Frühlings ahnungen gründlich zu täuschen. Es scheint fast, als sollte der alte Forstmann im Thüringischen Recht behalten, der uns kürzlich noch einen langen Nachwinter prophezeite. Schon wiederholt hat der lockere Gesell, der Frühling, im Bunde mit Frau Sonne, die ihr schönstes Feiertagsgesicht aufsctzte, die Menschheit hinausgelockt in die freie Natur und hinterher zogen sich beide wieder zurück, sich ihres ge lungenen Streiches freuend, und überließen die arme Mutter Erde und ihre Kinder wieder der rauhen Herrschaft des Winters. Aber was Hilsts! Man muß die losen Streiche des Junkers Frühling mit in den Kauf nehmen. — Der mit Sonnabend begonnene Ausstand der Polirer umfaßt ca. 180 Arbeiter, wovon 62 auf Rabenau kommen- Eine Anzahl hiesiger Polirer arbeitet zu den alten Bedingungen weiter. — Das königl. Landes-Versicherungsamt hat in seiner letzten Sitzung die Rente des Stuhlbauers Louis Bier - m ann in Rabena u, der in einer Federnkastenfabrik in Hirschberg mit der rechten Hand in die Kreissäge ge kommen ist, in Folge seines Rekurses von 20 auf 25 Prozent erhöht. — Zu den Petitionen um Bahnbauten, welche die Finanz-Debutation L der Zweiten Kammer empfiehlt auf sich beruhen zu lasten, gehört u. A- auch die von uns seiner Zeit gebrachte Petition der Gemeinden Groß- und Kleinölsa, W e n d i s ch c a r s d o r f rc. um Er- Der Gichtmüller. Originalerzählung aus dem Erzgebirge von Karl Mah. (NachdruN »erdvlen.) I. „Horch, wie die Tannen rauschen und das Strauch werk so lind und heimlich flüstert! Da unten im Grunde hör' ich den Bach vom Felsen springen; er kennt noch immer das alte Lied, welches er mir so oft vorgesungen hat. Der Specht klopft an die hohen Stämme, nm sich sein Frühstück zu suchen, und der Fink schlägt in den Wipfeln. Da drüben vom Schlag her ertönt die Axt der Abholzer, und in der Tiefe knarrt der Wagen, der Moos und Streu nach Haus' bringt. Das sind Stimmen und Töne, die man nimmer vergißt im fremden Lande und die alles Heim weh heilen, sobald man sie wieder vernimmt. Wie freundlich fließt und klettert das Licht um die Zweige, und wie wohlig dringt der Athem in die Brust! Daheim ist's doch am schönsten; ich komm' nie wieder fort!" Der, welcher mit glücklichem Ausdrucke im Gesicht diese Worte vor sich hin sprach, war ein junger Mann, dem der umfangreiche Ranzen auf dem Rücken und der derbe Knoten- stock in der Hand nicht schwer zu fallen schien. Er strich langsam den schmalen Waldweg dahin, welcher hinunter Zu den Mühlen und von da weiter nach dem Dorfe führte, und schien wenig Eile zu haben, denn er hemmte sehr oft den zögernden Schritt, um jeden neuen Ausblick, den eine Krümmung des Pfades ihm bot, bedachtsam zu genießen. Unten am Wasser angekommen, bog er sich nieder und schöpfte mit der Hand von dem klaren, kühlen Naß, von dem er er durstig schlürfte. „Ja, das ist ein Trunk, wie man ihn nur auf den Bergen haben kann; er giebl Gesundheit und Kraft und macht so froh und munter, wie der Quell ist, der ihn spendet. Ich bin fast trüg' geworden von dem schweren Wasser, das sich so trübselig und langsam durch das Unterland schleicht. Hier hüpft und springt und schießt es vorwärts, als ob es gar viel zn thun und zu schaffen hält', und ich will nun auch bester ausschreiten, damit ich bald meine Heimstätte seh'!" Er folgte rüstig dem Laufe des Baches, bis dieser sich in einen Teich ergoß, welcher fast die ganze Breite des Thales einnahm und von einem hohen Damme gehalten wurde, der die wanderlustigen Wellen zu einem kurzen Auf enthalte zwang. Er war mit dichtem Gesträuche bewachsen, und wer zu der Obermühle, welche hinter ihm lag, gelangen wollte, der mußte ein steile Böschung überwinden, welche so unzugänglich wie möglich gehalten war. Der eigentliche bauung einer Bahnlinie Rabenau-Dippoldiswalde durch das Oelsathal, da über die Ausführung der Thalsperre bei Malter noch durchaus nichts festgestellt ist, dieselbe vielmehr über den Kreis der Projekte und Wünsche noch nicht hinaus gekommen ist. — In einem Restaurant in Tharandt wurden einem Herrn aus Hainsberg, während er mit Billardspiel beschäftigt war, aus der Ueberziehertasche wichtige Papiere, sowie der Hut entwendet. Wahrscheinlich vermuthete der Dieb Werthpapiere. Der Verdacht, den Diebstahl begangen zu haben, lenkte sich auf einen Mann, der sich längere Zeit im Restaurant aufgehalten hatte. Letzterer wurde bereits ermittelt und stammt aus Klipphausen. — Für den in Deuben am 1. Juni zu eröffnenden Rathskeller wurde in der letzten Sitzung des Gemeinderathes daselbst Herr Zschech aus Dresden, ein geborener Tharandter, zum Wirth gewählt. — Das Schwurgericht in Plauen verurtheilte am Donnerstag Abend nach zehnstündiger Verhandlung den Hand arbeiter Lang aus Gebersreuth, genannt „Räuberhaupt mann Karo", zu 14 Jahren Zuchthaus wegen zahlreicher Einbrüche und Nothzucht. — Der Tagelöhner August Mentsches in München- Gladbach, welcher im Dezember seinen eigenen Vater er - stochen hatte, wurde vom Schwurgerichte zu zehn Jahren Zuchthaus und fünfjährigem Ehrverlust verurtheilt. — In Glogau, Kreis Schweidnitz, schoß ein Wirth- schaftseleve wegen verschmähter Liebe auf ein Stubenmädchen. Das Geschoß ging fehl und traf ein unbetheiligtes Dienst mädchen, welches sofort gelödtet wurde. Der Thäter wurde verhaftet. — S el b st er ke u n t n i ß. Im „Krappitzer Sladt- blatt" (Schlesien) befand sich folgende Anzeige: „Ich, Julius Jokel aus Zhwodcztttz warne hiermit ausdrücklich jeden Weg begann erst von der Mühle thalabwärts, und Klaus, der Obermüller, duldete es nicht gern, daß Unberechtigte den zu seiner Besitzung gehörigen oberen Theil des Thales betraten. Er saß eben jetzt vor dem Hause und beaufsichtigte den alten, schwerhörigen Knecht, welcher mit dem Mähen des hohen Grases beschäftigt war. Die Beine waren ihm mit Watte dick umwunden; der Unterleib, welcher vielleicht nur infolge des immerwährenden Sitzens einen bedeutenden Umfang gewonnen hatte, wurde von einer Decke forgfältig eingehüllt, und sein Gesicht zeigte den Ausdruck stillduldender Resignation, welcher das Ergebniß eines langwierigen und schmerzhaften Leidens zu sein Pflegt. Die Gicht lähmte schon seit einer Reihe von Jahren seine Glieder, machte ihm fast jede Bewegung zur Unmöglichkeit und war auch der Grund, daß man ihn kaum anders als nur den „Gicht- müller" nannte. Ec schien die unangenehme Lage in den harten Strohpolstern eines alten Räderstuhles übel zu em pfinden und rief stöhnend: „Hans, leg' doch die Sense weg und komm' einmal her. Ich kann es in den Füßen so nicht länger aushalten." Hans mähte ruhig weiter. „Hans!" tönte es lauter und voll Ungeduld. „Hörst Du oder hörst Du nicht?" Der krankhafte Ansdruck des leidenden Gesichtes war für einen Augenblick vollständig verschwunden; aus dem scharfen Auge, welches jetzt nichts Mattes mehr zeigte, zuckte ein rasches, zorniges Leuchten, kehrte aber schnell und vorsichtig wieder unter die schlaff sich senkenden Lider zurück. Der Knecht drehte sich langsam um. „Habt Ihr gerufen, Müller?" fragte er. Der Gefragte nickte und warf den müden Blick seufzend auf seine eingehüllten Extremitäten. „Ja, wenn Euch die armen Beine so aus der Lage fallen," meinte Hans mitleidig, „da müssen sie natürlich wehe thun. Kommt, ich will sie wieder zurecht heben!" Er kniete vor dem kranken Herrn nieder und verfuhr mit einer Sorgfalt und Behutsamkeit, als fühle er die Schmerzen desselben in den eigenen Gliedern. „So, jetzt wird's bester sein. Ich bin gleich fertig mit dem Grummet. Nachher laß ich das Rad geh'n und schütte den neuen Weizen auf." Der Müller schüttelte langsam mit dem Kopfe; er mußte selbst unter dieser unbedeutenden Bewegung leiden. „Nicht? Giebt's denn etwas Anderes zu thun?" Der Müller nickte und schloß dann die Augen. Es war dies das bekannte Zeichen, daß er zu angegriffen sei, um sprechen zu können. Hans griff schweigend wieder zur Sense, während Klaus regungslos in seiner jetzigen Stellung verharrte. Gastwirth, Gift- und Branntweinbuden-Besitzer, mir von heute ab Schnaps auf Credit zu verkaufen, da ich in Zu kunft Schnaps, welcher mir im angetrunkenen Zustande ge reicht wird, nicht bezahle." (Ob's helfen wird?) — Mit dem Tode gebüßt hat der 17 Jahre alte Laufbursche Richard Adam einen Fehltritt, den er Anfangs dieses Jahres beging. Der junge Mann war in einem Cigarrengeschäft in Berlin thätig und zog am 6. Januar von Kunden 68 Mk. ein, lieferte aber nur 60 Mk. gb. Zur Rede gestellt, erzählte er, daß er seinen Vater ins Krankenhaus habe bringen müssen. Deshalb sei er so lange ansgeblieben und hierbei habe er 8 Mk. verloren. Als sich diese Ausrede als unrichtig erwies, ließ Adam sich nicht mehr blicken. Er blieb verschwunden, bis man ihn Freitag Nachmittag am Holsteiner Ufer als Leiche in der Spree wiederfand und landete. — Sechs Kinder ausgesetzt. Ein Bild socialen Lebens entrollt der nachstehende Vorfall, der aus Neu-Ruppin gemeldet wird. Vor mehreren Tagen zogen ein Mann und eine Frau aus Hallensee bei Berlin dort zu und mietheten daselbst eine kleine Wohnung. Bei der polizeilichen Anmeldung stellte es sich heraus, daß es nicht die Ehefrau, sondern die Wirthschafterin des Mannes war. Im Laufe der Zeit fanden sich nach und nach sechs Kinder bei den Neuzugezogenen ein. Dieser Tage machte nun das Paar einen Ausflug nach Wusterhausen a- D., angeblich nm Geld zu holen, und ließ die ganze hungrige Schaar ohne einen Bissen Brot zurück. Da die Rabeneltern sich nicht mehr sehen ließen, schaffte man die armen Kinder schließlich nach dem Armenhause, wo sie zur Zeit noch untergebracht sind. Auf das saubere Pärchen wird gegen wärtig eifrig gefahndet. — Bei Neufähr (Danzig) kenterte ein Hochseekutter, die drei Insassen ertranken. Da vernahm er rasche, leichte Schritte, welche sich ihm näherten. Mit sichtbarer Mühe brachte er die zuckenden Wimpern empor, um einen matten, glanzlosen Blick auf den Kommenden zu richten. Kaum aber war sein Auge auf den Letzteren gefallen, so fuhr er vom Stuhle auf, daß dieser um mehrere Schritte^davonrollte und die schützende Decke zur Erde siel. „Ferdinand.!" rief er fast 'ebenso bestürzt wie über rascht. „Ich glaub' gar, Du bist's wirklich! Was hast Du hier daheim jetzt schon zu schaffen?" Dann aber sich seiner Krankheit erinnernd, stieß er einen lauten Weheruf aus und taumelte wimmernd und von dem Sohne unter stützt in den Stuhl zurück. „Freilich bin ich's wirklich. Grüß Gott, Vater! Ich mocht' es in der Fremd' gar nimmer aushalten und kehrt' darum zurück, um stets nun wieder bei Dir zu sein." „Aber ich hab' Dir doch befohlen, daß Du fortbleiben sollst, bis ich selbst Dich wieder heim begehr'! Ich brauch' Dich jetzt noch nicht; Du kannst gleich wieder fort und wirst schon hören, wann ich Dein bedarf." Das Wiedersehen schien ihn ungewöhnlich zu erregen. Die gerade, kräftige Haltung, welche er auf dem Sitze ein nahm, mußte ihm sehr wehe thun, denn er kniff die zittern den Lippen zusammen und legte die kahle Stirn in tiefe, schwere Falten. „Gleich wieder kort?" fragte Ferdinand. „Das kann Dein Ernst nicht sein! Ich wollte gar nicht hinaus auf die Wanderschaft damals, denn ich hatte die Bertha lieb, und Du warst kurz vorher krank geworden; es lag Dir in den Füßen, so daß Du in der Mühle nicht gut vorwärts konntest. Du aber triebst mich fort, und wenn ich mich einmal nach Haus' sehnte, so schriebst Du mir, daß ich bleiben sollte. Jetzt sehe ich, daß es schlimmer geworden ist mit Dir, viel, viel schlimmer; Du kannst gar nicht mehr auf, und da sollte ich doch meinen, daß ich Dir will kommen bin!" „Das bist Du auch, aber nur nicht jetzt, nur nicht gleich heut'. Du wirst schon noch vernehmen, warum. Thu' mir daher den Gefallen und bleib' noch eine Woche, nur ein paar Tage weg von hier!" (Fortsetzung folgt.)