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Wilsdruffer Tageblatt : 17.06.1931
- Erscheinungsdatum
- 1931-06-17
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1782027106-193106175
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1782027106-19310617
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1782027106-19310617
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Bestände des Heimatmuseums der Stadt Wilsdruff und des Archivs der Stadt Wilsdruff
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungWilsdruffer Tageblatt
- Jahr1931
- Monat1931-06
- Tag1931-06-17
- Monat1931-06
- Jahr1931
- Titel
- Wilsdruffer Tageblatt : 17.06.1931
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heutige tropische Malaien-Pfahldörfer in der Strandzonc ihrer Inseln widerlegt, die selbst der Ozeanflut standhalten liegt dock» gerade in der Sieolung im stark flutenden Wasser heute wie damals Wohl der Hauptzweck aller Pfahlbauten^ daß die bewegte Welle als „natürliche Kanalisation" immer wieder den Unrat unter den Wohnungen fortschwemmt Vischers vielbelachte Erklärung des Wasserbewohnens aus religiös-hygienischen Gründen zur Regelung des Katarrhs Hai in dieser heute gültigen VV.O.-Theorie ihre wissenschaftlich! Rehabilitierung erfahren! Daß die reinen Steinäxte der älteren Pfahlleute vor ihrer metallischen Hochblüte so riesige Pfähle zum Durchsetzen der ganzen Wassersäule nicht hätten bearbeiten können, wird durch eben jene heutigen Naturvölker erledigt, die es ebenfalls mit Puren Steinwerkzeugen leisten. Das Durchschlagen eines entsprechenden Buchenstammes mit einer Steinaxt von Pfahl bauergüte gelang in 13 Minuten glatt, während eine Stahl axt acht brauchte — also nur etwas Unterschied der Arbeitszeit, die man damals sicher reichlich hatte. Geradezu kindlich wirkt die Frage, wie die vielen Holz, artefakte sich im echten Seegrunde hätten ablagern können, da doch Holz stets oben schwimme — jeder Seekenner auch an anderem Ort weiß, wie viel Holz tatsächlich auf jedem See boden lagert, in Mulden verankert oder bei größerem Einfall mit untergedrückt, abgesehen noch, daß in unserem Fall viel fach solche Holzteile als Werkzeuge (z. B. eben bei Aextenj mit Steinen verbunden waren, also mit in die Tiefe gingen Das Vorkommen von Schilf und Farnen in der Kulturschich! braucht ebenso wenig für Land zu sprechen, denn noch heut! wächst Schilf an den Wasserstümpfen, und eingeschleppte Streu ist im Wasser-Venedig so erklärlich wie die massenhaften Feld- srüchte des Landes; wenn die Pfahlbauern ihre appetitlicher Hirse- und Weizenbrote buken, die noch erhalten sind, Haber sie selbstverständlich auch dazu das Korn vom Lande bezogen, ebenso wie den Flachs zu ihren prachtvollen Webereien. Ganz aus aller Ufernähe wird man ja auch rein baulich die Wasserstädte so wenig fort orientieren, wie Venedig selbst nie im offenen Adriatischen Meer gestanden hat. Man baute auf ufernahen Grund, meist von so geringer Neigung, daß auch mittlerer Seestand bereits das Ganze im Wasser hielt. Wobei dann gerade hier allerdings noch etwas bedeut sam wird, das von Anfang an den Forschern zu denken ge geben hat. Alle früheren Pfahlbauten gehören, wie gesagt, noch der Steinzeit an, wenn auch der jüngeren, die bereits Ackerbau, Viehzucht, Töpferei besaß und kunstvoll webte. Und erst nach langem Zeitraum kam durch zunehmenden und weit verzweigten Handel Kupfer als erstes Metall auch auf die Seen, das ersichtlich zunächst nur als Schmuck bewundert und zu Volivgaben den Göttern dargebracht wurde; so wird ein riesiges axtförmiges, aber technisch unbrauchbares Kupferstich der Funde, das man früher für einen Eintauschbarren hielt, heute als solches Idol nach Analogie der sakralen Tempeläxte von Knossos in Kreta gedeutet. In ihrer höchsten und letzten Blüte, wo auch die Pfahlbaukultur in homerischen Reichtum eintrat, verschmolz sie endlich dieses rote Kupfer mit dem noch weiter her bezogenen Zinn zu echtem goldfunkelnden Bronze-Erz (Vischer mit seinem „Erzketzer" als erstem Pfahl bau-Revolutionär ist hier ein klein wenig zu rektifizieren) unk stellte daraus in eigenen großen Gießereien fabrikmäßig das ganze Werkzeug und Gewaffen bis zu den pompösesten Pracht schwertern her. Es war die gleiche Gipfelepoche, wo man das gezähmte Pferd als Luxus vom Orient erhielt, wundervolle, bemalende Keramik trieb, einem ebenfalls an Kreta erin nernden Stierkult huldigte, den zahllose, früher als Mond bilder gedeutete Symbole bekunden; sich mit köstlichen Gold spiralen schmückte, Sonnendisken, wie bei den Kultus-Wagen des Nordens, gravierte, mit Bronzeringen als Geld zahlte und eine hohe, eigene Körperkultur übte, von der noch die feinen, gepflegten Fingereindrücke der Frauen nu stets hand bearbeiteten Töpferton und die häufigen Bronze-Rasiermesser zeugen. Gerade dieser selber sonnenhafte Aufstieg vom roheren Urzeitlertum bis an die Schwelle höchster Mittelmeerkultur hat ja von je als das Lehrreichste an diesen Wassermenschen gegolten. Hand in Hand mit ihm machte sich aber nun auch ein scheinbarer seltsamer Wandel in den Wasserstädten selbst geltend. Lagen die Steinzeitsiedlungen alle immerhin noch näher den gegenwärtigen Seeufern, so zeigen sich die Pfähle mit begleitender Kulturschicht der Bronzezeit wenigstens nach heu tigem Wasserspiegelstand doch beträchtlich weiter draußen im offeneren Wasser. Atan hat spintisiert, wie das zu deuten sei. Ob der erhöhte, mehr schutzbedürftige Reichtum im Bunde mit der vollkommeneren Metalltechnik wirklich wenig stens später die Städte ins tiefere Wasser verlegen ließ? Heute geht man auch da auf einer anderen Svur. Man ist nämlich aufmerksam geworden, daß die Pfahl baustädte zwar stets selber im seichten Wasser standen, aber die Seeufer von heute nicht immer die gleichen auch von ehe mals gewesen zu sein scheinen. In der steinzeitlichen Pfahl bauperiode lag das Ufer durchweg etwa so wie jetzt wieder, und die damaligen Städte entsprachen also der heutigen seichten Ufernähe. In der Bronzeperiode dagegen hatte sich der Wasserspiegel zeitweise so gesenkt, daß jetzt die Userlinie sich in Wahrheit weit draußen im heutigen See befanv. Und entsprechend lagen die schönen, reichen Metallstädte damals ebenfalls dort: sie waren einfach dem derzeitig hinaus verschobenen Ufer gefolgt. An sich wird man auch aus diesem Hinausfolgen gern schließen, daß die Städte jederzeit überhaupt mit dem Wasser gingen, also Wohl stets auch i n diesem Wasser (wenn auch ufernahe) gestanden haben werden. In einem anderen Sinne führt aber gerade diese zeitweise Aenderung der Strandlinie selbst noch auf ein zweites Problem: nämlich jetzt wirklich die Frage nach dem schließlichen Untergang der Schweizer Pfahl bauten. Man weiß noch immer wenig über das Volk, dem die Pfahlbauern angehörten. Man hat ein Paar Schädel ge funden, die aber Wohl aus dem Brauch der Kopfjäger stam men. Vielleicht waren es Ligurer vom alten Mittelmeer. Vielleicht eine Herren- und Sklavenschicht. Geklärt ist dagegen so ziemlich die Chronologie. Jene Kupfer-Wende mag um 2500 v. Ehr. gelegen haben, also parallel noch zu Altbabylou und ein paar Jahrhunderte dort noch vor Hammurabi. Da hinter dann noch beliebige Jahrtausende Steinzeit. Vorwärts über muß das Ende auf allen Schweizer Seen zwischen 1000 und 800 v. Ehr. gefallen fein, nahe also der mythischen Grün dungsziffer für Rom. Die Eisenzeit wirkt nur zuletzt noch gerade hinein, also noch keine echte, sog. Hallstatt-Zeit. Die letzten Bronzestädte machen nicht den 'Eindruck, daß sie ver brannt, sondern eher, daß sie verlassen sind. Mit den keltischer Helvetiern, die Cäsar später am Fleck fand, war kein Zu sammenhang. Was aber steckt auch hier in diesem Rätsel „letzter Tage"? Wurde das kulturfrohe, schöne Volk von anderen ver drängt? Unterlag es, so lange seßhaft, doch dem Wandertriebe der bisweilen Tiere und Menschen ergreift? Die neueste Theorie knüpft auch dabei an jenen geheim nisvollen Wechsel des Seespiegels selbst an. Wenn auf jener Wende von der Stein- zur Metallzer die Uferlinie wirklich so weit vorgeschoben war, so kann das nur durch eine Senkung des Wasserstandes in allen Schweizei Seen begründet gewesen sein. Dte Seen müssen jahrtausende lang immer trockener gelegen haben — Lis zu dem Extrem daß die nachrückenden Städte schließlich weit draußen dal Wasser suchen mußten. Das bringt man nun mit einer be deutfamen klimatischen Erscheinung damaliger Zeit in Ver bindung, die auch sonst für Europa wahrscheinlich ist. Die ganze jüngere Steinzeit hatte ein wesentlich wär meres Klima als wir heute, und das steigerte sich in de: Kupfer- und Bronzezeit zu solcher Trockenheit, daß du Schweizer Seen weithin austrockneten. Es war die gleich, Zeit, wo im Riesengebirge Prachtvoller Buchen- und Tan uenwald auch die Knieholzregion des obersten Kammes bedeckte. Genau im Ausgang der Bronzezeit wird aber dann eir mehr oder minder rascher Klimasturz nochmals zu dem küh leren und feuchteren Klima erfolgt sein, das bis heute an dauert. Und sein Ergebnis mußte für die Schweizer Seer jetzt eine rapide Wiedererhöhung des Wasserspiegels bedeuten, mit der dieser Spiegel das Ufer erneut aus seine: Lage weit in den Seebecken drängte bis in die Marke unk Ufergrenze, welche die Seen heute inne haben. Hier aber hat man nun gemeint, diese neue Steigerung habe den Pfahlbauern, draußen hingepfahlt mit ihrer Städten, wie sie nun mal waren, das Wasser so ins Haus gebracht, daß sie-sich dem mit keiner Technik und Baumlang, ihrer Pfähle mehr gewachsen fühlten, sondern einfach di, ganze Pfahlbauerei aufgaben und fortzogen. Man könnte einwenden: warum sind sie nicht auü wieder dem alten Ufer zurückgefolgt? Oder kam der „letzt, Tag" auch hier so pompejamsch Plötzlich, daß eine wilde kopflose Flucht entstand? Jscher meint, die Kunst der alter Wasserleute hätte es allein wohl doch noch geschafft, abc vielleicht sei die Wassersnot wirklich noch verbunden gewese: mit dem Einbruch eines fremden Volkes, das die gleiche Sint flut aus einem Uferlande Vertrieben. Wer will diese Frag entscheiden? Es bleibt nur, daß damals, in den Sagentagen des Ro mulus, auch hier ein „letzter Tag" angebrochen sein muß wie in Pompeji ein Jahrtausend später — würdig de Griffels eines großen Dichters, der in seiner Phantasie jc immer auch ein großer Seher ist. NWeWe M« m MlsdrH md llWWNd halten sich bei Bedarf bestens empfohlen: Kolonialwaren- und Landesprodukien-, Tabak- und Zigarrenhandlung Rentsch, Kurt, Parkstraße 1342. Ladestation für Akkumulatoren und Batterien Zschunke, Arthur, Zellaer Straße 29. L. Malergewerbe Schindler, Edwin, Hohestraße 134 V. s-r- 71. Milch- und Vutterhandlung Barthel, Alfred, Braunsdorf (tägl. 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Zeitung Wilsdruffer Tageblatt, Zellaer Straße 29. s-e- 6. ß Zentralheizungen Schwepcke, Franz, Ingenieur, Bismarckstr. 35. 511. D Oie große Liebe. Roman von Emmi Lewald. »p (Nachdruck verboten.) NachiS ging er mit schweren Schritten oft viertel- Mndenlang in der Galerie und den leeren Sälen aus und ab. Er wußte ganz genau, daß all die schwierigen Verhältnisse ja gar nicht daher kamen, daß an höchster Stelle etwas falsch gemacht war. Daß sie eben nur Zeit erscheinungen waren. Und wenn er in den anonym er scheinender! Flugschriften immer wieder die Idee prokla mieren hörte, daß das Volk nicht wegen der Fürsten, son dern die Fürsten wegen des Volkes da seien, so schüttelte er seufzend den Koch E> mit seinen strengen sittlichen Idealen hatte ja längst diesem Standpunkt nachgelebl, es war gar nicht rrotig, daß immer wieder ein Untertan da unten in der Achtlosen Dächermenge der Residenz, die so traumhaft von blitzenden Wintersternen überflammt war, sich bemüßigt fühlte, ihm diesen Anspruch des sogenannten Volkes er zieherisch vorzuhalten. Niemand von den Nichtregierenden begriff ja auch, daß im Gewissen des Regenten noch etwas anderes, sehr Starkes und sehr Berechtigtes war, das von den Ahnherren Ererbte nur so weil preiszugeben, als es unumgänglich die Gegenwart verlangte; die Pflicht, seinem Nachfolger eine Autorität zu hinterlassen, die auf der Grenze zweier Zeiten nicht leicht zu behaupten war. Er fühle sich müde und graute sich oft vor dem näch sten Tage, und als der alte Baron mit einer so umfang reichen Mappe antrat, sah der Herzog seinem treuen Ver lrauten seufzend entgegen. „Ihre Mappe ist mir oft ganz unheimlich, lieber Baron! Ich weiß schon, was heute darin ist: die neue Broschüre mit dem ewigen Refrain: „Rechte des Volkes, Pflichten des Fürsten." Nun gut, mögen sie drucken lassen, was sic für richtig halten. Was mich an diesem Fall aber verletzt, ist der Name, der hinter dem Pseudonym steht. Sie wissen schon, jemand aus meinem Kabinett, den ich seiner schriftstellerischen Fähigkeiten wegen sehr protegierte. Und nun wendet sich die spitze Feder direkt gegen mich. Er verdiente, daß man ihn maßregelte oder in den Ruhe stand versetzte. Gewiß will man die Denkfreiheit nicht unterbinden. Tie aber, die fest im persönlichen Dienst eben und zur Dankbarkeit allen Grund hätten, sollten uigstsns. was sie denken, nicht gerade drucken lassen. Trotzdem ist eine Pensionierung bedenklich. Er hat eine kranke Frau und fünf Kinder. Man würde einen Mär tyrer der Idee aus ihm machen. Und überhaupt ist ja an einem Zeitpunkt wie dem jetzigen, wo wir uns in einer Art Ruhe vor dem Sturm — der Himmel weiß, welchem Sturm! — befinden, Nachsicht weiser als jede andere Kon sequenz, die man zu ziehen zwar durchaus berechtigt wäre." Der Herzog trommelte mit den Fingern auf dem Schreibtisch. Der alte Vertraute schob seine goldene Brille unruhig hin und her. „Ehe ich in den wetteren Vortrag eintrete, mutz ich noch eine andere Angelegenheit zur Sprache bringen." „Nun, Sie machen ein finsteres Gesicht, so, als käme nun etwas besonders Peinliches und Unerwünschtes." „Ja, Hoheit, es ist leider der Fall. Es handelt sich um ein sehr sonderbares Gerücht, das seit ein paar Stunden durch die Stadt geht, lauffeuerartig möchte ich sagen, wie das dann ja in unseren engen Verhältnissen sich abzuspielen pflegt. Dies gewitz ganz unsinnige Ge rücht betrifft den Kammerherrn von Gristede." Der Herzog strich sich plötzlich unruhig über die Brauen und lehnte sich mit verschränkten Armen in den hohen Lehnstuhl zurück. „Ein aufgegriffener Vagabund, der beim Pferdedieb stahl ertappt war, wurde heute früh im Rathaus ein geliefert, gerade in dem Augenblick, als die Herren von der Besichtigung der Museumsfresken die Freitreppe her unterkamen. Herr von Gristede, der Bürgermeister, der Intendant und derKammerherrvonLeeven. BesagterVaga- bund hat Herrn von Gristede in grotesker Weise mit der Behauptung attackiert, datz er nicht ein Herr von Gristede sei, sondern ein Maurergeselle dort unten aus Kärnten, mit dem der Pferdedieb lange Jahre hindurch aus Wander schaft und in Arbeit gewesen sein will; eine so absurde Behauptung von feiten dieses fremden Strolches, datz ja an sich jeder Hörer der Szene sofort zur Tagesordnung hätte übergehen müssen, wäre nicht —" Der Minister zögerte. „Nun, wäre nicht?" drängte der Herzog, dem eine tiefe Falte zwischen den Brauen stand. „Wäre nicht," fuhr der Minister fort, „Herrn von Gristedes Verhalten dabei gewissermaßen ein etwas eigen tümliches gewesen. Statt empört sich solche Insulte zu verbitten, soll er sie wortlos hingenommen haben, als wären sie volle Wahrheit." „Wer hat sein Verhalten als eigentümlich charakte risiert? Vermutlich Leeven, der immer ein scharfer Gegner Gristedes war." „Auch der Intendant, dem ich auf meinem Wege znm Schloß begegnete und der mich auf das Gerücht hin an sprach, das gerade vorher schon in mein Haus getragen und als barer Unsinn verlacht worden war, sagte mir, daß er sich eines sonderbaren Untergefühls nicht habe erwehren können, als Gristede einen Augenblick nur zu dem Vaga bunden hingesehen und dann ohne Wimperzucken mit eisiger Miene seinen Weg fortgesetzt hätte, als ob nichts geschehen sei." „Das alles sind doch allzu schwache Unterlagen für einen so schwerwiegenden Vorwurf!" sagte der Herzog. „Ich selbst habe nach mannigfachen Berührungen im Laufe eines vollen Jahrzehnts Gristedes Persönlichkeit stets so loyal und unantastbar gesunden, daß ich nicht im stande bin, dies Gerücht irgendwie ernst zu nehmen. Mir scheint es Pflicht zu sein, Gristede vor diesem Gerücht zu schützen, das draußen im Vorzimmer vom Kammer herrn von Leeven mit einer Ausführlichkeit verhandelt und breitgetreten wird, wie das bei einigen unserer Hofherren ja bei allem, was an Skandal grenzt, leider eine unlieb same Sitte ist. Leeven fühlt sich gewissermaßen als Ex ponent dieser Gerüchte, als Herr über dies ganze plötzliche Geschehnis, da er sofort, nachdem die anderen Herren außer Sicht waren, der Quelle nachgegangen ist und den Kerl einer Art persönlichen Verhörs unterworfen hat." „Aber das ist doch gar nicht möglich. Er hatte doch keine Befugnisse," warf der Herzog ein. „Herr von Leeven gehört zu den Menschen, die ihre Neugier zu einer Art Laster ausbilden. Er hat unter dem Vorwand, Unehrlichkeit einer Köchin polizeilich melden zu wollen, sich in die Polizeistube begeben und in leisem Ge spräch mit dem Vagabunden angeblich festgestellt, datz dieser vorgebliche Gristede mit ihm als stellenloser Wander geselle nach Trieft gekommen sei, um Arbeit zu suchen, dort aber von einem bayerischen Herrn, der seinen Diener ver loren hatte, engagiert und mit ihm auf ein Schiff ge nommen wäre, das ausgerechnet nach Griechenland fuhr. Die Verquickung der Beschuldigung mit einem Herrn ans Bayern und einem Schiff nach Griechenland ist das, was — wenn Herrn von Leeven seine Phantasie keinen Streich gespielt Hat — ja allerdings etwas seltsam zu finden man nicht umhin kann." (Fortsetzung folgt.)
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