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Wilsdruffer Tageblatt : 01.06.1921
- Erscheinungsdatum
- 1921-06-01
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1782027106-192106016
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1782027106-19210601
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1782027106-19210601
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Bestände des Heimatmuseums der Stadt Wilsdruff und des Archivs der Stadt Wilsdruff
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungWilsdruffer Tageblatt
- Jahr1921
- Monat1921-06
- Tag1921-06-01
- Monat1921-06
- Jahr1921
- Titel
- Wilsdruffer Tageblatt : 01.06.1921
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4^5. ^ie Eutmickeluug des Bezirks der Amtshauptmannschaft Meißen in der Zeit von: 1. Januar ISS« bis 31. März 1SS1 (erstattet für die Bezirksversammlung am 26. Mai 1921 von Amtshauptmann Dr. Sievert). Meine Herren! Entsprechend dem im Meißner Bezirk seit längerer Zeit bestehenden Brauche, daß derjenigen Bezirks- rersammlung, die sich mit der Aufstellung des Haushaltplans für das künftige Jahr befaßt, über das jeweils abgelaufene Jahr Bericht erstattet wird, möchte ich Ihnen auch geute einen Ueberblick über de Entwickelung geben, die der Bezirk im lebten Jahre genommen hat — richtiger in den letzten Vi Jahren, da ,a bekanntlich im vorigen Jahre die Verlegung des Be ginnes des Etatsjahres vom 1. Januar auf den 1. April er folgt ist. T ie 1. Hälfte des Jahres 1920 stand noch ganz im Zeichen der vom Kriege her andauernden Zwangswirtschaft. Nur wenige Gebiete waren schon vom Zwange befreit. Die wichtigsten Er zeugnisse, Brotgetreide, Milch und Fette, Zucker, Fleisch, Kar toffeln, Krblen unterlagen noch in vollem Umfange der öffent lichen Bewirtschaftung. Im neuen, am 16. August 1920 seinen Anfang nehmen,den Wirtschaftsjahr hat man dann auch auf einigen dieser Gebiete mit dem Abbau begonnen. Aber die in den Kriegsjahren von vielen gehegte Hoffnung, daß einst an einem Tage alle Schranken der öffentlichen Bow.rtiÄafrung fallen würden, und daß alle, die die vielen Jahre hindurch, s.-. es erzeugend, verbrauchend, helfend oder anorünend unter dem JvSe des Zwanges gestöhnt hatten, sich an einem Daye zu dem FrcuNMeufzer über seine Beseitigung vereinen .könnten ist nicht in Erfüllung gegangen. So wohl sollte es uns nickst werden. Bei' dem unglücklichen Kriegsausgang uno der un- aossbbaren Felgen des Würgfriedens von Be^nlle war die gleichzeitige Aufhebung der öffentlichen Bewirtschaftung aut allen G-NlltSN und die sofortige Wiederherstellung der freien Wirt schaft nicht möglich, sollten rächt Erschütterungen noch größeren Umfanges, als«» sie erlebt haben, über uns hereinbrechen.. So werden die Feiteln der Zwangswirtschaft nur ganz allmählich, Tchrikt für Schrill und Stück für Stück von uns genommen Und wenn hie und da die Beseitigung der gebundenen Wirt schaft erfolgt und damit eins unserer Arbeitsgebiete wryfällt, so spüren wir das kaum, weil wir inzwischen mit Hunoerren i on neuen Gesten überschüttet worden sind und noch überschüttet weiden, die allen Beteiligten unausgesetzt neue Aufgaben und Vlvblemc bringen. Infolgedessen hat das Maß der Arbeit, die in der Bcrichtszeir von der Amtshauptmannschaft <u leisten r ar, wohl alles bisher Dagewesene überstiegen. Sie werden das aus den Einzelheiten meines Berichts erkennen. Menn ick S> zunächst bitte, mir auf.die wirtschaft lichen Gebiete za folgen, die ja bei unserem großen vor- w egend landwirtschaftlichem Bezirke immer noch fm Bord ra g' inde d.s Interesses stehen, so habe ich Herm Getreide nom die brr Erstattuna des vorjährigen Geschäftsberichts nicht be kannt gewesenen, endgültigen Ablieferungsziffe.ru für das Wirtschaftsjahr 1919/20 mitzuteilen. Die von der Rcichsgetreidestelle dem Bezirk auferlegte Ablwir.ungs- schuldlgkcit betrug 400 400 Zentner Brotgetreide und 16 724 Zentner Gerste. Es wurden aber von den Landwirten abge- lwfert 443151 Zentner Brotgetreide und 18 802 Zentner Gerste. Das bedeutet gegenüber dem Ablieferungssoll ein Mehr von 10,8 Prozent beim Brotgetreide und von 19,4 Prozent bei der Geiste. Auch mit den Getreideablieferungen im Wlrt- NhaftsiNhre 19 20/21 kann der Meißner Bezirk z Frieden sein. Die Befürchtungen, daß ein Teil der im Herbst 1919 infolge des frühen Eintritts des Winters liegen gebliebenen Felder im nächsten Frühjahr nicht bestellt werden könnte, sind glücklicher weise nicht eingetroffen, Die günstige Witterung des Frühjahrs 1920 machte gut. was der Herbst 1919 uns schuldig geblieben war. Nur haben die Unwetter vom 19. April und 27. Mai 1920 sowie später vom 19. August 19 2 0, die in solcher Stärke seit 1908 nicht aufgetreten waren, in mehreren Teilen des Bezirks, abgesehen von der Zerstörungen an Häu sern und Wegen auch in der Landwirtschaft größere Schäden angerichtet Das letztere trifft auch für das große Elbhoch- wasscr im Januar 1920 zu, das am Meißner Pegel den seit dem Jahre 1890 nicht erreichten Stand von 5,94 Metern über Null anzeigte und auch im Bezirk große Flächen, den Boden samt den Saaten mit sich reißend, überflutete. Der Ertrag der vorjährigen Ernte in Brot getreide ist von der Reichsyetreidestelle auf 667 000 Zentner veranschlagt worden. Nach Wzug des Saatgutes, der Selbst- rersorgcrmengen und der Deputate beträgt die Ablieferungs pflicht der Landwirte an den Kommunalveiband 477 000 Zent ner. Trotz der besonders vor Weihnachten außerordentlich mangelhaften Versorgung mit elektrischem Strom zum Dreschen haben die Landwirte auch im laufenden Wirt schaftsjahre flott und gut abgeliefert. Bis zum 15. Mai sind 498 000 Zentner, also 104 Prozent des Solls, zur Ablieferung gelangt. Sein Ablieferungssoll an die Reichsgetreidestelle in Höhe von 234 542 Zentner Brotgetreide hat der Kommunal verband um 9 Prozent überschritten. Die Gersten ernte war im Jahre 1920 recht befrie digend. Der Ernteertrag ist von der Reichsgetreidestelle auf 67 230 Zentner berechnet worden. Die Ablieferungspflicht an Gerste wurde von ihr nach Abzug der den Landwirten für Saat gut, Selbstversorgung, Deputate und zur Verfütterung zustehen den Mengen auf 14 580 Zentner festgesetzt, ist aber durch dis tatsächlichen Ablieferungen um mehr als das Doppelte über schritten worden. Die ungünstigen Erfahrungen, die im Vorjahre mit der Freigabe des Hafers gemacht worden waren, insbesondere die sprunghafte Preisbewegung haben dahin geführt, daß der Hafer im laufenden Wirtschaftsjahre wieder der öffentlichen Bewirtschaftung unterworfen wurde. Nach den Bestimmungen der Reichsgetreideardnung war den Landwirten die Verfütterung von Hafer zunächst schlechthin freigegeben und nur die Abliefe rungspflicht für die nicht zur Verfütterung benötigten Hafer- mengen vorgesehen. Da aber bei der unbegrenzten Freigabe zur Verfütterung die Ablieferungen von Hafer im Reichs weit hinter den Erwartungen zurückblieben, wurde plötzlich im De zember 1920 die Bewirtschaftung des Hafers verschärft, indem den Landwirten ein Mindestablieferungssoll auferlegt und die Verfütterung nur insoweit gestattet wurde, als der Hafer nicht zur Erfüllung der Mindestablieferungsschuldigkeit erforderlich war, was viele landwirtschaftliche Betriebe in Schwierigkeiten versetzte. Dem Kommunalverband Meißen wurde ursprünglich ein Hafsrablieferungssoll von 71918 Zentner auferlegt, das aber dann auf Vorstellungen des Kommunalverbandes hin auk 65 009 Zentner ermäßigt worden ist. Der Meißner Bezirk hat seine Haferauflage nicht nur erfüllt, sondern bereits jetzt um 9 Prozent überschritten, es wurden bisher rund 71000 Zentner abgeliefert. Diese gute Getreideablieferung der Meißner Landwirte hat auch die Anerkennung der Reichsgetreidestelle gesunden.. Wie ich voir leitenden Beamten der Reichsgetreidestelle und sämt lichen Revisoren, die in unseren Bezirk entsandt worden sind, Wiederholt habe hören dürfen, ist der Meißner Bezirk, was die Getreideablieferungen anlangt, stets als mustergültig hingestellt worden. Mögen auch einige schlechte Ablieferer vorhanden sein, so kann doch die Meißner Landwirtschaft das Bewußtsein mit in dis Zukunft hinübernehmen, in all den Jahren der öffent lichen Bewirtschaftung des Getreides ihr möglichstes getan und zur Aufrechterhaltung der Ernährung an ihrem Teile wirksam mit beigetragen zu haben, und ich brauche nicht erst an die Meißner Landwirte zu appellieren, daß sie auch bei der für das neue Wirtschaftsjahr geplanten Form der Eetreidebewirtschaf- tung, die sich bekanntlich im Wege des Umlageverfahrens voll ziehen soll, die ihnen obliegenden Verpflichtungen erfüllen. Im laufenden Jahre hat die gute Ablieferung übrigens einen besonderen Lohn gesunden. Zunächst hat die Reichs getreidestelle im Hinblick auf sie in diesem Frühjahre davon abgesehen, in den Meißner Bezirk ein Nachschaukommando ab zuordnen, wie sie das in fast alle anderen Bezirke getan hat. Dann haben vor kurzem auf Antrag der Amtshauptmannschaft mit Genehmigung des Wirtschaftsminisieriums und nach Ge hör des Landesgetreidebeirates die seit Jahren nur teilweise vorübergehend geöffneten Schrotmühlen aller Landwirte, dis ihre Ablieferungspflicht erfüllt haben, für den ganzen Rest des Wirtschaftsjahres geöffnet werden dürfen, und schließlich sind die-guten Ablieferer mit Ueberweisung von verbilligt ! em Mais bedacht worden. Von dem von der Reichsgetreide- stelle zur Verfügung gestellten Mais fließen den Meißner Land wirten nicht weniger als 251000 Zentner zu, die wohl zum großen Teil der durch den Krieg zurückgedrängten Schweine zucht zugute kommen werden. Es verdient noch hervorgehoben zu werden, daß die in dem landwirtschaftlichen Vezirksverband zusammengeschlossenen Meißner Landwirte (3700 an der Zahl) aus freien Stücken beschlossen haben, 2 Prozent der auf sie entfallenden Maiszuweisungen, d. i. etwa 4400 Zentner, zum Zwecke der Abgabe an Verbraucher, die Schweine und Geflügel alten, und an kleine Landwirte, deren Anbaufläche so gering ist, daß sie Getreide nicht abliefern konnten, zur Verfügung zu stellen. Mit der Verteilung dieser Mengen ist bereits be gonnen worden. In der Brotversorgung der sächsischen Kommunal oerbände ergaben sich im Juli und August 1920 bei dem Ueoergang vom alten in das neue Wirtschaftsjahr infolge der großen Knappheit des Brotgetreides nicht unerhebliche Schwie rigkeiten. Auch im Meißner Bezirk wurde der Mangel an Mehl eine Zeitlang fühlbar, weil er von seinem ihm zu stehenden Bedarfsantei! beträchtliche Mengen an die not leidenden Bezirke, vor allem an die Stadt Dresden, ab liefern mußte. Auf Anordnung des sächs. Wirtschaftsministeriums wurde eine 20prozentige Vrotstreckung eingeführt, die im Oktober v. I. auf 15°/» herabgemindert wurde und auch jetzt noch stattfindet. Die durch die Brotstreckung ersparten Brot getreidemengen müssen an die Reichsgetreidestelle und an die Landesgetreidsstelle zur Bildung von Reichs- und Landes ¬ reserven abgeliefert werden. Am 15. Mai belief sich die nach Dresden aus dem Meißner Bezirk abzuliefernde Landesgetreide rücklage auf 13 248 Ztr. Den Selbstversorgern ist seit Beginn des laufenden Wirtschaftsjahres auch im Meißner Be zirk erlaubt worden, ihr Selbstversorgergetreide auf Mahl karten vermahlen und verbacken zu lassen, sie sind also nicht mehr — wie in den vorhergehenden Jahren — gezwungen, ihr Brot auf Selbstversorgermarken zu entnehmen. Etwa 20 000 Selbstversorger haben von dieser Befugnis Gebrauch gemacht, während etwa 10 000 Selbstversorger sich auch weiterhin ihr Brot auk Selbstversorgermarken zuteilen lassen. Der Brot preis hat in der Berichtszeit infolge der Erhöhung der Ge treidepreise und der Herstellungskosten (Mähl- und Backlohn) sowie infolge der an die Reichsgetreidestelle abzusührenden Hohen Gebühren leider mehrfach eine weitere Steigerung er fahren. Er betrug für das Kilogr. bis 9. Februar 1920 1 Mk., von da ab 1,05 Mk., vom 5. April 1920 ab 1,16 Mk., vom 3. Mai 1920 ab 2,05 Mk., vom 15. Oktober 1920 bis jetzt 2,20 Mk. Dabei ist der Brotpreis im Meißner Bezirk noch immer fast am niedrigsten in ganz Sachsen. Das Sorgenkind der Amtshauptmannschaft war auf wiri- schaftlichem Gebiete auch im laufenden Jahre Milch und Butter. Trotz aller Mühe und Arbeit konnte die Milch- und Buttererfassung nicht gebessert werden. Weder die Frei gabe des Schmalz- und Märgarinehandels noch die wesentlichen Erhöhungen der Milch- und Butterpreise führten zu einer nach haltigen Besserung der Milch- und Butterablieferungen. Der Preis für das Liter Milch beim Kuhhalter betrug am 1. Januar 1920 noch 56 Pfg., stieg dann im März 1920 auf 1 Mk. und beträgt seit dem 9. März 1921 1,45 Mk. Der Buttererzeugerpreis stieg während dieser Zeit von 5,40 Mk. auf 15 Mk. Schuld an der schlechten Milch- und Butter ab tieferung ist einmal die Maul- und Klauenseuche, die den Meißner Bezirk im laufenden Wirtschaftsjahre schwer heimgesucht und von 260 Gemeinden 253 mit zusammen 1353 Gehöften, sowie fast alle Gutsbezirke, insgesamt etwa die Hälfte des Viehbestandes des Bezirks betroffen hat, zum großen Teil aber auch der leidige Schleichhandel, der bei der Butter- bewirtschaftung überall besonders stark auftritt und sich selbst durch die vielen Revisoren und dis zahlreichen Mitglieder der Aeberwachungsausschüsse beim Landespreisamt nicht mit Er folg hat bekämpfen lassen. In kurzer Zeit erfolgt ja nun die Aufhebung der Milch- und Butterbewirtschaftung, ich glaube sagen zu dürfen, Gott sei Dank. Denn sie war schlechterdings nicht mehr durchführbar. Fast alle Kreise stimmen auch in der Zuversicht überein, daß die Aufhebung der Milch- und Butter- bewirtschaftung eher zu einer Besserung in der Versorgung der Bevölkerung als zu einer Verschlechterung führen wird. Hof fentlich wird sich auch die zu erwartende Preiserhöhung in er träglichen Grenzen halten. Entsprochen wurde, wie in früheren Jahren, von den Meißner Landwirten auch im Jahre 1920 den Anforderungen in der Aufbringung des Schlachtviehes. Der Be zirk ist seinen Lieferungspflichten auch in diesem Jahre voll nachgekommen. Mit den mir vorliegenden Zahlen der auf gebrachten Schlachttiere, der verteilten Flerschmengen, sowie der Haus- und gewerblichen Schlachtungen will ich Sie nicht lang weilen, nachdem die öffentliche Vieh-und Fleischbewirt schaftung mit dem 1. Oktober 1920 aufgehoben worden ist. Nur zweierlei möchte ich noch Hervorheben: erstens, daß im Bezirk in all den Jahren der Zwangswirtschaft dank des guten Einvernehmens zwischen Landwirtschaft und Kommunal- verband, sowie der verständnisvollen Mitarbeit der Ver trauensmänner nicht eine einzige Viehadgabe im Wege der Enteignung hat erzwungen werden müssen, und zweitens, daß die Aufhebung der Viehbewirtschastung nicht zu dem von mancher Seite befürchteten Mängel an Schlachtvieh geführt hat. Die Viehbestände haben sich im letzten Jahre sogar weiter gehoben, die Zahl der Rinder von 41074 auf 41200, der Schweine von 32 954 auf 40 314, der Schafe von 8424 auf 10 386, der Ziegen von 13 735 auf 15 560, der Pferde von 9360 aus 9636. des Federviehs von 116 681 auf 149 689. Diese Steigerung ist umso bemerkenswerter, als im letzten Jahre auch Zuchtvieh in größerer Zahl zur Durchfüh rung des Friedensvertrags an die Entente ab gegeben werden mutzte. Es war dies für die Amtshauptmann schaft eine außerordentlich schwierige Aufgabe, die die Gemüter auch im hiesigen Bezirk in lebhafte Erregung brachte. Glück licherweise wurde von den feindlichen Kommissionen in Leipzig nur ein Teil der angeforderten Tiere abgenommen, aus dem Bezirk insgesamt 12 Pferde, 458 Rinder, 329 Schafe, 70 Zie gen, 66 Hühner. Möchten wir in Zukunft von behördlichen Abforderungen zur Erfüllung des Friedensvertrages verschont bleiben! Die Kartoffeln unterlagen noch bis zum Herbst 1920 der Zwangswirtschaft. Die im vorjährigen Bericht für die-Zeit bis Ende Dezember 1919 angegebene Ablieferungsmenge von 422 265 Ztr. erhöhte sich im Frühjahr 1920 noch um über 100 000 Ztr. bis auf rund 530 000 Ztr., gegenüber nur 434 000 und 395 000 Ztr. in den beiden Vorjahren. Zu diesem gün- Mag auch die Liebe weinen... 9^ Roman von Fr. Lehne. Lopzrisbt 1913 dv Greiner üc Lomp., Berlin W 30. Er sollte Lella Flotmann heiraten! Dieser Wunsch seiner Mutter war ihm sehr überraschend — und unbequem, weil er die Zähigkeit kannte, mit der sie einen einmal gefaßten Plan ver folgte und an ihm sesthielt! Seinetwegen konnte er es deshalb als ein Glück betrachten, daß Lella ihre Neigung dem älteren Bruder zugewandt — wenngleich es ihn empörte, daß Ottokar mit ihr schon einig war, trotzdem der sich noch gar nicht mit Maria Wirlberger auseinandergesetzt hatte; das gab diesem Trennungsversuch einen fatalen Beigeschmack! Inzwischen hatte es wieder angefangen, zu regnen, so daß Rüdiger sich bald zum Heimritt gezwungen sah — aus Rücksicht auf seinen Gaul; „Radames" wurde im Regen leicht nervös und bockte dann. Als er noch einige hundert Schritt vom Schlosse entsernt war, das in seiner weißen, vornehmen Pracht über eine niedrige Mauer aus dem dichten Grün des Parkes zu ihm herübergrüßte, sahen seine scharfen Augen an dem kunstvoll geschmiedeten Tor eine hohe Frauengestalt stehen, neben ihr einen ziemlich großen, schlanken Buben, der sich bemühte, die Tür neben dem Tor zu öffnen. Eine Ahnung überfiel ihn, wer das sein könnte — beklem mend stieg es in ihm empor; er versetzte dem Gaul einen leichten Schlag und war in wenigen Sekunden neben den Einlaßsuchenden. tsnd seine Ahnung hatte ihn nicht getäuscht; es war Maria Wirl berger, die gerade eben mit ihrem Sohne den breiten, langen Kiesweg betreten hatte, der in schnurgerader Linie zum Schlöffe führte und zu beiden Seiten mit prächtigen alten Linden be standen war. Sie hatte ihn gesehen; sicher auch erkannt. Trotzdem setzte sie, ohne ihn zu beachten, ihren Weg fort. Seine Augenbrauen zogen sich zusammen; er fühlte das Un ausgesprochene, das in diesem Benehmen lag. „Gnädige Frau!" rief er mit scharfer, verhaltener Stimme, und dann, als sie auf seinen Ruf nicht hörte, noch einmal und so kurz und befehlend, daß sie doch, wen» auch zögernd, stehen blieb und ihn fragend ansah. „Bitte, hören Sie mich »inen Augenblick an —" —— — > - „Ich weiß nicht, was wir uns zu sagen haben! Halten Sie mich nicht auf, ich will zu meinem Manne — dies ist doch der Weg „Gnädige Frau, weshalb wollen Sie sich meinen Worten verschließen?" sagte er hastig, „ich meine es. gut mit Ihnen und möchte Ihnen — Unangenehmes fern halten — hören Sie mich wenigstens erst an! Sie werden es bereuen, daß Sie mir nicht gefolgt sind —" Nachdenklich ruhten die großen, ernsten Augen des Knaben auf ihm — „Mama, willst Du nicht —" eine kurze, befehlende Handbewegung der Mutter ließ ihn aber verstummen. Und unbeirrt ging sie weiter, mit festen, sicheren Schritten, und Rüdiger mußte unwillkürlich den stolzen Gang, die vor nehme Haltung Maria Wirlbergers bewundern, die ihren ein fachen Lodenmantel wie einen Königsmantel trug. Eilig sprengte Rüdiger jetzt um die Parkmauer herum, nach dem Wirtschaftshos, wars dem herbeieilenden Reitknecht die Zügel zu und sprang aus dem Sattel. Mit großen, hastigen Schritten durchquerte er den Hos und traf gerade im Vestibül mit Maria Wirlberger zusammen, als sie einem sie erstaunt und gering schätzig musternden Diener die Weisung gab, sie dem Herrn Grafen Allwörden zu melden „dem Grafen Ottokar All wörden," sagte sie mit erhobener Stimme, auf die Frage des Gallonierten, welchen der Herren Grafen und wen — — „wen — das ist ja vorläusig gleichgültig —" mit einem süfsisanten Lächeln auf dem glattrasierten Gesicht entfernte sich der Diener — er konnte sich ja ungefähr zusammenreimen, wer die Frau war und was für ein Skandal nun folgen würde; er war nicht so ganz uneingeweiht! Tief aufatmend stand Frau Maria da, die Hand des Knaben fest in der ihren haltend. Sie heftete die großen leuch tenden Augen fest auf Rüdigers Gesicht. „Nun bin ich doch da, Graf Allwörden!" sagte sie trium phierend, „nun bin ich da — und bleibe auch da." Er erwiderte nichts darauf; er wartete gleich ihr auf den Bescheid des Dieners, der jetzt zurückkam und mit seinem undurF- dringlichen Gesicht erklärte — „der Herr Graf bedauere, aber er sei momentan beschäftigt." Rüdiger biß sich auf die Lippen. Maria wurde feuerrot; sie öffnete den Mund zu einer heftigen Erwiderung. Doch da faßte er nach ihrer Hand, nahm ihr den triefenden Regenschirm ab, den er dem Diener übergab, und machte dann selbst die Tür zu dem Empfangssalon auf. „Es ist ein Irrtum, gnädige Frau, treten sie einstweilen ein. ! Ich werde meinen Bruder selbst benachrichtigen, der ja keine Ahnung hat, daß Sie es sind, die ihn sprechen wollen " Ottokar stand vor der Stasselei und pinselte mit nervöser , Hast an Lellas Bildnis. Sein Gesicht war stark gerötet, und ! zwischen seinen Augenbrauen war eine tiefe Falte. Die Hände ! zitterten so, daß sie kaum Pinsel und Palette zu halten ver- ! mochten. Die Meldung des Dieners, daß ihn eine Dame sprechen wölkte, hatte ihn so erregt, — denn das konnte doch nur Maria sein! Lella lag halb auf dem Diwan, in dem gleichen Gewand, in j der gleichen Stellung wie gestern. Sie beherrschte die Situation. „Hat denn die Dame ihren Namen und den Zweck ihres ; Besuches nicht genannt, Jaques?" fragte sie nachlässig. „Sie - wissen, daß wir anders niemand annehmen " „Nein, Komtesse," erwiderte Jaques ehrerbietig, „trotz < meiner Frage," und fügte dann in vorsichtigem Tone hinzu, „die ! Dame machte den Eindruck einer Bittstellerin; ein Knabe war in : ihrer Begleitung." Heftig fuhr da Ottokar herum; auf seinem Gesicht brannten ! dunkle Flecke. Doch Lella schnitt ihm das Wort ab. „Sie sehen, der Herr Graf ist beschäftigt. Sagen Sie, er : bedaure heute." , ! Mit einer tiefen Verbeugung und einem versteckten Lächeln entfernte sich der Diener. Er wußte Bescheid — das sah ja ein Blinder, wie Komtesse Lella in den Grafen verliebt war! „Lella, das durftest Du nicht," sagte Ottokar, „sie läßt sich doch nicht abweisen!" „Dann weiß sie wenigstens, woran sie ist und schraubt ihre Ansprüche nicht allzu hoch, wenn sie sieht, daß Du ernst machst." Sie sprang auf und reckte ihre schlanken Glieder mit katzen- haster Geschmeidigkeit. Sie trat dicht an ihn heran, legte die Hände aus seine Schultern und fragte mit einem tiefen Blick ihrer rätselhaften Augen die seinen suchend, „liebst Du mich, Ott?" In unterdrückter Leidenschaft rief er: „Du weißt's, Lella! Frage doch nicht!" Verzweifelt starrte er vor sich hin. Da drückte sie ihre Lippen auf seinen Mund in einem langen, heißen Kusse. Er preßte sie an sich, legte sein Gesicht auf ihr Haar, wie Schutz suchend klammerte er sich an sie — und sie — sie war nun beruhigt, — mit ihren süßesten Schmeichelworten umgarnte sie ihn — keine sollte ihn ihr nehmen, den sie mit allen Sinnen liebte.
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