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Wilsdruffer Tageblatt : 07.03.1922
- Erscheinungsdatum
- 1922-03-07
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1782027106-192203074
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1782027106-19220307
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1782027106-19220307
- Sammlungen
- LDP: Bestände des Heimatmuseums der Stadt Wilsdruff und des Archivs der Stadt Wilsdruff
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungWilsdruffer Tageblatt
- Jahr1922
- Monat1922-03
- Tag1922-03-07
- Monat1922-03
- Jahr1922
- Titel
- Wilsdruffer Tageblatt : 07.03.1922
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Zanella, mutzte sich nach einem sechsstündigen heftigen Kampfe ergeben. Er befindet sich in der Gefangenschaft der Faszisten. Aus Triest, Pola und den übrigen istrischen Städten waren etwa 1000 Faszisten mit mehreren Panzerautomo- Lilcn und größeren Mengen Munition in Fiume einge- troffen. Die in der Stadt anwesenden italienischen Kara- binieri traten offen auf die Seite der Faszisten. Es wird versichert, daß die Faszisten im iEnvernehmen mit d'An- nunzio handeln. Frankreich. X Die Rüstung des Riesen Goliath. Neben der winzigen deutschen Reichswehr nimmt sich die kolossale französische Armee wie weiland der kleine David neben dem Riesen Goliath aus. Sonderbar ist nur, daß der moderne fran zösische Goliath seine Rüstung trotz des unebenbürtigen Gegners immer stärker machen möchte. In der Kammer in Paris wurde erklärt, daß man Deutschland gegenüber 32 Divisionen mit den entsprechenden Reserven brauche, denn Deutschland könne durch Verdreifachung der Reichs wehr 21 Divisionen mobil machen und verfüge über 150 000 Mann Stammtruppen in der Schutzpolizei (!) Der Effektivbestand bei 18monatiger Dienstzeit gebe die Möglichkeit, 32 Divisionen zusammenzustellen, vorausge setzt, daß man über 100000 Kapitulanten verfüge. Bei nur 70 000 Mann Kapitulanten und 205 000 Mann Kolo nialtruppen, die im Entwurf vorgesehen seien, komme man bei 18monatiger Dienstzeit auf eine Gesamtstärke voq, 660 000 Mann, bei einjähriger Dienstzeit auf 535 000 Mann. Das scheint den Franzosen aber immer noch nicht genug zu sein. Aus Zn- und Aussand. Berlin. Der Ältestenrat des Reichstages beschloß, die erste Hälfte der neuen Woche sitznngsfrei zu lasten, um den Ausschüssen Gelegenheit zu intensiver Arbeit zu geben. Paris. Im Laufe des Monats März werden zwei weitere Transporte amerikanischer Soldaten der Rhetnland- armee heim befördert. Vom Monat April an wird das amerikanische Kontingent nur noch 2400 Offiziere und Mann- schäften zählen. Berlin. Der 23. Kirchlich-soziale Kongreß findet vom 24. bis 26. April in Rostock statt. Deutscher Reichstag. (ILO. Sitzung.) Berlin. 4. März. Heute wurden zuerst einige kleinere Vorlagen ohne wettere Auseinandersetzung den zuständigen Ausschüssen überwiesen und dann wurde in der zweiten Beratung des Haushalts des Wiederaufbauministeriums fortgefahren. Staatssekretär Dr. Müller bezeichnete die Ge rüchte über eine geplante Auflösung des Wiederanfbauministe- riums als grundlos. Der verwickelte Apparat des Wiederruf- banministeriums kann nicht ohne weiteres einem anderen Mi nisterium angegliedert werden. Der vom Ausschuß beschlosse nen Streichung von 78 Stellen habe das Ministerium nur mit schwerem Herzen zugestimmt. Das Ministerium bringe den durch den Fricdcnsvertrag geschädigten Auslands- und Ko lonial-Deutschen das größte Wohlwollen entgegen und bedaure nur, daß es nicht alle berechtigten Wünsche erfüllen könne. Der Abbau der Kolomalverwaltung wird nicht verzögert, obwohl wir unverrückbar an der Hoffnung festhalten, wiederum Kolonien zu erhalten. Die Regierung bedauert, daß es nicht gelungen ist, mit Frank reich über den Wiederaufbau der zerstörten Gebiete zu einem Einvernehmen zu gelangen. Alle unsere Unternehmungen sind bei der französischen Behörde unbeachtet geblieben. Unser An gebot zur Lieferung von 20 000 Holzhäusern hat schließlich nur zur Annahme von 76 Probehäusern geführt. Auf unserer Seite war immer Bereitwilligkeit über Bereitwilligkeit, auf der fran zösischen immer nur Ablehnung. Die französischen Sozialisten sind für die Beschäftigung deutscher Arbeiter am Wiederaufbau, das französische Unternehmertum ist dagegen. Die deutsche Re gierung wird trotz allen Abweisungen fortfahren, Material-, Sach- und Arbeitsleistungen zum Wiederaufbau zur Verfügung zu stellen. Dr. Haas (Dem.) bemerkte, das Wiederaufbauministerium hat für die Ausländsdeutschen zwar Verständnis und guten Willen, aber damit ist noch nichts getan. Die Stimmung der Ausländsdeutschen ist geradezu verzweifelt geworden. Man muß ihnen endlich ausreichend und vor allem schnell helfen. So wie bisher geht es nmtt weiter. Die EntsL'Ldicmna darf man oorgenommen werden auf der Grundlage des Reserenten- entwurses der Regierung. Die darin vorgeschlagene Zahlungs- Weise verstoße gegen die Würde des.Reiches. Den Geschädigten müsse schnell und ausreichend geholfen werden. Baldige Besetzung des Ministerpostcns gefordert. Dbg. Dr. Fleischer (Zenir.) betonte vor allem, der Minister posten muß schleunigst besetzt werden, sonst schwindet die Aus sicht von der Überflüssigkeit dieses Ministeriums überhaup! nicht. Das Ministerium müßte heißen „Ministerium zur Durch führung der wirtschaftlichen Bestimmung des Fricdensvertra- ges", dann würde seine Notwendigkeit in den weitesten Kreisen eingesehen werden. Ein besseres Zusammenarbeiten mit dem Reichssinanzministcrium ist notwendig, damit cs nicht wieder passieren kann wie Polen gegenüber, daß die während des Krie ges abtransportierten Maschinen vom Finanzministerium be zahlt und dann vom Wiederaufbauministerium noch zurückge geben wurden. Weiter trat der Redner für eine wirksame Unterstützung der aus Polen vertriebenen Gutsbesitzer und Ansiedler ein. Abg. Ernst (U.-Soz.) erklärte, das Wiederaufbauministe rium entspreche nicht den Anforderungen, die an eine wlche Be hörde gestellt werden müssen. Daran ist zum größten Teil die Bureaukratic schuld. Ferner machten sich Kräfte bemerkbar, die man als Sabotage bezeichnen müsse. Bei dem mangelnden Entgegenkommen Frankreichs beim Wiederaufbau müsse man berücksichtigen, daß es die französischen Kapitalisten sind, die dem Wiederaufbau Hindernisse bereiten, weil sie dabei viel ver- vicnen wollen. Geht es nach den Arbeiterkrcisen, so wäre man mit dem Wiederaufbau heute schon viel weiter. Vertriebene Ausländsdeutsche. Abg. Dr. Deermann (Bayer. Volksp.) bemerkte u. a., das Entschädigungsversahren für vertriebene Ausländsdeutsche muß der jeweiligen Geldentwertung angepaßt werden, so daß es dem Geschädigten einerlei sei, ob er sein Geld in einem oder in drei Jahren erhalte. In den Flüchtlingslagern herrschen unglaubliche Zustände. Frauen, Männer und Kinder Hausen wie in einem Viehstall zusammen. DaS Liquidationsschäden- gesetz, wie es über den Referentenentwurf vorliegt, muß «en Mittelstand auf das härteste treffen. Wenn den Ausländsdeut schen, deren Liquidationserlös dem Deutschen Reiche zugeschrie ben worden ist, der Schaden nicht ganz erstattet wird, so müß ten sie sich mit Haß vom deutschen Vaterlande wenden, denn durch ihre Zugehörigkeit zum Deutschen Reiche hätten sie schwe ren Schaden erlitten. In Zukunft würden viele Ausländs deutsche ihre Nationalität wechseln. Abg. Lavexrenz (Deutschnal.) führte aus, daß mit d?m Wiederaufbauministerium das Schicksal unserer Kolonien eng zusammenhänge. Die Frage des kolonialen Gedankens mutz bei uns wach erhalten werden. Die Zustände, erklärte der Red ner, wie sie in unseren Schutzgebieten unter dem Mandatsystem sich Herausgehildet haben, sind ungeheuerliche. Di« Austeilung unserer Kolonien war ein frecher Raub. Man hat den Raub damit moralisch zu rechtfertigen versucht, daß man uns ein Ver sagen auf kolonialem Gebiete vorwarf. Für die Unhaltbar keit dieser Behauptung gibt es unzählige Beweise. Auf ver schiedene dieser Beweise ging alsdann der Redner ausführlich ein. Abg. Fröhlich (Komm.) wandte sich gegen die Wiedergut machungsleistungen. Die Regierung schalte in dieser Frage nach I Belieben. Das kommt daher, weil der Vertrag zugunsten der r herrschenden Klaffe, der Großindustrie, sei. Von der Rechte» I wurde dieser Ausführung lebhaft widersprochen. Die allgemeine Aussprache über den Haushalt des Wieder- ausbauminifteriums wurde hierauf gestossen, und man trat t» die Spezialdebatte ein. Zum Schluß entspann sich eine längere Geschäftsordnungs debatte über die Tagesordnung der nächsten Sitzung. Präsident Loebe schlug vor. die nächste Sitzung am nächsten Donnerstag abzuhatten und aus die Tagesordnung das Branntweinmono polgesetz zu setzen. Gegen Liesen Vorschlag erhob die Rechte Widerspruch, und zwar mit der Begründung, daß Lis zum Don nerstag die Entscheidung über die neuen Steuervorlagen in dem Ausschuß noch nicht getroffen sein werde und daß man es daher vermeiden muß, am Donnerstag bereits mit der Bera tung einer dieser Steuervorlagen zu beginnen. In diese Aus einandersetzungen griff auch der Reichskanzler, der sich 'zu die sem Zwecke eingefunden hatte, ein und ersuchte dringend darum, am Donnerstag schon mit der Beratung des Branntweinmono pols als einer der neuen Steuern zu beginnen. Französische Justiz im Rheinland. Die „Organisation Consul". 8 Düffeldorf, 4. März. Nach dreitägiger Verhandlung fällte gestern abend das französische Kriegsgericht das Urteil gegen die 21 lungen Leute, die angeklagt waren, der „Organisation Consul" angehört zu haben. Die beiden Führer Vöaeliü und KoüI - Die Grafen von Freydeck. 84s Roman von A. Ostland. „Das wird schwer halten, sie zu sprechen, Miß! Der Herr ist sehr krank, schon seit Jahren. Er soll die arme Frau arg quälen. Sie lebt vollkommen vereinsamt da hin, immer nur um ihn beschäftigt. Ein einziges Mal durfte sie Miß Angela, die nicht ihre rechte Tochter ist, an der sie aber doch sehr hängt, auf einer Tournee begleiten. / Sie waren damals, vor ungefähr drei Jahren, in Eu ropa. Aber die Miß mußte dann allein dort bleiben. O, die Frau hat kein leichtes Leben! Also, wenn Sie nach der Billa wollen, Miß, es ist das allerletzte Haus am Ende jener Allee l Sie müssen gut eine halbe Stunde gehen. Und das Wetter ist so häßlich l Wollen Sie nicht lieber den Regen hier abwarten? Es ist leider gerade kein Wagen dal" Hilda Wentheim dankte mit ein paar Worten und trat hinaus in den Regen und die Dunkelheit. Einige Minuten später war ihre schlanke Gestalt zwischen den uralten Stämmen der Allee verschwunden. Sie hätte später niemals sagen können, wie sie den weiten und ein samen Weg eigentlich zurückgelegt hatte. Ihr Kleid war naß, denn der Regen strömte immer heftiger hernieder; sie mußte sich tapfer gegen den Sturm wehren, und ihre Füßchen in den feinen Schuhen versanken beinahe in dem feuchten Sands des Weges. Dort und da schimmerte ein villenartige» Gebäude aus einem der langhingestreckten Gärten. Aber es war immer noch nicht das letzte Haus In Hilda Wentheim klang der Spruch der Freydecks: „Niemals zurück!" Auch in ihren Adern rollte Frey- üecksches Blut. Und dieses trotzige, wilde Blut bäumte sich auf und trieb sie vorwärts trotz ihrer geheimen Angst, trotz der Mutlosigkeit, welche sie jedesmal befiel. Sie tat kein Unrecht. Ein Kind hat ein Recht, zu der Mutter zu kommen, auch wenn diese Mutter längst einen anderen Namen trägt. Das Unrecht war auf feiten dieser Mutter, welche nie einen Gedanken oder eine Tat der Fürsorge mehr hatte sür ihre einzige Tochter. Sie, Hilda, wollte ja nichts von diesen reichen Var- ninis. Kein Almosen: o Gott, nein! Nur Liebe und mütterlichen Rat, sonst nichts Während der langen Eisenbabnfahrt, beim An hören der Worte des Bahnbeamten und jetzt, da ssie einsam in diesem Unwetter das Haus suchte, in dem ihre Mutter — ihre Mutter! — wohnen sollte, war eine Art Trotz über das Mädchen gekommen. Die weiche Stimmung war allmählich verflogen. Sie kam doch nicht als ein Ein dringling, als eine Bettlerin! Sie war das Kind, welches zur Mutter kommt. Da war das Haus, düster, prächtig, mit Zierat über laden, umgeben von einem parkähnlichen Garten, aus dem sich das weitläufige Gebäude dunkel heraushob. Es mußte das richtige Haus sein; denn dahinter begann gleich der Wald. Einsam, öde und ungastlich sah es aus. Und hier sollte sie ihre Mutter finden? Scharf, gellend flog der Ton der Klingel durch die abendliche Stille. Einige Zeit danach wurde die Haustür von einem alten, mürrischen Diener geöffnet. Unwirsch fragte er nach dem Begehr des jungen Mädchens. „Ich wünsche Frau Varnini zu sprechen. Meinen Namen möchte ich nur ihr nennen." „Madame empfängt niemand." Die Tür wollte sich schon wieder schließen, aber Hilda trat mutig einen Schritt vor. „Ich muß die Dame sprechen. Ich habe Nachrichten von höchster Wichtigkeit für siel" Der Alte zögerte. In diesem Augenblick klang aus dem Hause ein eigentümliches, furchtbares Schreien, ein Stöhnen und Aechzen, das sich seltsam unheimlich ver mischte mit dem Rauschen des Regens und dem Brausen des Windes. Hilda horchte entsetzt. Der Diener merkte wohl den erschrockenen Ausdruck in ihrem klaren Gesicht; er sagte: „Der Herr ist krank — schon lange. Er hat wieder einen Anfall. Da kann die Gnädige nicht weg von ihm, ehe er einschläft. Und wer weiß, ob dies geschieht! Das geht oft tagelang so fort. Freilich: heute ist er schon er schöpft. Ich weiß wirklich nicht, ob ich Sie warten lassen kann l" Da flog eine Tür auf, eine schlanke Gestalt eilte her aus in den Flur. Boll fiel das Licht, welches aus dem Zimmer drang, in das schöne, blasse Gesicht und die dunklen Locken Angela Varninis. „Friedrich, das ist entsetzlich!" rief die junge Geigerin außer sich. „Geradezu furchtbar! Und das alle» muß Mama in einem fort mit anhören I O Gott!" Sie prallte fast mit Hilda Wentheim zusammen, welche in der Halle stand. Der Lichtschimmer streifte nun auch dieses in seiner blonden Schönheit so ganz andere Mädchen- ' gesicht. h a a s wurden zu drei und zwei Jahren Gefängnis verurteilt. Von den übrigen Angeklagten erhielten zehn 1 Jahr Gefängnis, sieben 18 Monate Gefängnis; zwei wurden freige- sprochcn. Die Anklage richtete sich ursprünglich gegen 29 Personen. Das Verfahren wurde aber im Verlaufe der Verhandlungen gegen verschiedene Personen eingestellt. Die Angeklagten, die den verschiedensten Berufen angehörrn, waren beschuldigt, eine geheime Verbindung gebildet zu haben, um bestimmte Bevölke- rungskreise zu bewaffnen und einen Bürgerkrieg zu entfesseln. Die Verhaftungen geschahen im Dezember v. I. im Zusammen hang mit WaffensunLen in einer Düsseldorfer Bahnmeisterei. Die „Organisation Konsul" soll, wie es in der Anklageschrift heißt, der Brigade Ehrhardt ansehören. Sie hatte Schweige pflicht und erstrebte die Aufrichtung einer Monarchie mit einem Volkskaiser. Die Mitglieder waren zum unbedingten Gehor sam verpflichtet und unterstellten sich einer von den Angehörigen der Organisation selbst eingeführten Gerichtsbarkeit. Die Organisation sollte Kampf- und Feldübungen abgehal ten, Waffen besessen und Leute für die Selbstschutzformationen in Oberichlesien geworben und ausgerüstet haben. Die Ange klagten bestritten die gegen sie erhobenen Beschuldigungen, be sonders was das Verhältnis der Organisation zu den Be- satzungstruppen angehe. Sie hätten keinen Konflikt mit diesen beabsichtigt, sondern seien lediglich entschlossen gewesen, bei Un ruhen und kommunistischen Putschen sich der Behörde zur Ver fügung zu stellen. Die Verteidigung der jungen Leute war einem französischen Rechtsanwalt übertragen worden, der im wesentlichen auf die Jugend der Angeklagten als ein entlastendes Moment verwies. Die Zukünftige Wohnungswirtschaft. Verlängerung der Vorschriften in veränderter Form. — Neuer Gesetzentwurf. — Verpflichtung zur Wohnungsabgabe. — Maß nahmen gegen die Raumnot. — Gewerbliche Räume. Bekanntlich verlieren die verschiedenen gesetzlichen Vorschriften, die die Negierung seinerzeit erlassen hat, um dem Wohnungsmaugel wirksam entgegenzutreten, mit dem 31. März ihre gesetzliche Kraft. Bei der gegenwärtig noch unverändert großen Wohnungsnot hält es die Regierung noch nicht sür gegeben, einen Abbau der Wohnungszwangs- wirtschaft vorzunehmen. Wie verlautet, wird vielmehr das Reichsarbeitsministerium demnächst einen Gesetz entwurf einbringen, der die Verlängerung der Vor schriften auch über den 1. April 1922 hinaus herbeiführcn soll. Den Erfahrungen der Praxis entfprechend werden aber voraussichtlich auch eine Reihe von Veränderungen vorgenommen, die teilweise eine ziemliche Verschärfung gegenüber dem früheren Zustande bedeuten. Während nach den bisherigen Bestimmungen die Frage nicht einwandfrei klar war, ob derjenige, der über eine unbenutzte Wohnung verfügt, verpflichtet ist, diese einem ihm vor der Gemeindebehörde zugewiesenen Wohnungssuchenden zu überlassen, legt der neue Entwurf diese Verpflichtung, die den wichtigsten Grundsatz der Wohnungszwangswirtschaft bildet, ausdrücklich fest. Im Falle der Weigerung setzt das Mieteinigungsamt einen Mietvertrag fest, nach dessen Abschluß der Wohnungs suchende im Wege polizeilichen Zwanges in der fraglichen Wohnung untergebracht werden kann. Diente die Zwangs wirtschaft auf dem Gebiete des Wohnungswesens bisher lediglich der Bekämpfung der Wohnungsnot, so sieht die künftige Verordnung wirksame Maßnahmen gegen die Raumnot im allgemeinen vor. Die Beschlagnahmung von gewerblichen und geschäftlichen Räumen ist augenblicklich nur zulässig, soweit sie unmittelbar der Beschaffung von Wohnungen dient. Es hat sich die Notwendigkeit herausgestellt, daß diese Räume in Zukunft erfaßt werden müssen, auch wenn hierdurch nicht mittelbar Wohnräume freigemacht werden. Dadurch soll die Möglichkeit geschaffen werden, neuen Betrieben die erforderlichen Räume zu Beginn des Betriebes zu beschaffen und die Ausdehnung bestehender Betriebe zu fördern. Gleichzeitig erblickt man in dieser Maßnahme auch ein Mittel zur Bekämpfung der Ar beitslosigkeit. Neu sind die Maßnahmen des Ent wurfs zur Sicherstellung von Räumen, die der Unter bringung der mit der Durchführung des Friedensvertrages beauftragten Behörden, vor allem der Angehörigen der Entente ko mm iisi o nen. dienen sollen. Da sich ungela Aarnini ;uyr ericyrocren zurucr. Zwei Minuten später hatte sie von dem Diener vernommen, daß das sremde Mädchen ihre Mutter zu sprechen wünsche, und ganz unbedenklich, in ihrer raschen, liebenswürdigen Art sagte sie: „Natürlich können Sie warten, Fräulein l Bitte, hier —" sie ging voraus nach einem entfernten Zimmer —, „es wird nicht sehr lange dauern; denn der arme Papa erhält eben ein Pulver. Mama meint, er wird dann einschlafen. Er hat ein furchtbares Kopfleiden — geradezu entsetzlich! Und sobald er munter wird, muß Mama bei ihm sein, denn ohne sie kann er nicht eine Minute sein!" Sie sprach freundlich fort, ohne die junge Fremde, die so fein und schön aussah, nach ihrem Namen zu fragen. Bisher war die ganze Unterredung englisch geführt worden. Jetzt rief Angela einem herbeieilenden Stuben mädchen ein paar deutsche Worte zu. Hilda Wentheim wandte sich bei den vertrauten Klängen rasch um. „Ach, Deutsch," sagte sie wie sehnsüchtig; denn außer mit Fritz Wentheim hatte sie in all diesen Jahren ihre Muttersprache nicht gesprochen. Angela hatte die Tür geschlossen, dar Geschrei ver hallte. Dis Geigerin atmete tief auf, wie erlöst. „Ich spreche immer Deutsch, wenn ich jemand dazu finde," sagte sie, ihrem unbekannten Gast einen Sessel anweisend. „Meine Mutter war eine Deutsche, auch meine zweite Mutter stammt von dort. Ich selbst war viel drüben, und mir ist Deutschland eine liebe Heimat ge worden. Ich wollte, ich könnte hinüber, jetzt gleich!" „Ich auch!" Es klang wie ein Echo von den Lippen des blonden Mädchens. Unwillürlich folgten ihre Blicke jetzt denen ihrer Genossin, welche einen verträumten, sehnsüchtigen Ausdruck angenommen hatten. Im nächsten Moment vergaß Hilda alle eingelernte Sitte, alle Zurückhaltung. Mit einem Aufschrei sprang sie empor und hatte gleich darauf eine große Photo graphie von dem Schreibtisch genommen, der an der einen Wand stand. „Georg," sagte sie, so tief erschüttert, daß sie kaum »ie Silben formen konnte. Und dann noch emmcu: „Georg Günther!" „ , Das Bild zeigt« zwei schöne, ernste Köpfe. Ueber den ersten glitten Hildas Augen hinweg, an dem zweiten blieben sie haften. Ja, das war Georg! Gereister, männ licher sah er aus, ernst, weit über seine Jahre. In seinen Augen lag ein stilles Sehnen. Aber es waren nicht mehr die Augen eines Jünglings, sondern treue, tiefe Männer- ONNl'N.
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