Anhang VI Dresden, den 22. März 1721 Beschwerden* über die in hiesigen Landen sich befindenden römisch-katholischen Geistlichen. 1. unterstehen sie sich, Eheaufgebote vorzunehmen. Zu 1) Dieses kann deshalb nicht zugestanden werden, weil es zu den Pfarr-Rech ten gehört, die bekanntermaßen die kath. Geistlichen hier nicht haben. Auch wird der durch das Aufgebot beabsichtigte Zweck verfehlt; die aufgebotenen Brautleute müssen ja nicht nur bei der Gemeinde bekannt sein, sondern die Ver kündigung muß auch denen bekannt werden, die gegen die beabsichtigte Ver ehelichung etwas Triftiges einzuwenden haben. Folglich wird den kath. Geist lichen ernstlich anzudeuten sein, sich fürderhin der Aufgebote zu enthalten und die, welche sich bei ihnen zum Aufgebot und zur Trauung melden, an den hie sigen Superintendenten zu verweisen. Der wird dann untersuchen, ob die Trau ung zulässig sei oder nicht und, wenn sich ein Hindernis zeigt, höheren Orts Be richt erstatten. 2. segnen sie Ehen ein, ohne vorher Erkundigungen einzuziehen, ob nicht Hin dernisse der Verwandtschaft, Schwägerschaft, des mangelnden Einverständnisses der Eltern**, eines schon gegebenen Eheversprechens oder andere entgegenste hen, woraus sich die Nichtigkeit der Ehe ergeben würde. Zu 2) Weil das geistliche (kirchliche) Recht genaue Voruntersuchungen verlangt und sie durch solche Anmaßungen dem „obersten Rechte des Königs über die Religionssachen“*** zu nahe treten, kann auch dies fortan nicht gestattet werden. 3. taufen sie hier und zu Leipzig sowohl Kinder aus rein katholischen wie auch gemischten Ehen. Zu 3) Es kann nicht ohne weiteres zugestanden werden, daß die kath. Geistlichen unterschiedslos Kinder auch beiderseits kath. Ellern taufen. Und da sie sich da durch ein Gewohnheitsrecht auf eine eigene Pfarrei erwerben wollen, wird man auch hier achthaben müssen. 4. sollen sie die Leichen ihrer Religionsangehörigen in der Stille begraben. Des- * Das Deutsch ist etwas modernisiert, die lateinischen Ausdrücke sind übersetzt und die langen Sätze zerlegt. ** Mangelndes Einverständnis der Eltern war damals in Sachsen ein trennendes Ehe hindernis. *** Der König war zugleich oberstes Haupt der protestantischen Landeskirche, was die kath. Kirche über sich natürlich nicht anerkennen konnte.