Deutsche allgemeine Zeitung : 21.03.1855

Mittwoch. Nr. «7. 21 März 18SS für da« Blertel- Mr 1'/, Thlr.; jede ein zeln« Nummer 2 Ngr. Di« Zeitung erscheint nut Ausnahme de« Montags täglich und wird Nachmittags ä Uhr aus- gegeben. DtiiW Allgemim Zeitung. -Wahrheit und Recht, Freiheit und Gesetz!» Zu beziehen durch alle Postämter des In- und Auslandes, sowie durch die Expedition in Leipzig (Querstraße Nr. 8). HnfertionSflebühr für den Raum einer Zeile 2 Ngr. Die deutsche Auswanderung des Jahres 1854. LDIe deutsche Auswanderung hat mit dem verflossenen Jahre ihrer Zahl nach den Höhepunkt erreicht und gleichzeitig damit hat auch der Rückschlag begonnen, indem zum ersten male auch die Heimkehr nach dem kaum verlassenen Baterlande einen bedeutendcrn Charakter annahm. Die Ursachen beider Erscheinungen sind nicht schwer zu ermitteln: der schon seit lange jährlich anwachsende Strom der Emigration wurde durch die kriege- rischen Aussichten, die Thcuerung, die Erwerbsstockung rc. zu immer größern Zahlen angcschwellt, die Rückwanderung, außer dem immer lästiger auftre- tcnden Nativismus besonders durch die Geld- und Handelskrisis in den Vereinigten Staaten bedingt, welche zum Theil auch in europäischen Ver hältnissen wurzelt, indem die für den europäischen Markt nicht genugsam beschäftigten europäischen Fabrikanten Amerika mit Waaren überschwemm ten und der amerikanischen Neigung zur Ucberspannung des Credits in die Hände arbeiteten. Man glaubt die Zahl der im verflossenen Jahre Aus gewanderten auf 250,000 anschlagen zu können, wovon nahe an 200,000 nach Nordamerika gewandert und etwa 12,000 zurückgekehrt sind. Im Hafen von Neuyork landeten 166,732 Deutsche und Schweizer. Uebcr Havre nahmen ihren Weg 95,984, über Bremen 76,875 (gegen 58,111 im Jahre 1853), über Hamburg 50,819 (davon direct 32,310, indirekt über Hull und Grimbby 18,509; die Gesammtzahl betrug 1853 nur 29,480), über Antwerpen 25,843, dazu noch die über Rotterdam, Harburg, Emden, Stettin rc. Eingeschifften. Soweit die Resultate der Zählungen vom Ende 1854 schon vorliegen, ergab sich vielfach aus der Auswanderung eine Abnahme der Bevölkerung. Aus dem württcmbergischen Städtchen Metzingen sind in neun Jahren 485 Personen, davon im Jahre 1854 allein 109 ausgewandert, und die Einwohnerzahl ist auf den Stand von 1840, wo sie 4532 betrug, herabgesun ken. Auch die Bevölkerung von Bopfingen und Tuttlingen nimmt ab; das letz tere hatte 1854 5934 Seelen, 121 weniger als 1853. In Baden und Meck lenburg sind bekanntlich schon ehe die Auswanderung die jetzige Höhe erreichte, Verminderungen der Bevölkerung durch dieselbe eingetreten. Aus Baden ist 1853 fast 1 Proc., aus Mecklenburg-Schwerin 1'/3 Proc., aus Meck- lenburg-Strelitz '/, Proc., aus Sachsen-Koburg fast 1 Proc. der Bevölke rung emigrirt. Allein über Hamburg sind im ersten Quartal 1854 879 Mecklenburger ausgewandert. Aus Sachsen-Altenburg sind vom 1. Oct. 1853 bis dahin 1854 öffentlich ausgewandert 858 Personen, 243 mehr als 1852 — 53, wodurch die Landcsbevölkerung sich um 111 Köpfe ver minderte. Aus der Schweiz, deren Auswanderung nicht wohl von der deutschen zu trennen ist, haben allein über Havre sich 12,098 Personen (---- '/, Proc. der Bevölkerung) eingeschifft, davon 2667 aus Bern, 2523 aus dem Aargau, 1256 aus Zürich, 829 aus Solothurn, 654 aus Graubündten, 539 aus Glarus, 469 aus Tessin, 453 aus Schaffhausen, 405 aus St.-Gallen rc. Zahlreiche Klagen über die Behandlung von Aus wanderern auf außerdeulschen Schiffen kamen auch im verflossenen Jahre vor. Es ist dagegen, wie schon früher, die Anstellung eigener Commissare zum Schutz der Auswanderer an den hauptsächlichstcn AuS- und Einschif- fungshäfen, entweder von Seilen des Deutschen BundcS oder durch eine freie Vereinigung bei der Auswanderung besonders belheiligter deutscher Staaten vorgeschlagen worden; die Kosten seien zum größten Theil durch eine Besteuerung der Auswanderer selbst (Zuschlag zum Ueberfahrtsgclde) aufzubringen. Eine ruhige Betrachtung dieser wohlgemeinten Vorschläge läßt nicht verkennen, welche große Schwierigkeiten nicht nur dem Zustande- bringen einer deutschen Einigung zu diesem Zweck nach allen bisherigen Erfahrungen, sondern auch der Accreditirung solcher Beamten fremdländi schen Behörden gegenüber sich entgegenstellen. Dagegen ist von Sachken nern schon längst auf eine Reform des deutschen Consulatswesens hinge- wiesen worden, in der Art, daß durch Besoldung der Staat größere An sprüche an seinen Consul machen könne, und wir freuen uns, daß Baiern die Einleitungen hierzu getroffen hat. Auf diese Weise wird nicht nur ein bereits angestellter und mit den Localverhältnissen vertrauter Beamter zum Schutz der Auswanderer gegen Uebervortheilungen verpflichtet werden können, sondern, da ohnedies bisher schon mehre Staaten denselben Consul hatten, eS wird auch die Einigung derselben zu diesem Zwecke erleichtert. Deutschland. Preußen. Berlin, 19. März. Die Nene Preußische Zeitung be richtet: „Der Generallieutenant v. Wedell hat sich nach Erfüllung sei- ne» Auftrags von Paris wieder auf seinen Posten nach Luxemburg bege- bzn.— Die beabsichtigte Reise des Ministerpräsidenten Frhrn. v. Man teuffel nach Dresden ist wegen überhäufter und dringender Dienstge- schäfte unterblieben." — Man schreibt der Kölnischen Zeitung aus Königsberg vom 16. März: „Gestern in früher Morgenstunde wurde unser größtes Hotel, das Deut sche Haus, das Absteigequartier aller russischen Reisenden, ein Raub der Flammen. Von den zahlreichen Gästen, welche großenthcilS ihre Effecten verloren, wird Niemand vermißt; dagegen haben mehre Löschmannschaften Verletzungen erlitten. Das Feuer scheint infolge einer aus Rache verübten Brandstiftung entstanden zu sein; der That verdächtig sind zwei Hausknechte eingezogcn." ^Breslau, 18. März. Die strenge Nachrevision der Militär- pflichtigen dauert fort. Die am meisten dabei Compromittirlen sollen indessen bereits das Zeitliche gesegnet haben. Ein junger Mann, mit dem Jnvalidenschein in der Tasche, hatte in Frankfurt a. d. O., wohin er von hier zur Messe gereist war, an einem öffentlichen Orte eine Aeußcrung gcthan, wie er zu jenem Jnvalidenschein gekommen sei, welche Aeußerung ein ungünstiges Licht auf einen Beamten warf. Ein Anwesender denuncirte den jungen Kaufmann. Am folgenden Morgen wurde er aus dem Belte geholt und hierher tranSportirt, woselbst er, trotzdem seine reichen Aeltern hohe Caulion für ihn boten, in Untersuchungsarrcst gehalten wird, bis seine Einreihung ins Militär erfolgt. Die männliche Bevölkerung Schlesiens, die zwischen 1831 — 35 geboren, ist streng aufgcfodert, unverzüglich sich zur Eintragung in die Stammrollen zu melden. Säumige, welche sich nicht ge nügend entschuldigen können, gehen ihrer Reclamationsansprüche verlustig und werden vor den Andern sofort zum Dienst angestellt, wenn sie taug lich erscheinen. — Die Gefängnisse in den meisten Bezirken Schlesiens sind jetzt derart überfüllt, daß die wegen leichterer Vergehen und nur auf kürzere Zeit zur Gefängnißstrafe Verurtheilten Stundung erhalten und nur allmälig einzeln zur Strafabbüßung herangezogen werden. -j-Aus dem Regierungsbezirk Merseburg, 18. März. In Preußen müssen Militärpflichtige, welche als „Freiwillige auf ein Jahr" cintretcn wollen, aber nicht im Besitz eines Qualificationszeugnisses für die Secunda eines Gymnasiums oder einer höher« Realschule sind, sich einer besonder» Prüfung unterwerfen. In unserm Departement hat dieselbe vor einigen Tagen in Merseburg stattgefunden und sind dabei auch diesmal wieder mehr als die Hälfte der Examinanden durchgefallen. — Die Polizei in dem quer- furter Kreise entwickelt jetzt eine doppelte Thätigkeit, die dadurch veranlaßt sein soll, daß man vor kurzem einen namhaften politischen Flüchtling aus dem preußischen Thüringen im Städtchen Laucha an der Unstrut wäh rend der Nacht bemerkt haben will. — Die königliche Negierung erläßt so eben eine Verordnung, nach welcher von sämmtlichcn Kirchenvorständen die bekannten drei Schulregulative vom 1., 2. und 3. Oct. v. I. auf Ko- sten der Kirchcnkaffen angeschafft und in den Pfarrarchivcn niedcrgelegt wer den müssen. Baiern. -s> München, 19. März. Als ein beachtenswcrthes Zei chen unserer parlamentarischen Lage und Zerwürfnisse mag es gelten, daß die unter dem Namen ihres Führers Lerchenfeld bekannte Fraction unserer Kammer der Abgeordneten dieser Tage über einen Antrag an die Kammer und des Inhalts in Berathung trat, den König in einer Adresse zu bitten, daß das unlängli vorgelegte Budget zurückgenommen, der jetzigen Kam mer nur ein einjähriges Budget vorgelegt, sodann die Kammer aufgelöst, die Neuwahl angeorbnct und der neuen Kammer das Budget für den übri gen Theil der Finanzperiode (fünf Jahre) vorgelegt werden wolle. Wieman sieht, wäre eine solche Adresse ebenso wol im konstitutionellen Herkommen begründet, als sie unter den Umständen als ein mildes Auskunftsmittel und als Dasjenige erscheinen würde, was man in England konsistent nennt. Die Differenz zwischen dem Ministerium und der Kammermajorität ist nun einmal da. Das alte Vertrauen hat gerade jetzt, wo cs so nöthig wäre, aufgehört. Die erhöhten Ansprüche stehen nach der Ueberzeugung der Kammer mit den Kräs- ten des Landes und den Leistungen der Verwaltung nicht im Einklänge. Es soll sonach dem Ministerium jede plötzliche Verlegenheit erspart, zugleich aber dem Lande Gelegenheit gegeben werden, sich in einer Angelegenheit, die eS zunächst angcht, in Sachen seines Seckels, für oder wider zu entscheiden. — Die deutsche Politik unsers Ministeriums kam kürzlich in der Kam mer abermals zur Sprache. Bei der Position für die Rcgierungsprcsse, Prüfung der Rechnungen, rügte nämlich Hr. v. Lerchenfeld gewisse, seiner zeit auch in Ihrem Blatt erwähnte, für gouvernemental inspirirt geltende Artikel der Pfälzer Zeitung, deren Inhalt nicht nur zu „der öffentlichen Meinung von ganz Deutschland, mit sehr wenigen Ausnahmen", im ent- schiedensten Widerspruch stehe, sondern deren Ton sogar, ein „in gnädiger Herablassung philosophisch wegwerfender" Ton, Anstoß zu erregen und uns dem Ausland gegenüber in Verlegenheit zu bringen geeignet sei. Jetzt sei eS aber gewiß nicht an der Zeit, „aus muthwilliger Veranlassung" an Oesterreich und den ihm verbündeten Großmächten sich zu reiben rc. Der