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Wilsdruffer Tageblatt : 05.04.1922
- Erscheinungsdatum
- 1922-04-05
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1782027106-192204051
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1782027106-19220405
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1782027106-19220405
- Sammlungen
- LDP: Bestände des Heimatmuseums der Stadt Wilsdruff und des Archivs der Stadt Wilsdruff
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungWilsdruffer Tageblatt
- Jahr1922
- Monat1922-04
- Tag1922-04-05
- Monat1922-04
- Jahr1922
- Titel
- Wilsdruffer Tageblatt : 05.04.1922
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ocm "lüNNMiserreger. Nicht immer ist es leicht, den richtigen Bazillus aufzufindcn, das wissen wir von mensch lichen Krankheiten. Ganz besonders schwer mutz es sein, ihn zu finden, wenn es gar kein Bazillus ist, und vor allem dann, wenn man sich in dem Falle einbildet, es müsse durchaus ein Bazillus sein. Die Krebspest und ihre Erforschung fiel gerade in die Zeit, da alle Welt von Ba zillen sprach. Es galt als ausgemacht und selbstverständ lich, daß hier bei den Krebsen auch ein Bazillus sein Wesen treiben müsse. Infolge ihres Lebens im Schlamm und Unrat sind ja die Krebse mit allerlei Parasiten behaftet, äußeren und inneren, besonders Würmern, aber die kannte man schon und sie waren ungefährlich. Aber ein Bazillus mußte gefunden werden, und siehe da! er fand sich. Er bekam denn auch einen wissenschaftlichen Namen, der „Krebspest-BaziMs" bedeutet, und er würde nun in alle Ewigkeit eigentlich diesen Namen tragen müssen, obwohl er es gar nicht gewesen ist. Dieser Bazillus, an dem man mm herzhaft herumdokterte, machte sich sehr störend be merkbar. Man fand ihn an kranken und gesunden Kreb sen, man konnte ihn auf andere übertragen, und diese er krankten dann oder manchmal auch nicht — jedenfalls stand aber die Arbeit an dem unglücklichen Bazillus der Er forschung dauernd im Wege. Man hatte den falschen Ver brecher erwischt, und den richtigen ließ man lausen. Jetzt hat sich inzwischen herausgestellt, daß der sogenannte Krebspest-Bazillus nicht nur kein Erreger der Krebspest, sondern überhaupt keine einheitliche Art ist: man kann ihn also glücklicherweise wieder streichen. Der richtige Krebspest-Erreger ist ein Fadenpilz, der ^pkanom^oos genannt wird. Man hatte ihn schon ost unter dem Mikroflop gehabt, und er ist viel leichter aufzusinden als ein Bazillus. Ein Volksschullehrer in Berlin, Friedrich Schikora, der in seinen Mußestunden an der Tierärztlichen Hochschule Studien macht, hat das jetzt endgültig festge stellt. Der genannte Fadenpilz findet sich stets an kranken Krebsen, er fehlt bei gesunden, man kann ihn von kranken auf gesunde überimpfen ustv. Jetzt ist, wie bemerkt, die Krebs pest bei uns glück licherweise ziemlich erloschen, so daß die Entdeckung des Erregers eigentlich nur noch theoretischen Wert hat. Sie ist immerhin für die Zukunft wichtig und außerdem ein in teressanter Beitrag zur Geschichte der menschlichen Irr tümer. 'v K. M. Welt» und Volkswirtschaft. Was kosten fremde Werte? i Die nachstehende Tabelle besagt, wieviel Mark für IM dulden IÜÜ dänische, schwedische, norwegische, österreichische, ungarische oder tschechische Kronen, 100 schweizerische, belgische und französische Frank, 100 italienische Lire, sowie für 1 Dollar und 1 Pfund Sterling gezahlt wurden. („Brief"--angeboten; „Geld"----gesucht.) Börsenplätze Geld 4. «rief ll. Geld 4 «rief Stand t.8 14 Dollond. . . Guld. 12134,81 12166.20 11086,10 11113,90 170 Mk. Dänemark. . Kron. 6768,80 6783,60 6232,20 6247,80 112 , Schweden. . Kron. 8339.55 83 MW 7710.35 7729,65 112 , Norwegen . Kron. 5742.88 6787,20 5238.48 5246,55 112 , Schweiz. . . Frank 6902.60 59l7,10 72 , Amerika. . . Doll. 319,60 321.40 297,62 298,38 4,40, England. . . Pfd. 1405.70 1409,30 1299,85 1303,15 20,20. Frankreich. . Frank _ — — 2736,56 2743,45 80 . Belgien .. . Frank 2691,60 2698,40 2516,85 2523,15 80 . Italien ... Lire 1678.40 1679.60 1548,05 1551,95 80 . Dt.-Osterr. , Kron. 4,25 V- 4,29 V- 3,93 3,97 85 . Ungarn . . . Kro». 36,95 37,06 34,75 34,85 86 . Tschechien . i Kro». Berlin, 3. A 603,70 orll. « 610,30 Stand 555,30 der vo 556,70 Nil chen Mark.) Polenmark an der beutiaen Botte mit 8.10 M. bewertet. bleueste Meldungen. Im Dienst der Wohltätigkeit gestorben. Berlin. Die deutsche Hilse in Rußland hat abermals ein Opfer zu beklagen. Der Leiter des deutschen Krankenhauses in Tiflis Dr. Merzweiler ist am 21. März an Flecktyphus ge storben. Die Leitung des Krankenhauses hat bis auf weiteres Dr. Mann übernommen. Für und gegen das Umlagcverfahrcn. Oldenbnra. An einer auf Einladung des Oldenburgischen Landbundes veranstalteten Versammlung wurde eine Entschließung angenommen, in der die zu Oldenburg versammelten Landwirte' jedes Umlageversahren ablehnen. Die Landwirte erklären sich bereit, alle irgendwie absehbaren Pro dukte der Bevölkerung zu Marktpreisen zur Verfügung zu stell- len und darüber hinaus auch den Minderbemittelten durch ver billigte Lieserung entgegenzukommen. Die Verbraucherorgani sationen forderten gleichzeitig in einer Entschließung von den maßgebenden Behörden, alles zu tun, um der unbe rechtigten Preistreiberei ein Ende zu bereiten. Als Mindest forderung müsse das Umlageverfahren für Brotgetreide und Kartoffeln durchgesetzt werden. Wiedfeldts Nachfolger bei Krupp. Stuttgart. Ministerialdirektor Schaffe bei der württem- bergischen Gesandtschaft in Berlin übernimmt vorübergehend die Vertretung des zum Botschafter in Washington ernannten Geheimrats Dr. WiedfSldt beim Direktorium der Krupp-Werke. Die polnische Hetze in Oberschlesien. Kattowitz. Entgegen polnischen Blättermeldungen, daß aus dem Ratiborer Bahnhof 13 Eisenbahnwagen mit Waffen und Munition beschlagnahmt worden seien, die für die „Organisa tion" bestimmt gewesen wären, hat sich herausgestellt, daß es sich nm eine Waffensendung an die rumänische Regierung han delt, die nicht beschlagnahmt, sondern nach Prüfung der Papiere weiter befördert wurde. Karl von Habsburg soll in Wien beigesetzt werden. Wien. Aller Voraussicht nach wird entgegen anderen Nachrichten die Leiche des Exkaisers Karl von Habsburg nach Wien überführt werden, um in der Äapuzinergruft beigesetzt zu werden. Der Exkaiser hat bereits genau den Platz bezeichnet, wo sein Sarg stehen soll. Die österreichische Neuerung wird keine Schwierigkeiten in den Weg legen. Es ist jedoch fraglich, ob sie es gestatten wird, daß die übrigen Mitglieder des öster reichischen Kaiserhauses 'an der Zeremonie teilnehmen, und daß das Leichenbegängnis in den üblichen Formen der spani schen Etikette durchgeführt wird. Der Bergarbeiterstreik in Amerika. Newyork. Im Zentralbureau der streikenden Bergarbeiter wird die Zahl der ausständigen Bergleute mit 483 000 ange geben. 19 000 Arbeiter sind zur Bedienung der Pumpen und anderen wichtigen Maschinen aus den Gruben geblieben. Im Streikgebiet wird die Ordnung von Truppen ausrechterhallen. Auch Kanada ist von dem Streit bedroht. In einigen Gruben sind die Radikalen bereits in den Streik getreten. Ans Stadt und Land. mma «»drUi «IM« »t- i»»« oU»«««. Wilsdruff, am 4. April. — Keine Einführung der Sommerzeit i:' land. Aus dem Reichsoerkehrsministerium erfährt man, daß man dort die Einführung der Sommerzeit in diesem Jahre nicht plant. Die Umstellung des Verkehrs wäre jetzt schon zeitlich nicht mehr möglich. Die angeregte Einführung der Sommerzeit in Deutschland hat also unter diesen Umständen wenig Aussicht auf Durchführung. — Die Erhöhung des Brotpreises im August. Die Zuschüsse dis Reiches für die Verbilligung des Brot getreides werden sich im Wirtschaftsjahr 1921/22 (August 1921 bis August 1922) auf 10595 500000 Mk. belaufen. Diese Zuschüsse fallen im August fort. Die 10*/, Milli arden Mk. sind im kommenden Wirtschaftsjahre also von den Konsumenten selbst zu tragen, dazu kommen noch die fortschreitende Geldentwertung und die ständig wachsenden Betriebskosten. Vom August ist also mit einem Brotpretse von 30 Mk. für ein Vierpfundbrot zu rechnen. — Die baldige Versorgung mit Kartoffeln bildet das Hauptaugenmerk des ErnährungS- und Verkehrs ministeriums. Nach dem Eintritt wärmeren Wetters soll der Kartoffeltransport sofort durch besondere Kartoffelzüge ausgenommen werden. Kartoffeltransporte erhalten Vor rang bei der Abfertigung. Die Regierung erwägt, für Kartoffeln einen AuSnahmegülertarif für ein halbes Jahr in Kraft treten zu lasten. — „Auf Leben und Tod", der 2. Teil des großen amerikanischen Sensationsfilms „Goliath Armstrung' kommt morgen Mittwoch in den Lindenschlößchen-Lichtspielen zur Vorführung. Hochdramatische Szenen und überaus span nende Momente zeichnen besonders diesen Teil aus. — Die Gewinnliste der vierten Heimatdank- Lotterie ist erschienen und kann von Interessenten in unserer Geschäftsstelle eingesehen werden. — Der Landesausschuß des sächsischen Handwerks hält seine diesjährige Hauptversammlung Freitag in Dresden ab. Auf der Tagesordnung steht u. a. die Bildung einer BezirkSstelle deS Forschungsinstituts für rationelle Betriebsführung im Handwerk beim Landesausschuß. — „Wo bleibt der Zucker"? Der Leipziger Verband des Einzelhandels schreibt den „L. N. N.": Die Tatsache, daß der Zucker knapp ist, ist allgemein bekannt. Jedoch scheint viel weniger bekannt zu sein, wo die Ursache für diese Knappheit zu suchen ist, sonst könnte nicht in den ver schiedensten Zeitungsnotizen stets nur behauptet werden, daß der Einzelhandel den Zucker zurückhalte, um etwaige kommende Preissteigerungen nutzbringend für sich zu ver wenden. In Wahrheit verhält es sich mit der Zucker knappheit so, daß die Zuckerfabriken durch gesetzliche Vor- schriften angehalten sind, für jeden Monat nur bestimmte Mengen von Zucker für den Konsum frei zu machen, da große Mengen des Zuckers ins Ausland infolge der Reparationsoerpflichtungen geliefert werden wüsten. Es ist daher die Zuckerknappheit nicht hervorgerufen durch irgendwelche besonderen „Machenschaften" des Handels, sondern lediglich durch den Druck der schweren wirtschaft lichen Verpflichtungen, die das Ausland unS auferlegt hat. — Die sächsischen Redakteure zur Notlage der Zeitungen. Die Not der Presse bildete einen Gegenstand der Beratungen des Landesverbandes der Sächsischen Presse auf seiner am Sonntag in Dresden tagenden Hauptversammlung. Die Aussprache fand ihren Abschluß in folgender einstimmig angenommener Entschließung: Der Landesverband der Sächsischen Presse, milbetroffen durch dir allgemein anerkannte Notlage der Zeitungen, erhebt schärfsten Einspruch gegen die Preisdiklatur der Papiersyndikate und gegen die unverantwortliche Stellung nahme der Reichsbehörden gegenüber diesem Zustande. Die Folgen dieser Notlage berühren nicht nur die Zeitungsbetriebe im allgemeinen, sondern ganz im besonderen die ideellen und materiellen Interessen der Schriftleiter und der freien Schriftsteller, deren Schicksal mit der Existenzfähigkeit der Zeitungen aufs engste verknüpft ist. — Teures Holz. Teuer wurde das Holz, das im Stadtwalde in Grimma und im Forstrevier Nimbschen versteigert wurde. In Grimma waren, »so berichtet die Meißner Volksztg., es Arbeiter, in Nimbschen in der Haupt sache Bauern, die die Preise in die Höhe trieben. So ging der Meter Scheite im Stadtwalde nicht unter 350 Mk. weg und wurde bis über 400 Mk. gesteigert, und für den Langhaufen wurde ebenfalls der unerhörte Preis von 400 bis 500 Mk. gewählt. Ebenso teuer wurden die Stöcke. Ein großer Buchenstock erzielte den Preis von KOO Mk. Im Nimbschner Revier wurde der Preis für zehn kleinere Fichtenstöcke bis auf 160 Mk. getrieben. Früher bezahlte man 2 Mk. für solche Stöcke. Die Förster selbst schüttelten die Köpfe über das unsinnige Hochtreiben der Preise durch die Bieter. — Regimentstag und Devkmalsweihe der 107er. Die Opferwilligkeit der Hinterbliebenen gefallener 107 er und der überlebenden ehemaligen Regimentsangehörigen des aktiven, Res.- und Landw.-Regts. 107 hat den Bau eines Denkmals ermöglicht, das eine künstlerische Zierde des schönen Heldenhainss auf dem Südfriedhof in Leipzig darstellen wird. Der Tag der Einweihung dieses Ehren males soll die Kameraden der drei Regimenter zu einem großen Wiedersehensfest in den Mauern Leipzigs ver einigen. Aus diesem Grunde ist für den e. und 7. Mai d. I. ein gemeinschaftlicher Regimentstag geplant, in dessen Mittelpunkt die Denkmalsweihe am Sonntag den 7. Mai, vormittags 11 Uhr, auf dem Südfriedhof steht. — Ein Ausfuhrverbot für Spitzen und Stickereien den Rücken wandte und etwas murmelte, was kein. Schmeichelei war. Felicie selbst schien nicht sonderlich zufrieden über die Auszeichnung, so sehr Holm sich auch darüber freute. „Ich habe die Empfindung, als wenn ich im letzten Mt versagen werde," meinte sie kleinlaut. „Sei kein Kind!" schalt Winfried verstimmt. „Ich begreife Dich überhaupt nicht. Du solltest Sigrid dank bar sein. Anstatt dessen — „Sei mir nicht böse, Liebster!" schmeichelte sie. „Aber ich glaube, ich bin zu glücklich, um eine Unglückliche, Verzweifelte, wahrheitsgetreu darzustellen." Er lachte, halb stolz, halb ärgerlich. O, wie recht hatte damals die kluge Sigrid gehabt. So glücklich bist Du, Lich?" Da flog sie mit ausgebreiteten Armen auf ihn zu und fchmiegte das feine Köpfchen, für das die lockige Fülle dunklen Haares fast zu schwer erschien, an seine Brust. — Und unter Stammeln und Erröten flüsterte sie ihm ins Ohr, was er bisher noch nicht wußte und was doch ihrem Glück erst die Krone aufsetzen sollte — Er war zuerst mehr erstaunt als erfreut. Daran hatte er noch kaum gedacht. Erst als sie ihn vorwurfs voll fragte, ob er denn gar nicht froh darüber sei, riß cr sich zusammen. „Aber natürlich, Lich. Wie kannst Du nur fragen!" Und er küßte das liebreizende Lockenköpfchen an seiner Brust und streichelte die glühenden Wangen und nannte w"9es Weib mit all den Kosenamen, die nur ein verliebter Ehemann zu ersinnen weiß. „Fühle, wie mein Herz pocht!" flüsterte sie, unter Tranen lächelnd. „Es klopft nur aus Liebe, aus Liebe zu Dir, niem Einzig-Teurer. O Gott, wenn Du mich jemals enttäuschen könntest! Ich würde wahnsinnig!" Jetzt lächelte auch er. " „Unsinn, Närrchen! Ich spüre nicht die geringste Lust, mein Weibchen zu enttäuschen." „Äber viele Männer tun es doch — namentlich viele Kunstler!" „Was gehen uns andere an, Schatz! Für mich, gibt cs nur eine Frau auf der Welt — und das bist Du'" „Und Sigrid Arnoldsen? Du machst Dir nichts'aus ihr?" — Zum erstenmal, daß Felicie dies Thema berührte. Ein Schatten huschte über Winfrieds soeben noch so heitere Stirn. „Nicht in dem Sinne, wie Du es meinst, mein klei nes. Dummchen. Sigrid ist meine, nein, unsere liebe Freundin. Ich schätze und verehre sie hoch — nichts weiter. Und nun bitte ich Dich ernstlich, diese Frage ein für allemal abgetan sein zu lassen. Du wirst mich sonst böse machen . . . Hole Deine Briefe von der Poft, Lich, und dann komm 'zur Probe!" Felicie war vollkommen befriedigt. Schnell setzte sie ihren Hut aus, streifte die Handschuhe über und lief nach dem in der Nähe befindlichen Postamt. Gleich darauf hielt sie einen Brief von ihrer Mutter in der Hand. Briefe von der Mutter waren keine Seltenheit für Felicie. Warum zögerte sie diesmal, ihn zu öffnen? Warum beschlich sie beim Anblick der wohlbekannten Schriftzüge ein eigenes Angstgefühl? Vielleicht, weil die Adresse etwas zitterig geschrieben war — wie in großer Erregung, oder in einem Anfall von Schwäche... Unschlüssig drehte sie den Bries ein paarmal hin und her. Dann öffnete sie zaghaft den Umschlag. Der Inhalt war auffallend kurz — ganz im Gegensatz zu den sonst recht weitschweifigen Auslassungen der Schreiberin. Mit einem Blick überflog Felicie die wenigen Zeilen. Tiefs Blässe überzog ihre Wangen. Ihre Pupillen verkleinerten sich. Aufseufzend zerknitterte sie den Brief Und schob ihn in die Tasche. Großer Gott! Was tun? Was tun? Sie schloß die Augen, um besser nachdenken zu kön nen. — Dann riß sie ein Depeschenformular vom Haken, schrieb Hastig ein paar Zeilen darauf und schob es mit zitternder Hand durchs Schaltersenster. Der Beamte zählte die Worte. Felicie zahlte die gewünschte Taxe Und verließ in fieberhafter Hast das Postamt. Die 'prooe halte schon begonnen, als sie die Bühne betrat. Direktor Tauscher, der selten aus seiner Ruhe zu bringen war, zeigte heute entschieden schlechte Laune. Die Probe hatte unterbrochen werden müssen, weil die Darstellerin des „Gretchen" nickst da war. „Na endlich, Frau Holm! Ein bischen schnell doch! Sie halten die ganze Probe auf!" Felicie zitterte am ganzen Körper. Unter dem Vor- geben, noch etwas Notwendiges holen zu müssen, eilte sie in ihre Garderobe, wo sie halb ohnmächtig auf einen Stuhl sank und aufschluchzend das Gesicht mit beiden Händen bedeckte. Rosa Picklhuber, eine von Felicies Feindinnen, steckte den Kopf durch die Türfpalte. „Aha!" murmelte sie mit höhnischem Herabzichen der Mundwinkel, und verschwand eiligst wieder. ..Schnell, Frau Solin!" erschallte die Stirmne des Inspizienten hinter'der Tür.' „Der Herr Direktor ist wütend. Sie verderben die ganze Probe!" Felicie riß sich mit Gewalt hoch. Hastig hauchte sie aus ihr Taschentuch und betupfte sich damit die heißen Augen. Doch konnte sie es nicht hindern, daß bei ihrem Betreten der Bühne jedermann die Nöte ihrer Wangen und Augenlider bemerkte. „Armes Ding!" wisperte die „Hopfenstange", die heute das Bärbchen gab, mit heuchlerischem Augenverdrehen der „komischen Alten" ins Ohr. „Wie sie mich dauert! Hat ihren hübschen Mann nicht fest genug an der Strippe gehalten! Selbst ein Blinder muß sehen, wo sein Herz —" „Halt' den Mund, Gelbschnabel!" erwiderte „unsere Dicke" mit der ihr eigenen Derbheit, während ihre kleinen, blaßblauen Aeuglein ärgerlich ausleuchteten. „Holm, wollten Sie nicht mit.Ihrer Frau sprechen?" Winfried, der als „Faust" am andern Ende der Bühne beschäftigt war, eilte herbei. Auch ihm siel sofort Fe licies verstörtes Aussehen auf. „Ist Dir nicht Wohl, Lich?" fragte er besorgt, sie bei seite nehmend. ,/O doch; nur — ich — ich erwarte heute abend meine Mutter." ^,,Deine Mutter? Heute abend? Ums Himmels willen — was will sie denn von Dir?" „Sie will mich durchaus sprechen. Es wäre drin gend. So telegraphierte ich ihr unsere Adresse." .„Aber Lich, Du hast heute abend keine Zeit für Deine Mutter! Bedenke — die Abschiedsvorstellung! Du mußt Dich für Deine Rolle vorbereiten!" Nervös zuckte Felicie mit den Schultern. „Es Hilst alles nichts — ich mutz sie sprechen. Ich werde schon pünktlich zur Vorstellung da sein . . . Nun geh', Liebster! Beachte mich nicht weiter! Tu' mir den Gefallen!" Mit schwerem Herzen betrat Holm wieder die Bühne. Seine Frau kam ihm heute so seltsam vor. Sollte das etwa schon mit der ihm vorhin von ihr gemachten Eröffnung zusammenhängen? Felicie haspelte ihre Partie gleichgültig herunter — ohne Verständnis, ohne Empfindung. Einmal verlor fte, sogar ganz den Faden, sodaß sie sich eine ernstliche Rüge vonseiten des Direktors zuzog. Holm war in Verzweiflung. Selbst Sigrid blickte be sorgt darein. „Ihre Frau wird sich ihre ganze Karriere verder ben, wenn sie sich nicht aufrafft," bemerkte sie miß- billmend.
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