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Amts- und Anzeigeblatt für den Amtsgerichtsbezirk Eibenstock und dessen Umgebung : 07.09.1913
- Erscheinungsdatum
- 1913-09-07
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id426615816-191309072
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id426615816-19130907
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-426615816-19130907
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungAmts- und Anzeigeblatt für den Amtsgerichtsbezirk Eibenstock und ...
- Jahr1913
- Monat1913-09
- Tag1913-09-07
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Vor der Schutzhütte. Humoreske von L. B . . . Herr Ignatius Lemmermann war kein Hochtourist im verwegensten Sinne des Wortes, aber ein leidenschaftlicher Freund des Hochgebirges war Herr Lemmermann darum doch, und ec machte sich, ganz buchstäblich genommen, keiner Unwahrheit schuldig, wenn er am Stammtische von der herrlichen Gletscherwanderung sprach, die er alljährlich in den Oetztaler Alpen zu unternehmen pflege. Irgend eine opferwillige Sektion des Deutschen und Oesterreichischen Alpenvereins hatte hier eine allerliebste kleine Schutzhütte errichtet, die für Herrn Lemmermann den Gipfel alpiner Romantik und hochtouristischer Genüsse bedeutete. Denn hier war jeder Wandersmann sein eigener Wirt und Gast. Man verbrachte nach echter Bergfexenart die Nacht in einem der sechs kistenartigen Abteile des Schlafraumes, und den Höhepunkt innigen Behagens pflegte Herr Lemmer mann dann zu erreichen, wenn er hörte, wie seine Schlaf nachbarn sich vor Tagesanbruch von ihren Matratzenlagern aufrappelten, um die geplante Tour auf einen der um liegenden Gipfel anzutreten; denn er dachte natürlich nicht im Traum daran, es ihnen gleichzutun. Der Morgen schlaf war nach seiner Auffassung in einer Schutzhütte bei weitem der gesündeste, und für den halbstündigen Spazier gang über den alleruntersten, völlig harmlosen Teil der fast bis an die Hütte heranreichenden Gletscherzunge war cs auch um acht oder neun Uhr noch früh genug. Der Brandtner Loisl aus Umhausen, der Herrn Lemmermann nun schon seit fünf Jahren bei seiner ein zigen Hochtour als Träger diente, kannte dessen alpinistische Gepflogenheiten natürlich ganz genau, und er ging mit niemanden lieber als mit dem kleinen, dicken, gutmütigen Herrn, der im Verlauf jeder Stunde mindestens dreimal Leni: »I bitt Di, Sepp, geh nöt eini! Wia leicht kunnst durt ums Aug kumma!" Sepp: „Halt mi nöt auf, eini must i — a Aug reskier i!" rastete und jede Nast zu einem gemeinsamen kleinen Frühstück mit Rotwein und kaltem Braten gestaltete. Auch Heuer war wieder der große Tag für Lemmer manns Aufstieg zur «chutzhütte unter dem langen Ferner gekommen. Bald nach dem Mittagsschläfchen hatte er herzlichen, leicht gerührten Abschied von der treuen Ge fährtin seines Lebens genommen, und mit Eintritt der Abenddämmerung hatte er unter Loisl's sicherer Führung das Ziel der kühnen Wanderung erreicht. Als er die Hüttentür öffnete, sah er, daß er auch diesmal nicht genötigt sein würde allein zu schlafen: an jedem der beiden vor handenen Tische saßen zwei jüngere Herren in bergmäßiger Ausrüstung beim Abendimbiß, während in der Führer- Ecke ein paar bärtige, verwetterte Gestalten den duftigen Rauch ihrer kurze» Pfeifen zur Zimmerdecke emporsteigen ließen. Herr Lemmermann wünschte freundlich Guten Abend und ließ, während er seinen kleinen Rucksack mit den drei für den Heimweg bestimmten Hühnern an die Wand hängte, seinen Blick prüfend über die Berggenossen schweifen, die ihm der Zufall beschert hatte. Die beiden ersten imponierten ihm wenig: ein schmächtiger, semmel blonder bartloser Jüngling, der höchstens ein Student in den ersten Semestern sein konnte, und ein hagerer Dreißiger, der im Flüsterton auf seinen jüngeren Begleiter einsprach. Diebeiden anderen gefielen ihm um so besser. Namentlich der größere von ihnen, den er nach seiner Haltung, seinem wohlgepflegten militärisch aufgesetzten Schnurrbart und seiner lauten schneidigen Redeweise sofort auf einen Offizier abschätzte, stach ihm um so mehr in die Augen, als er gleich im ersten Moment die Empfindung hatte, das ihm dies schöne, charaktervolle Gesicht schon einmal irgendwo begegnet sein müsse. Bescheiden setzte er sich an eine frei gebliebene Ecke dieses Tisches, ließ sich aus dem wohl versorgten Rucksack des Trägers eine der Rotweinflaschen reichen und wartete auf eine schickliche Gelegenheit, sich an der Unterhaltung zu beteiligen. Aber die Herrschaften waren bereits an das Ende ihrer Mahlzeit gelangt, und schon nach wenigen Minuten erhoben sich alle vier, um den Schlafraum aufzusuchen, den sie ja wahrscheinlich schon vor Sonnenaufgang wieder zu verlassen gedachten. Herr Lemmermann blieb mit seinem Rotwein allein und da er kein sonderliches Ver langen fühlte, sich bereits niederzulegen, beschloß er, noch ein Stündchen draußen auf der kleinen Bank vor der Hütte im Genüsse der herrlichen Hochgebirgsnatur zu verträumen. Er hatte noch nicht lange gesessen, als sich der Brandtner Loisl zu ihm gesellte, wie sich als bald herausstellte, zu keinem anderen Zweck, als ihm unter dem Siegel des tiefsten Geheimnisses eine Neuig keit anzuvertrauen, die er soeben von den beiden Führern in Erfahrung gebracht hatte. Herr Lemmer mann glaubte anfänglich seinen Ohren nicht trauen zu dürfen, und seine Mienen drückten mehr Zweifel als Erstaunen aus. „Ein Prinz?" wiederholte er. „Ein richtiger königlicher Prinz? Der jüngere Sohn meines eigenen Landesherrn? Ist das ganz gewiß?" Loisl leistete einen feierlichen Eid, daß der Rieder Sepp noch nie in seinem Leben gelogen habe, und nun ging Herrn Lemmermann plötzlich ein Licht auf. Darum also war ihm das Gesicht des vornehmen jungen Herrn mit dem aufgewirbelten Schnurrbart so bekannt vorgekommen. Ohne Zweifel hatte er es schon auf Photographien gesehen oder in einer der illustrierten Zeitschriften, die ja heutzutage jeden interessanten Moment aus dem Leben hochgeborener Persönlichkeiten im Bilde festzuhalten pflegen. Und er war nahe daran gewesen, diesen Prinzen anzureden wie einen gewöhnlichen Sterblichen! Dem Himmel sei Dank, daß eine instinktive Scheu ihn vor dieser unge heuren Dreistigkeit bewahrt hatte. Die Scham über die unvermeidliche Zurückweisung würde ihn ja bis an sein Lebensende Verfolgs haben. Er war mit einem Male sehr schweigsam geworden, und als der Loisl sich auf sein Heulager in der oberen Kammer zurückgezogen hatte, nahm er eine frische Zigarre aus seinem Etui, streckte die kurzen Beinchen von sich und lehnte sich
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