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Frankenberger Tageblatt, Bezirks-Anzeiger : 21.02.1902
- Erscheinungsdatum
- 1902-02-21
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1786999250-190202210
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1786999250-19020221
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1786999250-19020221
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungFrankenberger Tageblatt, Bezirks-Anzeiger
- Jahr1902
- Monat1902-02
- Tag1902-02-21
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Zu Titel 17 d«S außerordentlichen Etats, Um« und Erwei terungsbau beim Seminar zu Zschopau, einschließlich innere Aus stattung, fordert die Regierung 200000 M. für einen Neubau des Schulgebäudes, die Herstellung des Verbindung-Hause- zwischen dem allen und dem neuen Schulgebäude, für den Umbau des alten Hauptgebäudes, für Vergrößerung und bessere Ausstattung des Betsaalrs, für bauliche Herstellungen im UebungSschulgebäude, für Herstellungen, für Vergrößerung des Turnplatzes und für die innere Ausstattung, beantragt die Deputation, Titel 17 deS außerordentlichen Etats in Höhe von 215200 M. zu bewilligen. Das Haus stimmt diesem Votum einstimmig und ohne Debatte zu. Zu Kapitel 98, Volksschulen, beantragt die Deputatton, die Kammer wolle beschließen: nach der Vorlage bei Kapitel 96, Volks schulen, die Einnahmen in Titel 1 bis 4 mit 48750 M. zu genehmigen, die Ausgaben in Titel 5 bis 19 mit 8543 385 M, darunt r 53000 M. transitorisch, zu bewilligen. Weiter beantragt di« Deputation, die Petitionen deS Virstande- de- sächsischen Lehrerverein- und deS KirchschullchrrrS vwor. L. W. M. Born in Radeburg auf sich beruhen zu lassen. Die Kammer beschließt demgemäß, ebenso wird Titel 18, Erweiterungs bauten bei der TurnlehrerbildungSanstalt in Dresden, mit 60000 M. einstimmig nach den Anträgen der Finanzdeputation X bewilligt. Ferner beantragt die Deputation bei Kapitel 97, Katholische Kirchen und wohlthätige Anstalten, nach der Vorlage die Ausgaben mit 65 745 M., darunter 5000 M. transitorisch, zu bewilligen; bei Kapitel 98, Sonstige Kultuszwecke, nach der Vorlage die Aus gaben mit 4050 M. zu bewilligen; bei Kapitel 99 unter L, Allgemeine Ausgaben zu Zwecken der Taubstummenanstalten rc., in Titel 1 bis 3 nach der Vorlage die Ausgaben mit 8500 M. zu bewilligen; bei Kapitel 100, StiftungSmäßige und privatrecht- liche Leistungen der Staatskaffe für Kirchen- und Schulzweckc, die Ausgaben unter Titel 1 bis 9 mit 32 346 M. nach der Vorlage zu bewilligen und bei Kapitel 101, Allgemeine Ausgaben bei dem Departement deS KultuS und öffentlichen Unterrichts, in Titel 1 bis 4 die Ausgaben mit 39000 M. nach der Vorlage zu be willigen. DaS HauS nimmt einstimmig diese Anträge an, womit di« Sitzung geschloffen wird. verttiches und SSchfisches. Frankenberg, 20. Februar 1902. 1- DaS Direktorium deS Landwirtschaftlichen KreiSvereinS im Erzgebirge hat den nachstehend Genannten Auszeichnungen für langjährige, treue Dienste in der Landwirtschaft zuerkannt und am 18. d. M. in einer in Frankenberg abgehaltencn VortragS- versammlung deS Landwirtschaftlichen Verein- Mühlbach zur Aus händigung gebracht: 1. Die silberne Medaille und ein Ehren- zeugniS an Karl Schulze au- HauSborf bei Flöha für 15jährige Dienste bei Herrn Gutsbesitzer Hermann Seltner in Mühlbach bei Frankenberg und 2. dai EhrenzrugniS an Friedrich Sacher aus HauSdorf für 10jährige Dienste bei Herrn Gutsbesitzer Karl Hahn in Mühlbach. Gleichzeitig wurden von dem Lanvwirtschaftlichen Verein Mühlbach 3 Dienstboten für 5- bis 7jährige, treue Dienste durch Ueberreichung von Ehrendiplomen ausgezeichnet und diesen treuen Dienstboten von ihren Dienstherrschaften auch namenSwerte Geldgeschenke behändigt. — Der Erzgrbirgsverrin Chemnitz unternahm am vergange nen Sonntag eine Fahrt nach dem Fichtelberge, woran 74 Per sonen teilnahmen. Der Schnee lag auf dem Fichtelberg durch schnittlich dreiviertrl Meter hoch. Ein Teil der Ausflügler unter nahm einen Marsch nach Gottesgab in die Weinschenke von Oppl. In GotteSgab waren von HauS zu HauS Gänge durch den Schnee geschaufelt. Der Schnee lag hier bis 1*/, Meter hoch. — Die Feldzugsteilnehmer de- 7. Jnf.-RcgtS. „Prinz Georg" Nr. 106, der früheren Chemnitzer Garnison, welche im Jahre 1897 «ine Zusammenkunft in Chemnitz veranstalteten, beschlossen damals, derartig« Zusammenkünfte aller fünf Jahre stattfinden zu lassen. Die nächstmalige Zusammenkunft wird nun am 5. und 6. Juli d. I. in Leipzig Und zwar im Etablissement „Zoologischer Garten" stattfinden. Der Vorsitzende deS Komitee- ist der Tischler meister Karl SariuS, Leipzig-Lindenau. — Am Dienstag abend hat wiederum ein Unbekannter in einem Dresdner Bankgeschäfte durch einen Boten eine auf den Namen einer Dresdner Firma gefälschte Quittung nebst Begleit schreiben vorlegen lassen, um dadurch den Betrag von 14000 Mark widerrechtlich zu erlangen. Der Betrug ist nicht gelungen, aber auch der Thäter nicht ermittelt worden. — Nerchau. Am 10. und 11. Mai dieses Jahres gedenkt die bekannte städtische Bramtenschule zu Nerchau die Feier ihre- 10-jährigen Bestehen- in einfacher Weise zu begehen. Bereits find unter den zahlreichen ehemaligen Schülern, die bei königlichen Behörden, sowie im Gemeinde- und Privatdienste ihr gutes Aus kommen finden, Vorarbeiten im Gange, die zur Gründung eines unten, desto mehr überwog die braune Farbe. Dabei bezeichneten verdächtige Regenrinnen den Weg, den die Scheckcnflccke genommen hatten. Es war allen sofort klar, der Scheck war eigentlich kein Scheck, sondern ein Schimmel. Man lachte, spottete und auch der Rittmeister meinte heiter, jetzt könne man sehen, was er aus einem Gaul mache, doch war seine Heiterkeit jetzt ebenso wenig echt, wie vorher der Scheck. „Na, Ihr Paradepfcrd können Sie allein nach Hause reiten, Herr Leutnant, ich ziehe eS vor, zu Fuß zu gehen, wenn ich keinen Wagen auftreibe", bemerkte er und lehnte das Ancrbirten der anderen Offiziere, eines ihrer Pferde zu benutzen, dankend ab. So trabten denn alle davon, der Rittmeister aber wanderte, da kein Wagen vorhanden, zu Fuß nach der Stadt zurück. Seine Stimmung war eine eigentümliche. Seine Weite hatte er zweifellos gewonnen, und doch bedrückte ihn etwas. Wozu die falschen braunen Flecke, die doch in diesem Regen abgehen mußten! Nach einem nicht gerade schönen Spaziergang erreichte er daS ! Kasino, wo die Sache lebhaft erörtert und belacht wurde. An SchmettingS früheren Regimentiches entsandte Syttow sofort eine Depesche mit der Mitteilung, daß der Zauber deS „Metterich" gebrochen sei. Wer aber beschreibt da- Erstaunen aller, als nach kurzer Zeit ! folgendes Antworttelegramm eintraf: Herrn Rittmeister v Syttow! Vielen Tank. Sie haben 1000 Mark gewonnen. Mit mir ! aber hatte Schmetting um 5000 Mark gewettet, daß Rittmeister > v. Syttow aus einem angemalten Gaul Fräulein v. St. bei strö- , mendem Regen Reilrrkunstftückchen vormachen, und schließlich ohne ! Pserd Heimkehrer» werde. (Roßweiner Tageblatt.) ! Verband«- führen sollen, d«r di« Wahrung der Stand«»intrreff«n, wie dir Pflege der Anhänglichkeit an die bewährte Bildungsstätte im Auge haben will. — Zum Wurzenrr Raubmord ist weiter zu berichten, daß al» Thäter zwei Personen in Frage kommen: eine MannSperson, die im Laden den Ueberfall aus die verw. Möser auSsührte, und eine Frauensperson, welche vor der Ladenthüre aus der Straße Wache stand und dunkele Kleidung, wohl schwarzen Rock, auch schwarze Jacke und ein Kopftuch von angeblich roter Farbe trug. (Der Verdacht gegen diese Frauen-person hat sich neueren Nach richten zufolge abgeschwächt). Es ist anzunehmen, daß der Thäter, welcher dir Flucht durch ein in den Hof führendes Fenster ergriff und dabei ein an dem betreffenden Morgen frischgebackenes Franz brötchen verlor, die Gewohnheiten der Möser, die Oertlichkeit und die Art der Aufbewahrung de- Geldes gekannt hat. Der Mörder hat, um von der Straße aut nicht beobachtet werden zu können, die Scheiben der Ladenthür mit einem Rocke der Ermordeten ver hangen und hierzu al- BefrstigungSmittel eine Haarnadel au- weißem Metall benutzt, wie sie die Ermordete nicht besaß. Diese Haarnadel kann bei der Polizeiverwaltung in Wurzen besichtigt werden. Da» kgl. Justizministerium hat eine Belohnung von 500 Mark demjenigen ausgesetzt, der solche Angaben zu machen im stanve ist, daß auf Grund derselben die Ermittelung des ThäterS oder der THSt:r gelingt; für den Fall, daß mehrere An spruch aus die Belohnung erheben könnten, behält sich daS Justiz. Ministerium die Bemessung der Anteile vor. — Zum Konkurse der Leipziger Bank erfährt da- „Leipz. Tagebl ", daß ein neuer Gläubigertermin auf den 28. Februar, ein neuer PrüfungStcrmin zum 12. März einberufen wird. Ins gesamt find bei der jüngst beendigten Auszahlung der 30proz. AbschlagSdividcnde etwa 22 Mill. M. an die Gläubiger zur Aus zahlung gelangt. Eine zweite Äbschlagsdivivende wird wahrschein lich nicht vor dem Monat August dieses Jahres ausgezahlt. — Die Jahre des Aufschwunges werden wieder kommen. Wieder werden Spekulanten ihre Schleppnetze in die Hochflut werfen und die Gründlinge zu fangen suchen, und wieder werden diese in Scharen ins Zietz gehen, geblendet von den hohen Divi denden und getr eben von dem Verlangen, auch einige Bissen von reichbesctzten Mahle zu erhalten. Wer von sich fühlt, früher oder später wieder dem Vertrauensdusel zu verfallen, der schneide sich die Bilanz aus, die die „Frankf. Ztg " über die Leistungen der Träbtrtrocknuugs-Gesellschaft aufgestellt hat: Aufgebaut auf Lug und Trug, hat diese Gesellschaft in 12 Jähren ihr Kapital von 350000 Mk. auf mehr al- 20 Mill. Mk. gesteigert, Divi denden zwischen 10 und 50 Proz. verteilt, 32 Tochter-Unternehmen errichtet, und als sie jäh zusammenbrach, erwies sich, daß sie volle 50 Mill. Mk. Verluste als erkünstelten Aktivwert verbucht hatte, daß über 21 Mill. Mk. als Dividenden und Tantiemen zu Un recht auSgeschüttet wurden, daß an greifbarem Vermögen nur noch 1 bis 2 Mill. Mk. vorhanden waren bei 177 Mill. Mk. Schulden. Schon für 1894/95 hatte man nur durch falsche Buchungen Ge winn und Dividende erzielt. Aus dieser Notlage wollte Schmidt durch das Bergmann-Patent sich retten, und auf dessen angebliche Zauberkrast wurde allmählich die ungeheuerliche Gründerei auf gebaut, die bis zum Herbst 1896 die Träberaktien auf 895 Proz. Hinauftrieb. Heute klingt e» fast unverständlich und beschämend, daß im nüchternen Deutschland ein hohler Schwindelbau so riesen haft in» Große wachsen, für ungezählte Millionen Geld und Kredit bekommen konnte. Aber selbst da» war Täuschung, nur in den Anfängen ließ di« öffentliche Meinung sich irreführen, schon 1897 gewann die scharfe Kritik zusehend» an Wirkung, im Mai 1897 schrieb Arnold Sumpf bereit-, sein Vertrauen sei sehr erschüttert, im August 1898 besorgte Hermann Sumpf schon den Zusammenbruch. Den Eingeweihten galt da» „Ende mit Schrecken" nur noch als eine Frage der Zeit. Daß die Gesellschaft und ihr Aktienagio so lange aufrecht blieben, war auch Kennern ein Rätsel, dem erst der Leipziger Bankbruch die Lösung brachte: die Träber- gesellschaft und ihr Aktienkurs hatte von dem Gelde und dem Kredit der Leipziger Bank gelebt, bis auch diese völlig auSgesaugt war und nun beide gemeinsam verkrachten. — Der Großindustielle Fabrikbesitzer Friedrich Moritz Wolf in Saupersdorf ist gestorben. Er gehörte u. a. viele Jahre lang dem Bezirksausschuß und dem Bezirksverband der König!. Amtshauptmannschaft Zwickau als Mitglied an. — Die Vorarbeiten dec sächsischen Regierung zur Errichtung von Thalsperren im Gebiete der Mulde und ihrer Nebenflüsse sind zum Abschluß gelangt. Es sollen insgesamt 26 Thalsperren errichtet werden, deren Kosten aus 20 Millionen veranschlagt sind. — Zur Beleuchtung des früheren Verwaltungswcsens in Auerbach i. B. dient die Thatsache, daß man neulich bei einer Besichtigung der ungebrauchten Räume der neuen Zentralschule einen neuen Parkettfußboden bez. daS Material dazu fand, das mit 1300 Mark in Rechnung stand. Das Material kam in Ver gessenheit und hat durch die Lagerung jetzt etwa 30—40 Mark Feuerung-wert. — Ter 22. Februar d. I. ist für die Geschichte der Stadt Auerbach i. V. ein bedeutungsvoller Tag. Es vollendeten sich an diesem Tage 500 Jahre, seit die ersten Schritte zur Anglie derung und Verbindung der Stadt Auerbach an das Herrscherhaus Wettin geschehen sind. Die Wettiner waren im 14. Jahrhundert bemüht, in planmäßiger Weise die Reichsunmittelbarkeit der Vögte von Weida bez. Plauen und Gera, welche auch die Herren von Auerbach waren, zu beschränken und durch Erwerbung einer Reihe von Besitzungen innerhalb deS VogtlandcS die allmähliche Ein verleibung deS zu teilenden Landes vorzubereiten. Die Markgrafen von Meißen (die Ahnen unseres gegenwärtig regierenden Königs hauses) wurden in ihren Bemühungen auf daS reichste belohnt. Ein großer Teil des VogtlandcS ward ihr Eigentum. Am 22. Februar 1402 gelangte Markgraf Wilhelm ganz in den Besitz von Auerbach, indem Vogt Heinrich VI. von Plauen für 5000 rheinische Gulden Auerbach Schloß und Stadt mit Pausa, Gefell und Röthenbach (Torf bei Lengenfeld) aus Wiederkaus ihm ver lauste. Die Vcrkaufsurkunde (Pergament) befindet sich im Groß- herzoglichen Gesamt-Archiv zu Weimar, dieselbe ist nebst dem ongehängten Siegel sehr wohl erhalten. Der Stadtrat von Auer bach hat von dem denkwürdigen Schriftstück eine wohlgelungene photographische Nachbildung anfertigen und im RatSzimmer gut sichtbar anbringen lassen. Der Gedenktag wird in Auerbach durch Zapfenstreich, Schulserien, Kirchrnparade u. s. w. festlich begangen. — Schon mit der im nächsten Juli beginnenden neuen Lotterieziehung wird der neue Verlosung-plan in Kraft treten, der in der 5. Klaffe sehr bedeutende Veränderungen mit sich bringt. Es find 300 Stück 3000 Markgeminne eingeschoben worden und dir geringsten Gewinne von 252 auf 255 M. erhöht worden. Der höchste Gewinnbetrag wird im günstigsten Falle 700000 M betragen, nämlich 500000 M. Prämie und 200000 M. al» Höchstgewinn. Lagesgeschichte. Deutsche» Reich. — Kronprinz Wilhelm unternimmt nach der „Köln. Ztg." Anfang März eine Studienreise durch die Reichtlande; er besucht u. a. Straßburg, Kolmar, die Hochkönigsburg, Metz und die Schlachtfelder. — Die geschiedene Großherzogin Viktoria von Hesse» hat die Jnhabrrstelle deS Infanterie-Regiment» Nr. 117 niedergelrgt. DaS Regiment führt von jetzt an den NamenSzug der verewigten Mutter deS GroßherzogS aus den Achselklappen. — Der Zolltarifkommisfion deS Reichstages lag in ihrer gestrigen Sitzung der bekannte Kompromißantrag bereit» vor, der von 15 Mitgliedern der Kommission, und zwar den konservativen, dem sreikonservativen Abg. v. Kardorff, den Zentrumsmitgliedern, dem Nationalliberalen Sieg, dem Antisemiten Gäbel und dem Polen v. PomienowSki unterzeichnet ist. Nachdem die Kommission einen sozialdemokratischen Antrag betreffend Vorlegung einer Ernte, statistik abgelehnt hatte, trat sie in die Beratung deS Kompromiß, antrage- ein. Abg. Gothein (freis. Vg.) bekämpfte in nahezu einstündiger Rede die vorgeschlagrnen Zollerhöhungen. Die Bauern hätten kein Interesse an den Getreidczöllen, sie würden vielmehr durch sie an der Ertragfähigkeit ihrer Viehzucht geschädigt, da man ihnen die Futtermittel, wie Gerste und Hafer, verteuere. Abg. v. Wangenheim, der Führer des Bunde- der Landwirte, der den Kompromißantrag nicht mit unterzeichnet hat, berichtet über eine Maffenpctition um weitere Erhöhung der Zölle. Der badische Ministerialdirektor Scherer erklärt, daß seine Regierung gegen eine Erhöhung der Zölle über die Vorlage hinaus sei. Staatssekretär Graf PosadowSky kündigte an, er werde am heutigen Freitag eine Erklärung der verbündeten Regierungen über deren Stellungnahme zu dem vorliegenden Kompromißantrage abgeben. Er bitte aber, diese Erklärung als eine vertrauliche zu behandeln und daher nur an diejenigen Abgeordneten Einladungen zu der morgigen Sitzung ergehen zu lasten, die Mitglieder der Kommission seien. Abg. Bebel widerspricht diesem Wunsche und auch die Mehrheit der Kommission erklärt, ihm nicht Nachkommen zu können. Der Staatssekretär ent gegnet, er werde diesem Beschlusse entsprechend seine Erklärung abgeben. Spricht der Staatssekretär infolgedessen nicht allzu diplo matisch, dann sällt also im Laufe des heutigen Tage- bereits die Entscheidung über den Kompromißantrag, womit dann wiederum auf dem Wege zur Klärung ein tüchtiger Schritt vorwärts gc- than ist. — Die Budgetkommission des Reichstages beschloß gestern, einem Anträge des Abg. Richter (freis. Vp.) entsprechend, von den für China geforderten 24,900 000 Mk. nur 20 Millionen Mk. zu bewilligen. Eine Resolution Richter, den Reichskanzler zu er suchen, auf baldige Verminderung unserer Besatzungstruppen in China hinzuwirken, wurde von der Kommission abgclehnt, obgleich auch der Abg. Müller-Fulda (Ztr.) für sie eintrat. — Burensöhne treten im Jahre 1902 zum ersten Male in das deutsche Heer ein; es find wehrpflichtige Söhne der im deutsch-westafrikanischen Schutzgebiete angesiedelten Burenfamilien, die in die Schutztruppe eingestellt werden. Damit ist die Frage der militärischen Tüchtigkeit der Buren von besonderem Interesse für uns geworden. Ein Bewohner von KeetmanNShoop in Deutsch» Südwestasrika, Herr Gentz, der den ersten Teil deS südafrikanischen Kriege- auf Burenseite mitgemacht hat, giebt «in von der „Deutsch- Südwestafrikanischen Zeitung" und auch von dem „Militärischen Wochenblatt" veröffentlichte-, anscheinend zutreffendes Urteil über die militärische Brauchbarkeit der Buren ab. Nachdem er zunächst sich über ihre aus dem Mangel an militärischer Erziehung her rührenden schwachen Seiten, namentlich die schlechte Manneszucht ziemlich scharf ausgesprochen hat, läßt er auch ihren guten Eigen schaften Gerechtigkeit widerfahren und meint: „Die Artillerie der Burenrepubliken hat den Beweis erbracht, daß der südafrikanische Bauer im Rahmen einer guten militärischen Organisation aus gezeichnete soldatische Eigenschaften entwickeln kann. Diese zu wecken und aus den Buren-Jungen einen deutschen Soldaten zu machen, wird dahcr den militärischen Lehrmeistern unserer südwest» afrikanisch«» Schutztruppe nicht schwer werden. Bringt doch außer- dem der junge Bur — nicht weniger natürlich der in der Kolonie ausgewachsene Deutsche — einen Teil dessen, waS wir in Deutsch land mit vieler Mühe dem jungen Soldaten anzuerziehen streben, bereits mit: Fertigkeit im Schießen, Orientierungsvermögen im schwierigsten Gelände, Gewandtheit auf dem Pferde und in der Ausnutzung deS Geländes, «inen elastischen, an Strapazen vieler Ari gewöhnten Körper, wie ihn daS tägliche Leben in der Steppe bedingt." vefterreich«U«gar», — Das Schimpslexiko» des österreichische» Parlamevts. Die Sonnabendnummern der Wiener TageSblätter bieten diesmal einen eigenartigen Anblick. Vier, fünf und sechs Seiten, je nach Format und Umfang der jeweiligen Zeitung, find in Dialogform obgefaßt, «in Dialog, der lebhaft an die rasch folgende Wechsel rede französischer Posten gemahnt. Ein zweiter Blick in die Spalten zeigt, daß fast in jeder Zeile ein Schimpfwort stärkster Art ent halten ist, also ein Bombardement von Injurien, ein Hagelwetter gröblichster Ehrenbrleidigung, ein Metroritenfall von Anzüglich keiten, nein, von Unfläthereien. DaS Ganze aber ist ein Bericht über die Freitagfitzung — deS österreichischen Abgeordnetenhauses. Vielleicht wäre e- angebracht, sich in Sentenzen über daS Unmo ralische eines solchen Verhalten- einer parlamentarischen Körper schaft zu ergehen. Doch wozu, jenseits der schwarz-gelben Pfähle fiel ja vor Jahren in einer für dortige Verhältnisse bezeichnenden Gerichtsverhandlung daS freche Wort: „Die Moral steht nicht auf der Tagesordnung!" Diese-Wort hat sich da- österreichische Par lament zum Leitmotiv genommen, und die Freitagfitzung zeigt, wie weit man damit kommt. Zur Vorgeschichte dieser Sitzung sei bemerkt, daß der derzeitige Bürgermeister von Wien, der bekannte Lueger, in einer Interpellation eine Reihe bekannter Männer liberaler Richtung in unqualifizierbarer Weise deS Betrug- und anderer Verbrechen beschuldigte, ohne seine Anklagen nur im ge ringsten beweisen zu können. Zur Illustration deS Tone-, der in der erwähnten Sitzung herrschte, seien folgende Szenen auf da- Geradewohl hcrauSgenommen: Lueger: Da ist der Iona- Weil, der große Mann! Steiner: Eine Zierde der Wiener Kaufmann schaft. Pfui Teufel über den Eaujuden! Pernerstorfer: Endlich ist da- erlösend« Wort gesunden! (Lebhaft« Heiterkeit.) Eldersch: Geßmann sieht ja selbst wie ein Jud au»! Teßmann (wütend): Diesen bloßen Anwürfen muß man doch endlich entgegentreten. Sic brauchen nur in der Schottenfeld« Pfarr« nachzusrhen,
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