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Wochenblatt für Zschopau und Umgegend : 24.08.1935
- Erscheinungsdatum
- 1935-08-24
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id512512809-193508240
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id512512809-19350824
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-512512809-19350824
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- Parlamentsperiode
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- ZeitungWochenblatt für Zschopau und Umgegend
- Jahr1935
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FW Bon Paul Schönher Draußen Uber am Waldrande und auf den Waldwegen suchten die Häscher ihre' „Boches". Oft waren sie so nahe bei uns, daß man sie fluchen und schimpfen hörte. In ihrer Ratlosigkeit schossen sie blindlings in den Wald hinein und glaubten, uns wie Wild gufscheuchen zu können. Während Hermann seine Arbeitsjacke zu einem Rucksack umarbeitete und die geringen Lebensmittel für 4 hungrige Kriegsge fangene darin unterbrachte, zog ich meine Skizze aus siche rem Versteck hervor, um mich bei Tage noch einmal zu orientieren. Wo und wann würde unsere Flucht enden? Bis über den Rhein mußten wir, denn links von ihm saßen ja die Alliierten. In 6 bis 7 Tagen können wir es geschasst haben, rechnete der Berliner. Nachts marschieren und am Tage ein Versteck aufsuchen, das war die Voraussetzung für das Gelingen einer Flucht. Auf Rücken, Brust und Ober schenkel unserer Uniform prangten in weißer Oelfarbe die beiden verräterischen Buchstaben P. G. fPrisonnier de güerre). Nur die aufgen«^c Gesangenennummer ließ sich beseitigen. Wir trennten sie mit einem wahren Genuß ab und verscharrten sie im Waldboden. Als uns die Nacht voll ständig in ihr Dunkel eingehüllt hatte, lauschten wir noch einmal in den Wald hinein. Stille war ringsum. Wir fühlten- uns wie im Schützengraben, als wir so leise wie möglich die Flucht ins Ungewisse fortsetzten. Es galt zu nächst aus dem riesigen Wald herausqukommen. Der Him mel war bedeckt, der Polarstern zeigte sich nur ab und zu. Nach etwa Sstündigem Umherirren hatten wir endlich freies Gelände vor uns. Unsere.Uhren hatten uns die Franzosen bei der Gefangennahme geklaut. Es mochte, um Mitternacht sein. Ranhalten! flüsterte ich Hermann zu, der über den sumpfigen Boden wie ein Rohrspatz schimpfte. Große Um wege waren nötig. Wir kamen an Feldbefestigungen vorbei, übersprangen Gräben, durchquerten Drahtverhaue, blieben in Stolperdrähte hängen und schlugen uns beim Fallen die Hände auf. Aber all das kümmerte uns nicht, nur vor wärts, heim nach Deutschland wollten wir. Auch Durst, Sanaffheit und Müdigkeit wurden niedergekämpft. Schon graute ja der Morgen. Am Tage war Zeit zum Pennen. Links vor uns hob sich aus der Morgendämmerung ein Dorf heraus. Hier und da kläffte ein Hund. In einem großen Bogen umgingen wir den Ort und suchten nach Wald, der uns aufnehmen sollte. Leider war weit und breit kein Baum und Strauch zu sehen. Schon regten sich Menschen hände im nahen Dorfe. Was blieb uns weiter übrig, als uns in einem Lupinenfeld notdürftig der Sicht zu entziehen. Nach einem bescheidenen Frühstück schliefen meine drei Weg genossen ein. Ich machte mir an meinem Schuh zu schaffen und versuchte, die abgeplatzte Sohle festzubinden. Als auch ich mich zum Schlafen anschickte, hörte ich, wie in unserer unmittelbaren Nähe eine Sense gewetzt wurde. Ich erhob meine müden Knochen etwas und da sah ich, wie ein Bauer in behaglicher Ruhe ausgerechnet das Feld ab mähte, in dem wir unser Lager aufgeschlagen batten. Er war mit seiner Sense schon so nahe an uns hcrangekommen, daß er bald unsere Beine erwischen mußte. Wie war cs nur möglich, daß er uns noch nicht sah? Als ich meine Kameraden weckte und sie auf die Gefahr aufmerksam machte, waren sie paff und vor Schreck blieb ihnen der Mund offen stehen. Wir hielten einen kurzen Kriegsrat ab, kamen aber zu keinem einstimmigen Entschluß. Erst dachten wir daran, einfach weitcrzugehen und dann eiligst irgendwo zu verschwinden — aber das war auffällig. Kurz entschloffeu staud ich auf und sprach den Bauer in französischer Sprache an. Vor Schreck wäre ihm bald die Sense aus den Händen gefallen. Er hielt nns für Russen. Ich klärte ihn aber auf, erzählte ihm eine lange Leidensgeschichte und versuchte, bei ihm Mitleid zu erwecken. Er gab auch über die nähere und weitere Umgebung Auskunft, woraus wir merkte», daß wir einen ziemlichen Umweg gemacht hatten. Genau nördlich hätten wir marschieren müsse», wie der Student ganz richtig behauptet hatte. Er sagte dann schließlich noch, daß wir hier fortmttßteu. Auf der nahen Anhöhe seien Unterstände und Schützengräben, da könnten wir nns verstecken. Als er mir :, Gornau. (Fortsetzung). zum wiederholten Male versichert hätte, uns nicht zu ver raten, brachen mir nach unserem neu«» Unterschlupf auf. Nein zufällig wendete ich meinen Blick zurück und da^sah ich, wie soeben eine Gendarmeriepatrouille aus dem Dorfe herausritt. Also hatte der Schurke doch sein Wort gebro chen. Züm Glück war auf dem jeüseitigen Hange ein grö ßeres Weidengestrüpp, in dem wir atemlos anlangten. Fast gleichzeitig setzte ein wolkenbruchärtiger Regen 4in, der jede Spur verwischte und den Gendarmen die Lust zur Verfol gung nahm. Sie tänzelten zwar mit ihren Gäulen am Rande unseres Versteckes entlang, ein ganz mutiger gab sogar einige Schüsse ab, dann sprengten sie aber davon. Da hätten wir wieder einmal Schwein gehabt, meinte Hermann. Ja, mein lieber Elsässer — vielmehr Neufranzose dein Verrat hatte dir nichts genützt. Vor Nässe und Kälte hockten wir uns zusammen und wünschten nichts sehnlicher als die Nacht herbei. Unsere Lebensmittel gingen zur Neige. End lich war auch dieser Tag vorüber und wir konnten zum Weitermarsch aufbrechen. Kilometer um Kilometer würde zurückgelegt. Wolkenfetzen zogen am Himmel; der Mond zeigte nur ab und zu sein blankes Gesicht. Wir erreichten die Bahnlinie Dieuze—Saaratm, der wir folgten. Mattig keit, Hunger und vor allem aber ein gräßlicher Durst stellten sich bei uns ein. Die nassen Kleider klebten uns auf dem Körper. Als die fliehende Nacht noch mit dem Tag kämpfte, stießen wir auf einen dichten Wald mit schönem Unterholz. Während Hermann und Ptaxe einige Aeste für ein Lager brachen, schnitt, ich dem Berliner die Kappe seines rechten Schuhes heraus, weil er sich daran sehr wund gescheuert hatte. Sonst hätte er nicht weiterlaufen können. Der Schuh sah nun zwar mehr einer Sandale ähnlich, von Stund an waren jedoch die Marschbeschweröen beseitigt. An meiner abgcplatzten Sohle konnte ich leider nichts ändern. Bei je dem Schritt den ich tat mußte ich den rechten Unterschenkel wie beim Exerziermarsch vorschnellen lasse», damit die Sohle mit nach vorn kam. Bindfaden zum Befestigen hatte ich leider nicht mehr. Betrüblich war nur, daß das Fußgelenk ob dieser ungewöhnlichen Bewegung stark anschwoll. Als wir abends aufbrachen, teilten wir unser letztes Stückchen Brot. Es wäre nicht einer davon satt geworden, geschweige denn vier. Der Berliner und ich teilten uns in die Wege erkundung. Wegeerkundung ist zuviel gesägt, denn es ging ja immer querfeldein; nur mit Hilfe des Polarsterns war die Nordostrichtung zu suchen und einzuhalten. Vollkommen abgestumpft folgten Hermann und Klammer Max. Wieder dämnierte der Morgen herauf und da kein Wald zu sehen war, verkrochen wir uns in einem einzelnen Haselnußbusch auf einer Wiese. Eine Zigarette von Hermanns letzten Tabakresten, das war unser Morgenfrühstück. Trotz des rauhen Hcrbstwindes, der über die Stoppeln wehte, trotz der durchschwitzten Kleidung verfielen wir in einen tiefep Schlaf. Liebliches Kuhglockengeläut, harmonisch gemischt mit dem Gesang einer jungen Hüterin, weckte uns aus dem Schlum mer. Es mochte 4 Uhr nachmittags sein. Wenn man nur verstände, ob das Mädel in deutscher oder französischer Sprache singt. Als es endlich einmal etwas näher an Un serem Strauch herankam, trug uns der Wind die Laute zu: „den schönsten Platz, den ich auf Erde» hab, das"... Nicht erschrecken, Fräulein, meinte Hermann in seinen: schönsten Hochdeutsch. Unauffällig unterhielten wir uns mit ihr, bis sie alles von uns wußte. Sie gab wichtige Aufschlüsse über unseren Standpunkt und erwog mit uns das weitere Ziel. Sie schien ehrlich zu sein und hatte Mitleid mit uns, als sie erfuhr, daß wir schon seit gestern nichts ge gessen hatten. Früher sei cs schöner gewesen, als die deut schen Soldaten »och hier gewesen seien. Die hätten mit ge arbeitet, aber vor den Franzosen könnten sie sich überhaupt nicht auf der Straße sehen lassen. Schade, daß die Zeit so schnell verstrichen war und sie ihr Vieh den heimatlichen Pcnaden zutreiben mußte. (Fortsetzung folgt). Verantwortliche öchriftleitung: Margarete Voigtländer. Druck und Verlag: Wochenblatt für Aschopau und Umoeaend Richard VaigkUtnder in (Zschopau
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