Deutsche allgemeine Zeitung : 01.07.1854

Sonnabend. —— Ikv. DtllMe Mai Peet» für da« Biertel. jahr l'/, Thlr.; jede ein. / O I / > zelne Nummer 2 Ngr. Die dänische Eiderpartei,^DLutMA»v und die West mächte. -----Leipzig, 30. Juni. Die Voraussagungen, die wir in Bezug auf das Verhältnis der skandinavischen Reiche zu den kriegführenden Mächten einer seits, zu Deutschland andererseits in Nr. 129 und 138 aussprachen, be ginnen sich zu verwirklichen. Man denkt in jenen Ländern sehr ernstlich daran, seine Allianz um den Preis von Vortheilen zu verkaufen, die man sich, in kluger Voraussicht einer künftigen allgemeinen Revision der euro päischen Staatenverhältnifse, schon jetzt von der einen oder andern der dabei ausschlaggebenden Mächte versprechen zu lassen versucht. Wir finden ein solche- Bemühen ganz natürlich und gerechtfertigt. Ebenso natürlich ist aber leider auch, daß derartige Vortheile, den gegebenen Verhältnissen nach, wenigstens was Dänemark betrifft, zunächst und zumeist auf Deutschlands Kosten erstrebt werden. Die Weser-Zeitung meldet bereits von einem sei tens der dänischen Eiderpartei in London gemachten Anerbieten, für den An schluß an die Westmächte zu wirken, gegen die Zusicherung einer „Jncor- porirung Schleswigs in Dänemark". Zur Zeit soll zwar das englische Mi nisterium sich nicht geneigt erwiesen haben, auf diese Koderung einzugehen; allein wer kann wissen, was geschieht, wenn ein solcher oder ähnlicher Vor schlag officiell von der dänischen Regierung gestellt und zur Bedingung ihrer Mitwirkung gegen Rußland gemacht wird, wenn vielleicht sogar Schweden denselben unterstützt, um sich selbst die Rückgabe Finnlands zu sichern und Dänemark wegen der dann in Betreff Norwegens zu erhebenden Foderun- gen zu beschwichtigen? Aber auch wenn nichts Dergleichen geschieht, ist nicht schon die Fortdauer des Statusquo in den Herzogthümern und die Vereini gung desselben (wie sie das Londoner Protokoll und das darauf basirte neue Erbfolgegesetz für die dänische Gesammtmonarchie enthält) für dasVerhält- niß der Herzogthümer zu Deutschland fast so schlimm als eine förmliche Jncorporirung des einen oder aller beider in das Königreich, für die Be völkerung dieser Länder sogar noch schlimmer? Ein unlängst erschienenes Schriftchen: „Schleswig-Holsteins Gegenwart im März 1854. Ein Erin nerungsblatt für Deutschland", welches nur Thatsachen mittheilt, aber That- sachen, die uns das Herz bluten machen bei der Vorstellung Dessen, was unsere Brüder in den Herzogthümern leiden müssen, weil sie Deutsche sein und bleiben, weil sie nicht Dänen werden wollen, spricht als das faktische Ergebniß des seit 1851 dort Geschehenen und täglich noch Geschehenden geradezu aus: „Statt Schleswig nicht zu incorporiren, ist Holstein mit Schleswig in Dänemark incorporirt worden." Um diese unerträglichen und zwar, wie das eben genannte Schriftchen zeigt, wegen ihrer unausbleiblichen Rückschläge auch für das dänische Volk unerträglichen Zustände zu besei tigen, gibt es (da die Rückkehr zu dem unbefangenen Verhältniß früherer Zeiten ein für alle mal unmöglich geworden ist) nur noch einen Ausweg: die gänzliche Trennung der Herzogthümer von dem Königreich; einen Weg, den der natürliche Lauf der Dinge selbst in kurzem eröffnet haben würde, wenn nicht das unter vorwiegend russischem Einfluß zustande gekommene Londoner Protokoll ihn künstlich versperrt hätte. Zwar wird man dieses Protokoll, so weit dasselbe die Erbanwartschaft auf Gesammtdanemark an Rußland überträgt, nicht aufrechterhalten; denn die Verblendung darf man selbst einem Cabinet Aberdeen nicht zutrauen, daß cs in demselben Mo ment, wo es gegen die Uebermachl Rußlands einen blutigen und kostspieligen Krieg führt, daran denken konnte, dieselbe Uebermachl durch einen so werth- vollen Besitz, wie der Dänemarks sammt den Herzogthümern, dem Sundzoll und dem Schlüssel der Ostsee für Rußland sein würde, von neuem zu verstärken. Aber abgesehen von der Schwierigkeit, eine solche Eventualität wirksam aus zuschließen, solange man einmal den Hauptgrundsatz des Londoner Proto kolls bestehen läßt, so ist auch schon dieser an und für sich, nämlich die An erkennung und Verbürgung eines untheilbaren dänischen Gesammtstaats, für Deutschlands Interessen so gefahrdrohend und nachtheilig, daß es wahrhaft unverantwortlich sein würde, wenn man irgendeine sich darbietende Gelegen heit, dieser Gefahr ledig zu werden, ungenützt vorübcrstreichen ließe. Eine solche Gelegenheit ist aber dermalen geboten, sobald Deutschland sich der Zustimmung der Westmächte zu einem andern, mit mehr Rücksicht auf seine Interessen zu treffenden Arrangement auf dem künftigen europäischen Frie- Lenscongreß versichert. Und dies kann es, wenn cs sich nur überhaupt zu einer offenen und einfachen Allianz mit den Westmächten entschließt; einer Allianz, die ja ohnehin so ganz in seinem Interesse liegt. Um so viel vor- theilhafter diese Allianz des großen und kriegsbereiten Deutschland für die Westmächte sein würde, als die des kleinen und schwachen Dänemark, um so gewisser dürsten letztere sich bereitfinden lassen, lieber an Deutschland als an Dänemark Zugeständnisse zu machen. Und sie würden dies dop pelt gern thun, wenn sie dadurch zugleich auch Schweden zu verpflichten vermöchten, dessen Bundesgenossenschaft nächst der deutschen ihnen von dem unschätzbarsten Werthc sein muß. Für die Gewinnung zweier so wichtiger 151 L Juli 18S4 Zu beziehen durch alle V V 4 Postämter de« In- und «M LS Hnsertionsgebühr Wahrheit und Recht, Freiheit und Gesetz!» denRaum einer Zeil. Alliirten zu Lande, wie Deutschland und Schweden sind, könnte den West Mächten nicht leicht ein Preis zu hoch sein, und die Herbeiführung einer Combination, wie die von uns in Nr. 129 bevorwortete: einer Vereinigung der dänischen Inseln mit Schweden-Norwegen zu einem skandinavischen Ge sammtreiche, unter Ueberlassung des Festlandes an Deutschland, sammt der Beseitigung des Sundzolls für alle Zeiten, scheint daher, bei richtiger Be nutzung der Verhältnisse seitens der deutschen Diplomatie, durchaus nicht zu den Unmöglichkeiten zu gehören. Aber freilich setzt dies eine ganz andere Politik voraus als die der bamberger Conferenzen, ja auch eine andere, als die dem Bündniß vom 20. April zugrunde liegende; eine viel tiefergehende Einigkeit zwischen den beiden deutschen Großmächten, als die nothdürftig durch jenen Vertrag zustande gebrachte; eine Einigkeit und gegenseitige Bil- ligkeit, welche ebenso wol dem norddeutschen Bundesgenossen eine Vergrö ßerung scines Machtgebiets an dec Ost- und Nordsee wie dem süddeutschen an der untern Donau und dem Schwarzen Meere gönnte und zu erlangen behülflich wäre; vor allem aber eine nach dieser Seite hin von Preußen wie nach der andern von Oesterreich mit Festigkeit und Entschiedenheit in die Hand zu nehmende Initiative des Handelns upd Verhandelns. De»tsch1a«d. Preußen. . F Berlin, 29. Juni. Indem man sich hier und da un zufrieden über die Unlhätigkeit äußert, welche in Preußen hinsichtlich der Kriegsrüstungen herrscht, übersieht man einen Hauptfactor, die Ernte. Von ihr hofft man mit Recht die Wiederkehr des Ueberfluffes und billiger Getreidepreise. Eine Mobilmachung vor der Ernte, also während der größ ten Theuerung, würde dem Staate weit größere Opfer auferlegen als eine solche nach derselben. Man denke, welche Kosten bei den jetzigen Preisen die Anlegung von Magazinen verursachen würde, abgesehen davon, daß die selbe die Getreideprcise, folglich die Noth noch höher steigern müßte. Dann verlangt die Einbringung der Ernte zahlreiche und rüstige Hände. Von wo aber dieselben herbekommen, wenn die kräftigsten Männer bei den Fah- nen sein müssen? Ueberdies können nordische Kriege nicht frühzeitig begon nen werden, weil hier di« Ernte später eintritt, das Land also den Armeen früher nicht Lebensmittel in der nöthigen Menge liefern kann. Napoleon zog auch 1812 erst im Sommer nach Rußland. Nach der Ernte in Preu ßen tritt erst die Ernte in Polen und Rußland ein. Es ist daher nicht zu rathen, früher dort einzurücken, als bis eine aufgespeicherte Ernte den Unterhalt der Truppen sichert. Ueberdies ist in Preußen Alles so vorberei tet, daß die östlichen Armeecorps schnell versammelt sein können. Da nun an unsern Grenzen russische Armeen nicht versammelt sind, so ist die Ge fahr für uns keine so nahe, dringende. Anders verhält es sich mit Oester reich. An seinen Grenzen stehen bereits bedeutende russische Heere, und bei einer Räumung des türkischen Gebiets würde die Hauptmacht Ruß lands an denselben erscheinen. Oesterreich muß daher gerüstet an seinen Grenzen stehen, während wir umsomehr mit unserer Mobilmachung warten können, als wir ursprünglich die von Truppen entblößten österreichischen Provinzen zu decken und zu besetzen bestimmt sind, wiewol wir nach wirk lichem Ausbruch des Kriegs ebenfalls activ an demselben uns werden be theiligen müssen. — Eine außerordentliche Beilage zu der Nummer des Amtsblatt der königlichen Regierung zu Magdeburg vom 24. Juni bringt das vom Ober präsidenten der Provinz Sachsen erlassene, von den Ministerien des Innern und des Kriegs genehmigte revidirte Reglement zur Gestellung, Auswahl und Abschätzung der Mobilmachungspferde in der Provinz Sachsen. — Die heutige Nummer der Preußischen Wehrzeitung bringt an der Spitze einen „Abschied von den Freunden". Sie beschließt ihre nun sechsjährige Thätigkeit und geht, wie sie sagt, „ebenso ungeheißen, als'sie ungerufen kam". 'i'Köln, 28. Juni. Köln hat wieder einige Tage mehr in das so reiche Archiv seiner Volksfestlichkeiten einzutragen. Diesmal galt es den deut- sehen Fürsten auszuzeichnen, der sich neben unserm jetzt regierenden König um die Förderung des Dombaus am meisten verdient gemacht hat: e^ galt König Ludwig von Baiern in unsern Mauern zu empfangen und ihm den Dank und die Anerkennung der Stadt für seine ausdauernden und werkthätigen Bemühungen im Interesse des Doms in würdiger Weise zu manifestiren. Eine Deputation, aus den verschiedenen städtischen Behörden und Corporationen zusammengesetzt, war dem König vorgestern Abend auf dem Dampfboot Schiller bis Remagen entgegengefahren; der hohe Gast, von Manheim kommend, verließ bei diesem Punkte den Dampfer Goethe, nm in Begleitung der Deputation die Weiterreise nach Köln zu machen. Von den verschiedenen Uferortschaften festlich begrüßt, entfaltete sich, als der Schiller Köln in Sicht kam, ein herrliches Schauspiel. Der Baier- thurm, die St.-Georgsbastion, die Martinskirche, das Lagerhaus Aren und