II. Literarische Anzeigen. Doelle, Ferdinand, P. O. F. M. Die Reformbewegung unter dem Visitator regiminis der sächsischen Ordensprovinz. (Franziskanische Studien 1916, S. 246-289). In meinem Aufsatze „Zweierlei Franziskaner in der Oberlausitz“ (Bd. 91 dieser Zeitschrift, S. 122 ff.) hatte ich angegeben, dass der Görlitzer Missivenband der Jahre 1497—99 nicht weniger als 14 Schreiben des Görlitzer Rates enthalte, die sich auf die Abwehr der sogenannten wilden Brüder beziehen. Diese 14 zum Teil schwer lesbaren Schreiben hat der Verfasser abgeschrieben und in der Quartalschrift „Franziskanische Studien“ mit einer gründlichen Einleitung herausgegeben. Hat er schon dadurch zur Auf klärung der verwickelten Verhältnisse der Oberlausitzer Franziskanerklöster um 1500 beigetragen, so noch vielmehr durch Hinzufügung von weiteren vier Schreiben aus einem der folgenden Missivenbände. Das Ergebnis der Veröffentlichung ist nun folgendes: Das Görlitzer Franziskanerkloster gehörte, ebenso wie die Franzis kanerklöster in Bautzen, Löbau, Zittau und Lauban, zur Ordensprovinz Sachsen, stand also unter dem sächsischen minister provincialis. Es war 1462 reformiert worden, d. h. es war zu einer strengeren Einhaltung der Regel des heiligen Franziskus übergegangen, wie sie Papst Martin V. 1430 eingeführt hatte, und hielt nun die Mitte zwischen den Observanten, die in völliger Besitzlosigkeit lebten, und den Konventualen, die sich allerhand Freiheiten erlaubten. Von Görlitz aus war 1484 auch das Schweidnitzer Kloster reformiert worden. Um nun in ihrer strengeren Lebensweise von den Konventualen, den wilden Brüdern, nicht irre gemacht zu werden, hatten Görlitz und Schweidnitz (zusammen mit Leipzig und Zwickau) durchgesetzt, dass sie der Aufsicht des Kustos entzogen und einem besonderen Vorstande, einem sogenannten Visitator, unterstellt wurden, der seinerseits dem Pro vinzialminister untergeordnet war. Mit dem geistlichen Leben, das seine Mönche nunmehr führten, war der Görlitzer Rat wohl zufrieden, und als er hörte, dass der Orden das Institut des Visitators wieder abschaffen wolle, da bat er wiederholt um Beibehaltung des Visitators. Man nahm Anstand, diese Bitte zu gewähren. Nun drohte der Rat mit dem Uebergange zur Observanz, also zur strengsten Richtung, was den Uebergang vom Minister zum sogenannten Vikare zur Folge gehabt hätte. Schon fragte der Rat (25. August 1498) bei dem Vikare der sächsischen Observanten an, ob er geneigt sei das Görlitzer Kloster einzunehmen und mit seinen Vätern und Brüdern zu besetzen. Da gab ein Befehl des Landesherrn der Sache eine andere Wendung. König Wladislaw von Böhmen verordnete nämlich (Dezember 1499), die Oberlausitzer Franziskanerklöster, die doch seit Jahr hunderten nicht zur böhmischen, sondern zur sächsischen Ordensprovinz gehörten, sollten künftig Brüder nur noch aus der böhmischen Ordens provinz aufnehmen, nicht mehr Deutsche und Ausländer. Die Be setzung des Görlitzer Klosters mit sächsischen Observanten war also un möglich geworden. Das Leipziger Kloster, das ja nicht unter dem böhmischen Könige stand, ging zur Observanz über. Görlitz und Schweidnitz blieben zunächst noch unter einem Visitator, und zwar unter dem Bruder Benedikt