Frankenberger Tageblatt, Bezirks-Anzeiger : 11.01.1906
- Erscheinungsdatum
- 1906-01-11
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
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- Public Domain Mark 1.0
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- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1786999250-190601112
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- oai:de:slub-dresden:db:id-1786999250-19060111
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungFrankenberger Tageblatt, Bezirks-Anzeiger
- Jahr1906
- Monat1906-01
- Tag1906-01-11
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8 Douverst««, den 11. Ammar 1SW Frankenberger Tageblatt v°gr^»4L > DM« süt die MM Zm!shliupl>nm»sch°st IfG-, d«; MiMe DiSMilß! md de» Mk«t zu Irmkeuverg i. Ku. Verantwortlicher Redakteur: Ernst Roßberg in Frankenberg i. Sa. - Druck und Verlag von C. G. Rotzberg in Frankenberg i. Sa. Wochentag abends für den folgenden Tag. Bezugs- Preis vierteljährlich 1 50 H, monatlich 50 H. Trägerloh» extra. — «.E^*l"ummern lausenden Monats 5 früherer Monate 10 .werden in unserer Gefchäftsstelle, von den Boten und Ausgabe stellen, sowie von allen Postanstalten Deutschlands und Oesterreichs angenommen. Nach dem Auslande Versand wöchentlich unter Kreuzband. Ankündigungen sind rechtzeitig aufzugeben, und zwar arötzere Inserate bis 9 Uhr vormittags, kleinere bis spätestens 11 Uhr mittags des jeweiligenAusgabetages. »ür Aufnahme von Anzeigen an bestimmter Stelle kann eine Garantie nicht übernommen werden. 51 Telegramme: Tageblatt Frankenbergsachsen. Anzeigenpreis: Die b-gesp. Petitzeile oder deren Raum 15 H, bei Lokal- Anzeigen 12 im amtlichen Teil pro Zeile 40 „Eingesandt" im Redaktionstcile 30 Für schwierigen und tabellarischen Satz Aufschlag, für Wiederholungsäbdruck Ermäßigung nach feststehendem Taris. Für Nachweis und Ojferten-Annahme werden 25 H Extragebühr berechnet. Jnserateu-Annahme auch durch alle deutschen Annoncen-Expeditionen. Abonnements auf -ns Tageblatt auf den Monat Januar nehmen unsere Tageblattausträger und unsere bekannten Ausgabestellen in Stadt und Land, sowie alle Postaastalte« noch entgegen. Nach Orten außerhalb des deutschen Reiches und Oesterreich«, soweit solche im Gebiete des Weltpostverein« liegen, geschieht der Versand unseres Tageblattes mit wöchentlichen Kreuzbandsen« düngen von un» unter Portoansatz von 2 M. — Pf. per Vierteljahr. Alle, welche noch Kvrnsinilssnlsgen oder Svkulgalel anf da» Jahr 1SV5 in Rückstand gelassen Haden, werden de- Rechnungsadschlnsses wegen hierdurch zur Zahlung mit dem Bemerke» ansgrfordert, daß sofort nach dem 2«. Januar diese» Jahre» gegen alle Restante« da» Zwangs vollstreckung-Verfahren eingeleitet werden wird. Frankenberg, den 8. Januar 1906. Der Stadtrat. Das Mar-kka-Weitzbuch. Man wird nicht behaupten können, daß das von der Reich«» «gierung herauSgegebene Weißbuch über die Marokkofrage Ruf» sehen «regt hätte. Er fand nur allgemeine Beachtung und unter» «egt nunmehr der allgemeinen Kritik in der Prefse de« In» und Aurlande«. Wie scharf die „Tgl. Rdsch." dabei mit der franzö sischen Regierung in« Gericht ging, erwähnten wir bereits gestern, »ei all« Würdigung der Klarheit in der Abfassung, die keinen Zweifel üb« Deutschland« Ziele läßt, darf die Bedeutung de» Schriftwerke« doch weder über» noch unterschätzt werden. Man wird e« jedenfalls dieser Auswahl von diplomatischen Urkunden lassen müssen, daß sie in einer absolut nicht zu beanstandenden ' Weise den deutschen Standpunkt gerechtfertigt und dadurch der französischen Diplomatie «ine schwere Niederlage beigebracht hat. Da« ab« ist für un« Deutsche ein Punkt, den wir nicht über» sehen dürfen, denn er liefert un« den für da« sittliche Empfinden unsere» Volke« nötigen Nachweis der absoluten Gerechtigkeit un« fen« Einsprüche« — und die Gerechtigkeit ist, auch im inter» nationalen Verkehr der Völker untereinander, ein nicht zu unter» schätzender Bundesgenosse. Und diese« Moment möchten wir al» die Hauptsache betrachten, trotzdem das Weißbuch auch zwei Er», lasse de» Reichrkanzler» nach Pari« vom 12. und 16. Juli ent» hält, in denen er sich üb« die Aufgaben der Konferenz ausspricht. Er betont darin, „dir auf dem Gebiete der Polizei notwendigen Reformen seien international sestzustellen und zeitlich zu beschrän ken, die Finanzresormen müßten gleichfalls international behandelt werden, die wirtschaftliche Erschließung Marokko« habe unter voller Beachtung de« Grundsatzes der offenen Tür zu erfolgen". Die betreffenden Erlasse bieten einen Einblick darein, wie man deutscherseits Über die Behandlung der Frage in AlgeeiraS denkt und wohin man zu steuern beabsichtigt. Ob eS un« ge lingen wird, auf diesem Wege der Gleichberechtigung aller Inter essen in Marokko zu wesentlichen Ergebnissen zu gelangen, Muß die Zeit lehren. Wir dürfen wohl erwarten, daß uns«« Diplo matie auch' für den and«r«n Fall noch Pfeil« im Köcher haben wird, und «S ist selbstverständlich, daß sie sie für die Entscheidung aufspart und nicht vorher verschießt. Dir beiden Erlasse de« Reühikanzler« bedeuten zurzeit wohl da« äußerst«, wa« über die deutschen Absichten gesagt werden kann. Auch dieses Weißbuch zeigt, wie groß d« Abstand ist, der die deutsche Auffassung in del marokkanischen Frage von der fran zösischen trennt. ES empfiehlt sich jetzt, diesen Abstand zu be- tonen angesichts de« allgemeinen Bestreben« in der Oeffentlichkeit, den Ernst der Lage zu vertuschen. Die Haltung der deutschen Regierung deutet nicht darauf, daß sie eine Sache, für die sie derart eingetreten ist, wie für die marokkanische Angelegenheit, leichten Kaufe» fahren lassen wird. Man darf hoffen, daß sie im Gegenteil mit der äußersten Zähigkeit ihren Standpunkt wah ren wird. Wir dürfen keinen Augenblick vergessen, daß die Dinge auch heute noch nicht viel ander« liegen, al« zur Zeit de« 16. Juni, ihrer kritischsten Wendung. Denn Rouvier ist nach seinem Gelbbuch und nach allem, wie er sich sonst gibt, nur ein Delcassü in neuer Auflage. Daß er jedoch viel „verbessert" wäre, wird man füglich nicht behaupten können. * * * d. Pari«. Bei der Besprechung de« deutschen Weiß buche» in der Presse wird dir Wahrheitsliebe de« Sultan» von Marokko von den meisten Blättern bezweifelt. Auch wird e» merkwürdig gesunden, daß Bülow über den Kops DelcasiS« durch VertrauenSpersonen von Rouvier« versöhnlichen Gesinnungen unter» richtet gewesen ist. Der allgemeine Eindruck geht dahin, daß die Situation jetzt gebessert erscheint, weil gegenwärtig von italienischer und österreichischer Seite zwischen Berlin und Pari« vermittelt werde, um Frankreich die leitende Stellung in den zu errichtenden Polizei» und Zollstationen, sowie in der zu gründenden Bant zu sichern. Aber die Zusammensetzung der betreffenden Missionen bereite, so heißt e«, noch Schwierigkeiten. b. London. Die professionellen Jingo-Organe ausgenommen, wird das Weißbuch von der englischen Presse in gemäß,gier, zum Teil sogar freundlicher Weise besprochen. Da« große Unionisten« organ, der „Daily Telegraph", erklärt, die deutsche Regierung habe r« mit peinlicher Sorgfalt redigiert und sich Mühe gegeben, ihre Beziehungen zu Frankreich nicht zu verschlimmern. Fürst Bülow und der Minister de» Aeuheren verdienten hierfür den herzlichsten Dank Europas und würben ihn auch erhalten. DaS liberale Organ, die „Daily News", drückt sich noch freundlicher aus. Sie erklärt, da« Weißbuch stelle den deutschen Fall sehr billig dar, «S sei nicht richtig, daß bi« Deutschen keinen Grunv zur Beschwerde hätten. Vom Reichstag. 15. Sitzung am 9. Januar 1906. DaS Hau» ist schwach besetz». Auf ver TagtSordnung steht die erste Lesung der den Reich-fivaazresorm-Gesetzvttwmf be gleitenden Steuervorlagen. ReichSschatzsekretär v. Stellge! richtet an die verschiedenen Parteien im Hause die Bitte, e« möchte von ihnen vermieden werden, sich schon in diesem Stadium der Verhandlungen definitiv festzulegrn. Er hoffe noch immer, daß e« grlingen «erd«, zu einer Verständigung zwischen dem Hause und der Regierung zu gelangen. Speck (Ztr.) erklärt gegenüber den neuen Steuervorschlägen größte Vorficht für geboten. Einmal, weil man die Mehrein nahmen au« den neuen höheren Zöllen nicht zu übersehen ver möge, und sodann, weil einmal bewilligte neue Steuern vom Reichstage nicht mehr rückgängig gemacht «erden könnten. Be sonder« werde in der Kommission auch zu prüfen sein, ob wirklich mit einem Mehrbedarf von 250 Millionen gerechnet werden müsse, wie die« von den Regierungen angenommen «erde. Auf Vorrat dürften Einnahmen jedenfalls nicht bewilligt werden. Seine Freunde würden daher keine Mark mehr bewilligen, al« unbedingt nötig sei, und seine Partei würde in ver Kommission auf genaue statistische Aufstellungen über den voraussichtlichen Bedarf bestehen. Mit den zahlreichen neuen Steurroorschlägrn sei r« zweif«llo« ge lungen, möglichst viele Schultern henmzuziehen. Ob e« ab« ge lungen sei, die Belastung auch der schwachen Schultern zu ver meiden, da« erschein« mindesten« zweifelhaft. Namentlich soweit der Quittungsstrmpel und der Fahrkartenstempel in Betracht kämen. In ter gegenwärtigen Form sei jedenfalls die stärkere Hera«- ziehllllg de- Tabak« ««armrhmbar. Ebenso stehe der starken ErhShvng de« Tabakzolle- da« Bedenken entgegen, daß auch dadurch der Massrnkonsum getroffen werde. Wa« die Lierpeller- BotschlLge betreffe, so sei ja die geplante Staffelung «in -rsunder Gedanke. Aber die Staffelung sei kein genügende« Äquivalent für die außerordentlich starke Erhöhung der Biersteu». Von allen Steuern, um die et sich hier handelt, eignet sich keine so sehr, wie gerade die Erbschast-stener, um al« Einnahmequelle für da« Reich nutzbar gemacht zu werden. Al« unerläßlich bezeichnet Redner dann nochmal« die Besteller««- großer Erbaufälle an direkte Deszendenten. Diese Steuer zu unterlassen, sei g«radezu j Wasser auf di« Mühl« d«r Sozialdemokrat«». Roman von Ewald August König. <1. MaOMuck «rboim.) Doktor Graumann spielte mit seiner Dose, die er rastlos in den wrißen, wohlgepflegten Händen drehte, unter den buschigen Brauen hervor traf dann und wann ein lauernder Blick das ernste, ehrliche Gesicht des Advokaten. „Soviel ich Weitz, hat Dagobert von Darboren vor etwa zehn oder elf Jahren in einet Rauferei das Unglück gehabt, einen Manschen zu töten," sagte er, „er mußte deshalb flüchten, seinem Onkel kann also nicht der Vorwurf gemacht werden, daß es in seiner Absicht gelegen habe, den unbequemen Erben zu beseitigen." „Die Sache ist noch nicht aufgeklärt," sagte Steinfelder achsel zuckend, „meine Erkundigungen haben ergeben, daß damals kein Totschlag, sondern nur eine Verwundung vorlag, und ich ver mutete, daß meinem Neffen im ersten sinnverwirrenden Augenblick der Bestürzung nur die Wahl zwischen der Auswanderung und der Verhaftung gestellt wurde. Es mag sein, daß Sie keine Ab sicht entdecken können oder wollen, ich aber sehe sie und halte an meinen-Vermutungen fest, die nach meiner Anschauung keiner weiteren Erklärung bedürfen." „ „Und was haben diese Anschauungen und Vermutungen mit meinet Patientin zu schaffen?" fragte der Arzt unwirsch. „Mich kümmern diS'Fannlienverhältnisse meiner Patientin nicht — „In diesem Falle doch!" unterbrach der Advokat ,hn mit ent schlossener Festigkeit. „Ich zweifle an der Geistesstöruna meiner Schwester, ich werde der Staatsanwaltschaft meine Grunde für diese Zweifel berichten und strenge Untersuchung fordern ! Die Gründe sind so schwerwiegend, daß ihnen Folge gegeben werden muß, und von dem Gutachten der Aerzte erwarte ich die sofortige Erfüllung meiner Forderung." , , Der Doktor hatte sich von seinem Sitz erhoben, seine Brauen zogen sich drohend zusammen, mit großen Schritten durchmaß er einigemal das Zimmer, um seiner Erregung Herr zu werden. „Der Untersuchung, mit der Sie mir drohen, kann ich mit aller Ruhe entgegensehen," sagte er nach einer Pause, „eS wäre besser gewesen, Sie hätten diese Drohung und auch diese belei- digrnden Zweifel nicht ausgesprochen. Solche Beleidiaungen er bittern nur, und wollte ich nun mit derselben Gehässigkeit Ihnen entgegeMreren, so würde ich Ihnen viel Arbeit und Verger be reit««, ohne daß Sie Ihren Zweck erreichten. Die Frau Baronin ist noch nicht völlig geheilt, sie ist allerdings ruhiger geworden, aber große Aufregungen können einen Rückfall herbeiführen, und diese Aufregungen sind unvermeidlich, sobald sie sich wieder draußen befindet. Als Arzt muß ich mich dieser Entlassung widersetzen, als Mensch kann ich sie zugeben, wenn ich die Gewißheit habe, daß meine Patientin draußen Schutz und Hülfe findet." „Diese Gewißheit gebe ich Ihnen." „Ich weiß das," fuhr der Doktor, ihn unterbrechend fort, „ich komme Ihnen mit Vertrauen entgegen, obwohl Sie mich ohne Grund in beleidigender Weise angreisen. Wenn die Familienver- httltnisse so liegen, wie Sie diese geschildert haben, dann täten Sie besser, Ihre Schwester hier zu, lassen, sie ist hier keinen Ver folgungen ausgesetzt und in jeder Weise gut aufgehoben. Sie könnten unterdessen in ihrem Namen den Kampf allein ausfechten, ihr blieben dadurch Anstrengungen erspart." „Und meine unglückliche Schwester bliebe eine Gefangene?" erwiderte der Rechtsanwalt kopfschüttelnd. „Ich kann mir denken, wie sehr sie sich nach ihr sehnt, ich werde nicht ruhen —" „Nun, wie Sie wollen!" unterbrach der Arzt ihn abermals. „Als Bruder sind Sie der natürliche Vormund Ihrer Schwester, und ich für meine Person habe leine Lust, mich in Prozesse ein zulassen und mir ohne Not Aerger zu verschaffen. Andererseits aber warne ich Sie ernstlich vor öffentlichen Aeußerungen und Behauptungen, die meine Anstalt in Mißkredit bringen können, ich bin mir bewußt, daß ich nur meine Pflicht getan habe, und daß meine Patientin mir Dank schuldet für die aufopfernde Liebe, mit der ich mich ihrer annehme. Wie gesagt, ich kann die Baronin entlassen, weil ich weiß, daß sie unter Ihrem Schutze stehen wird, aber ich fühle mich auch verpflichtet, Sie auf die schwere Ver antwortung aufmerksam zu machen." „Diese Verantwortung macht mir keine Sorge," sagte ver Advokat? den kühlen, entschlossenen Ton noch immer beibehaltcnd. „Ich wünsche, daß die Entlassung heute noch erfolgt." „Weshalb so eilig?" „Weil ich heute noch meine Rückreise antreten muß, auf der meine Schwester mich begleiten soll." Der Arzt stand eine Weile im Nachdenken versunken, der Aus druck seines Gesicht» ließ nur zu deutlich erkennen, daß die Ruhe, die er zeigte, erzwungen war. „Ko..men Sie mit," sagte er endlich, und Steinfelder folgte ihm ohne Zögern. Cie durchschritten einige Korridore, dann blieb der Arzt vor einer Tür stehen. „Sie werden sich überzeugen, daß dieses Haus kein Gefängnis ist," sagte er spöttisch, indem er anllopste, „die Tür ist unver schlossen." Im nächsten Augenblick stand der Rechtsanwalt seiner Schwester gegenüber; sie hatte sich von ihrem Sitz erhoben, Miß trauen spiegelte sich in dem Blick, mit dem sie ihn betrachtete. ' „Kennst Du mich nicht mehr, Gundel?" fragte er, die Arme ausbreitend. Ein Freudenruf entfuhr ihren Lippen, sie eilte an seine Brust und hielt ihn fest umschlungen. „Endlich kommst Du!" sagte sie mit bebender Stimme. „Wie lange hast Du mich vergeblich warten lassen, teurer Bruder! Aber nun nimmst Du mich mit, nicht wahr? Fort aus diesem Gefängnis, hinaus in die Freiheit, damit ich nach meinem Kinde forschen und seine Rechte sichern kann!" „Ja, Du sollst mich begleiten, heute noch," erwiderte er, in dem er sich in der Zelle umschaute. Er mochte sich diese Zelle wohl anders vorgestellt haben, denn Erstaunen spiegelte sich in seinen Zügen, als er sah, wie freundlich und komfortabel sie ausgestattet war. „Fragen Sie die gnädige Frau, ob sie über irgend etwas Beschwerde zu führen habe," sagte der Arzt. „Sie kann sich nur darüber beklagen, daß ihr die Freiheit entzogen wurde, das aber war nicht abzuwenden, ihre Gcmütskrankheit machte es notwendig, und ohne die Pflege in diesem Gefängnis würde sie vielleicht jetzt nicht mehr unter den Lebenden sein." Ein zürnender Blick traf ibn aus den Augen der Baronin. „Vor einer Stunde haben Sic mir die erbetene Entlassung noch verweigert," erwiderte sie vorwurfsvoll. „Weil Sie niemand hatten, dessen Schutz^ch Sie übergeben konnte! Nun, da Ihr Herr Bruder diesen Schutz und auch die Verantwortung übernehmen will, bin ich, wenn auch mit schweren Bedenken, bereit, Ihren Wunsch zu erfüllen." „Sv kann meine Schwester augenblicklich dieses Haus Ver lassen ?" fragte der Rechtsanwalt. „Mein Wagen wartet vor der Tür, und viel Gepäck wird die Frau Baronin nicht haben —" „Nein," unterbrach sie ihn freudig erregt, „in einer Viertel stunde kann ich fertig sein. Ich beschwere mich nur über die Ent ziehung meiner Freiheit, zu einer anderen Beschwerde habe ich keine Ursache, im Gegenteil, ich erkenne dankbar an, daß der Herr Doktor alles aufgeboten hat, mir den Aufenthalt in seinem Hause angenehm zu machen." „Sie hören es I" sagte der Arzt, der bedächtig eine Prise ge nommen hatte, „ich hoffe, daß Sie cs nicht vergessen und fortan besser üher mich urteilen werden. Sie aber, gnädige Frau, warne ich vor großen Aufregungen, Ihre Nerven sind sehr empfindsam, ein Rückfall in daS alte Leiden liegt auch heute noch in der Mög lichkeit. Sie können gehen, wenn es Ihnen beliebt." (Fortsetzung folgt.)
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