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Wilsdruffer Tageblatt : 16.08.1935
- Erscheinungsdatum
- 1935-08-16
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1782027106-193508168
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1782027106-19350816
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1782027106-19350816
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Bestände des Heimatmuseums der Stadt Wilsdruff und des Archivs der Stadt Wilsdruff
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungWilsdruffer Tageblatt
- Jahr1935
- Monat1935-08
- Tag1935-08-16
- Monat1935-08
- Jahr1935
- Titel
- Wilsdruffer Tageblatt : 16.08.1935
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Wenn man einen Norddeutschen fragen wollte: „Was weißt du vom Bodensee?", so möchte dieser, der vielleicht einmal ein guter Eeographieschuler war, antworten: „Ja, natürlich, der Bodensee! Man nennt ihn auch das Schwäbische Meer, weil er sich wie ein Meer zwischen die Alpen und Oberschwaben mit einer Fläche von rund 539 qkm einschiebt, dabei ist er an der tiefsten Stelle 252 m tief . . . hm . . .; dann wird er vom Rhein durchflossen — ja — und das Klima soll am Bodensee wegen der großen ausgleichenden Wassermasfe überaus mild und gleichmäßig sein. — Was sonst noch? . .Hm . . Nicht viel, was er weiß. Ein in der Geschichte Beschlagener weiß vielleicht schon etwas mehr: „Natürlich, der Bodensee, ist mir wohl bekannt. Ueberall alte Siedlungen, von Kelten und Römern, ja sogar Pfahlbauten aus vorgeschichtlicher Zeit gibt's da unten, die alten, deutschen Kaiser besuchten Konstanz ver schiedentlich, als erster Karl der Große, dann Karl der Dicke und die Ottonen, wichtig ferner, daß Friedrich Barbarossa hier den Frieden mit den lombardischen Städten schloß. Uebrigens steht auch im Bodenseegebiet die Stammburg der Welfen und Hohenstaufen. Der bedeutendste geschichtliche Glanzpunkt aber war das Konstanzer Konzil 1414—1418 unter Kaiser Sigis mund, und schließlich ist auch der Reichstag unter Kaiser Maxi milian l. rund 109 Jahre später nicht ganz ohne Wichtigkeit." Würde der Befragte ein literarisch interessierter Mensch sein, so könnte die Antwort lauten: „Natürlich weiß ich man ches vom Bodensee. Wer sollte nicht wissen, daß die Droste- Hülshosf lange in Meersburg dichtete, daß Scheffel in Radolf zell wirkte, daß auch in neurer Zeit viele Dichter und Denker am Bodensee leben, wie — um nur einige zu nennen — Wil helm v. Scholz, Ludwig Finkh, und daß wieder andere am Bodensee ihre Wahlheimat gefunden haben." Ein religiöser Mensch wird auf die thematische Frage mit Erschütterung des Mystikers Suso, der Abtei Reichenau, der Heiligblutreliquie in Weingarten und des Flammentodes des Reformators Huß auf dem Konstanzer Konzil gedenken. Ein technisch Gebildeter würde sicher antworten: „Bodensee? Nun ja, Zeppelin und Dornier begannen in Friedrichshafen ihre Eroberung der Luft, und wenn ich nicht irre, wurde in Fried richshafen auch der erste deutsche Binnensee-Dampfer in Be trieb genommen," worin er nicht irrt. Der Botaniker weiß wiederum etwas von der italienischen Flora bei Ueberlingen und aus der Mainau und spricht mit dem Dichter: „Insel des Südens, in nördliche Breiten versprengt, Dem reichen See von verschwendender Gottheit geschenkt!" Fragt man den Feinschmecker, so kennt er gewiß Bodensee felchen und Trüschen, und er probte sicherlich schon in Meers burg einen „Schiller", jenen ins rötliche schillernden Seewein, der die Farbe der Morgenröte hat. Der Maler und Kunst freund wiederum singt ein begeistertes Lied, das beim Meister von Eriskirch beginnt, über die Künstlerkolonien z. B. in Ueberlingen und Langenargen weiterführt bis zum Enthu siasmus über das wunderbare, täglich, la stündlich wechselnde Farbenspiel dieser Seelandschaft auf einem Hintergrund von blütenüberschlltteten Vorbergen und Herübergrützenden schnee bedeckten Alpenspitzen. Man sieht, man weiß auch in Norddeutschland einiges vom Bodensee und die Antworten geben schon einige Farbsteinchen in dem Mosaikbild, das wenigstens in den großen Flächen zu sammengesetzt werden soll. Um ein Bild glücklich beginnen zu können, fahre man nach Friedrichshafen, Lem Mittelpunkt des deutschen Bodenseegebie tes. Von Stuttgart erreicht man die Zeppelinstadt mit dem Schnellzug in drei Stunden. Bei der Fahrt wird der alte Stammsitz der Welfen und auch lnach 1191) der Hohenstaufen: Ravensburg berührt. Noch manches Schöne ist von der Pracht der alten Reichsstadt erhalten, wenn auch von der Glanzzeit um das Jahr 1200 — als Kaiser Philipp, ein Sohn Barba rossas in Ravensburg prächtige Hoffeste avhielt — nur mehr der Turm der alten Vurgkapelle, die Veitsburg, berichtet. — Nur selten kommt einem zum Bewußtsein, wie leicht uns das Leben und das ,Er"leben mit der Reichsbahn gemacht wird. Kurz vor der Inbetriebnahme der Strecke Ravensburg—Fried richshafen (1847) und Ravensburg—Ulm (1849), nämlich im Oktooer 1846 mutzte noch die Droste, um Meersburg von Mainz aus zu erreichen, den Schwarzwald von Freiburg bis Stockach mit der „Eilpost" bewältigen. In einem Brief an ihre Schwe ster bezeichnet sie diese Reise als eine Kreuzigung. Hafenbahnhos Friedrichshafen. Aber auch die Zeiten, wo die Strecke Stuttgart—Ulm—Ra vensburg-Friedrichshafen zu dem liebenswürdigen Scherzlied von der „Schwäbisch Eisebahne" Anlaß gab, sind vorbei, denn schnell und sicher bringt uns der Zug durch bewaldete Hügel und zwischen Obst-, Wein- und Hopfengärten hindurch nach Friedrichshafen. Hier sollte man im Hafenbahnhof aussteigen und noch voller Reiseglück und Erwartung gleich einen ersten Blick von der Terasse oder dem Trutzturm des Bahnhofs aus aus die verblauende Seelandschaft werfen. Gerade gegenüber jenseits der spiegelnden Fläche grüßen die schneebedeckten Zacken des Säntis. Nach links folgen Altmann. Furglenfirst, Hoher Kasten und Kamor, die Drei Schwestern, Scesaplana, Zimbaspitze, vom Säntis nach rechts herüber Silherblatt, Llltisspitze, Schindelberg, Mürtschenstock, Berner Oberland u. a. Gerade zu Füßen des Bahnhofs fügen sich die Hafenbecken zu einem Ornament. Mitten drin die Dampfer, Schiffe, die in ihrer Größe. Bequemlichkeit und Gepflegtheit kaum von den sonst in der deutschen Binnenschiffahrt eingesetzten Fahrzeugen erreicht werden. Soeben wiegt sich in der aufkommenden Brise eine Segelyacht vor der Hafeneinfahrt, etwas weiter draußen zieht ein Fährschiff auf der Fahrt nach Romanshorn seine Schaumbahn, und in der Ferne, nur noch Pünktchen im Son nenglast, bergen Fischerboote vom Reichtum des Schwäbischen Meeres. Jeder Empfindsame ist von der Weite und Größe die ser Landschaft überwältigt. Ist es verwunderlich, daß man näher kommen und mehr haben will von dem, was man so bewundern mutz? Man eilt die Terasse hinab und im Hafen besteigt man eines der schwa nenweißen Schiffe. Leise erzittert das Schiff, die Haltetaue werden gelöst, es gleitet hinaus auf die strahlende blaue See fläche und fährt, in weitem Bogen wendend, der Sonne ent gegen. Glückliche, sonnentrunkene Gesichter ringsum, Möven umspielen das Schiff, begeisterte Jugend weist auf einen eben sichtbar werdenden Dornier beim Probeflug. Man sieht, wie Karten ausgebreitet werden und jeder schöne Erdensleck, dem man nun zu Schiff begegnet, bezeichnet wird. Lachend tauscht man Erinnerungen und Erlebnisse aus; überall spürt man, wie die Helle Sonne und die blauen Fluten auch arbeitsmüde Antlitze zu Freude und Gelöstheit verklären. Bald steigt Auf einem Bodcnseeschifs. vor dem Bug des Schiffes wie ein Märchenschloß Schloß Mont fort in Langenargen empor. Weiter geht die Fahrt an blühen den Ufern entlang, und wieder entsteigt, wie eine alte Sage auf einer Landzunge weit hinausragend, das mauerumgürtete Kirchlein von Wasserburg mit Friedhof, auf dem der Tondich ter Lindpaintner ruht (gest. 1856). Das von Blüten farbig übersprühte alte Gemäuer ist viel älter als die Kirche mit ihrem Zwiebelturm vermuten läßt, denn man weiß, daß schon bei den Hunneneinfällen des 10. Jahrhunderts, Wasserburg, das damals zum Besitz des Klosters St. Gallen gehörte, um kämpft wurde. Weiter zieht das Schiff seinen Weg und zum drittenmale erlebt man das überraschende Bild, daß diesmal nicht eine Burg oder eine Kirche, sondern eine ganze Stadt dem Wasser spiegel zu entsteigen scheint, eine „Polis anadyomene", nämlich Lindau im Bodensee. In elegantem Bogen fährt der Dampfer zwischen Leuchtturm und bayerischem Löwen in den Hafen ein. Wenn man hier das Schiff verläßt, befindet man sich auf ur altem Kulturboden, denn schon im Jahre 15 v. Ehr. hatten hier die Römer ein befestigtes Lager gegen die Vindelizier er richtet und einen Hafen für ihre Flotte angelegt. Von dieser Zeit erzählt noch das älteste Baudenkmal der Stadt, die Hei denmauer, ein eindrucksvoller Bau aus Findlingsblöcken. Vom Hafengelände aus blickt man nach Osten auf das alte Bregenz, den dunkelbewaldeten Pfänder und nach Süden in das obere Rheintal. Dicht neben dem Hafen liegt auch der Bahnhof. Um wieder neue Eindrücke zu haben, lohnt sich die Benutzung der Uferbahn, die erst über einen Damm mitten durch den See, dann durch eine der üppigsten deutschen Landschaften nach Friedrichshafen zurückfährt. — Die nächste Dampferfahrt soll uns nach Westen führen. Vor bei an Schloß Hofen und dem schönen Friedrichshafener Strandbad, vorbei an Manzell, Fischbach, Immenstaad, Hag nau, weist der Bug des Schiffes aus Meersburg; hier, wo ein felsiger Bergrücken das Gestade berührt, liegt, wie auf Teras- sen, das burgüberkrönte Städtchen, das nicht nur durch seine altertümliche Schönheit, oder durch Konradin den letzten Hohen- , staufen, der hier zum letztenmal auf deutschem Boden stand. oder durch die Droste-Hülshoff, berühmt geworden ist, sondern bei dem Klang des Namens Meersburg sieht man die Reben gärten ringsum, wo Frauen, trotz Sonnenglut unermüdlich Wasserburg am Bodensee. arbeiten, wo Männer, mit schweren Gefäßen beladen, die Blat terflut bläulich-grün überspritzen und wo ein alter Wächter die geflügelten Näscher zur Reifezeit der Reben mit Schrot- flinte und „Rätsche" in Schach hält. Von dem etwas müh samen Herumklettern auf den steilen Straßen und langen Treppen Meersburgs erholt man sich auf der Fahrt mit dem Dampfer, der Meersburg mit der einzigen deutschen Stadt auf dem Slldufer des Sees, dem türmellberkrönten und an histori schen Geschicken reichen Konstanz verbindet. Trotzdem wir auf Schritt und Tritt in dieser größten Bodenseestadt alten Er innerungen begegnen, so zieht uns doch das Wasser unwider stehlich zurück und, der Strömung des Rheins folgend fahren wir weiter stromab mit dem Ziel der schlössergeschmückten In sel Reichenau. Vom Ufer auch nach Westen steht man Radolf zell und die Berge des Hegau mit dem beherrschenden Berg legel des Hohentwiel. Aber trotz allem wird die Reichenau, deren besondere Be deutung in den reichen Kunstschätzen ihrer drei mehr als tau sendjährigen Gotteshäuser liegt, übertroffen von der ebenfalls von Konstanz aus im Dampfer leicht erreichbaren Insel Mainau. Zahlreiche Pfade ziehen sich von dem zierlichen Hafen durch den Schlotzpark, dessen Rosengarten und südliche Flora an die berühmte Isola Vella im Lago Maggiore erinnern. Die Anmut dieser Landschaft ist nicht nur für die Mainau be stimmend. sondern auch charakteristisch für diesen ganzen Zipfel des Bodensees, den Ueberlinger See, der sich hier stromartig in die Landschaft einbettet. Während das östliche Becken des Schwäbischen Meeres beherrscht wird von der Kulisse schnee bedeckter Alpenspitzen, ist der westliche Teil — man möchte sagen — zärtlich idyllisch, und Dichter und Maler haben sich gerade in dieser Landschaft angesiedelt. Von der Insel Mainau abfahrend berührt man Unteruhldingen mit den interessanten Rekonstruktionen eines vorgeschichtlichen Pfahlbauerndorfes und gelangt nach Ueberlingen, wo man — wenn man Glück hat — von Trachtenträgerinnen empfangen wird. Aehnlich wie Meers burg ist diese Blumenstadt mit ihren alten Kirchen, Türmen und Toren stufenförmig in einen Berghang eingeschmiegt. Auf der Rückfahrt von Ueberlingen nach Friedrichshafen mit der Uferbahn erlebt man auch hier wieder Len durch das milde Klima begünstigten üppigen Reichtum dieser Landschaft. So formt sich das Mosaikbild vom Bodensee aus ragenden Bergen und lieblichen Idyllen, aus Sonnenglanz und blauen Fluten, aus altersgrauen Türmen und blütenühersäten Dör fern, aus Sitten und Sprache. Doch fedes Bild beherrscht im mer wieder der See mit seinen verblauenden Fernen. K. H. Kunze. Kreßbronn.
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