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Wilsdruffer Tageblatt : 09.05.1922
- Erscheinungsdatum
- 1922-05-09
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1782027106-192205096
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1782027106-19220509
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1782027106-19220509
- Sammlungen
- LDP: Bestände des Heimatmuseums der Stadt Wilsdruff und des Archivs der Stadt Wilsdruff
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungWilsdruffer Tageblatt
- Jahr1922
- Monat1922-05
- Tag1922-05-09
- Monat1922-05
- Jahr1922
- Titel
- Wilsdruffer Tageblatt : 09.05.1922
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Kälterücksätle im Mai. Die gefürchteten drei „Eismänner*. Zu einer der merkwürdigsten Witterungserscheinungen gehören die Kälterückfälle im Mai, wie wir sie auch dies mal in der ersten Maiwoche erlebt haben und im weiteren Verlauf des Monats wahrscheinlich noch mehr als einmal erleben werden, ja, wenn die Wetterpropheten recht be halten, sogar todsicher erleben sollen. Diese unheimlichen Weissager behaupten nämlich, daß die diesjährige Kälte periode bis über die Mitte des Monats hinaus, vielleicht sogar bis zum Monatsende dauern und nur sporadisch durch ein paar bessere Tage unterbrochen werden werde. Was die Wettermacher sagen, trifft nun zwar glück licherweise nicht immer zu, und sie werden durch die Natur, die ihre eigenen Wege zu gehen pflegt, mehr als einmal schmählich blamiert und dementiert, aber was den Sonder fall des Monats Mai angeht, so sind ihre auf Erfahrun gen gestützten Prophezeiungen nicht ganz von der Hand zu weisen, und man wußte schon in längst vergangenen Zeiten, daß der Mai es gründlich in sich habe, und daß nur so verstiegene Leutchen, wie es Dichter und Verliebte sind, ihn als restlos „wunderschönen Monat" abstempeln konnten. Das Erinnerungsvermögen der Menschen ist nur schwach, sonst würden wir es nicht alle Jahre wieder er leben, daß alle unsere Brüder und Schwestern — und wir selbst natürlich mit — sich so furchtbar über die Maifröste wundern und sie voll Entrüstung für etwas Unerhörtes und Ungewöhnliches erklären. Daß sie durchaus keine Un regelmäßigkeit darstellen, wird schon dadurch bewiesen, daß sich die gelehrtesten Meteorologen mit ihnen beschäftigt und sie zu erklären versucht haben. Wir können uns diese Erklärungen ruhig schenken, da wir sie erstens, weil sie einige tiefgründige Kenntnisse vorausfetzen, zum größten Teil nicht verstehen dürften, und da sie, wie sich das bei Gelehrten von selbst versteht, einander oft diametral ent gegengesetzt sind, so daß sich kein vernünftiger Laie darin auskennt. Für besonders neugierige Menschenkinder sei nur angedeutet, daß bei der Erklärung der Maikühle vaga bundierende Eisberge, Meteorschwärme, die in raffinierter Weise das bißchen Sonnenwärme auffangen, Lichtströme, die, je nach Temperament, bald fo, bald so wirken, und ähnliche verzwickte Phänomene eine wichtige Rolle spielen. Als besonders gefährliche Maizeiten gelten, wie be kannt, in Norddeutschland und den Niederlanden die Tage vom 11. bis zum 13. Mai mit den Kalenderheiligen Ma mertus, Pankratius und Servatius. In Süddeutschland steht einzig und allein Mamertus in besserem Ruf; statt seiner wird Bonifazius, der Schutzpatron des 14. Mai, als Eismann angesehen. Alle vier zusammen heißen die „gestrengen Herren", und wenn sie sich, was ja auch vor kommt, einmal gnädig erweisen und die vier Tage, an denen sie zu gebieten haben, wie zum Schabernack extra schön werden lassen, sind abergläubische Menschen derart verblüfft, daß sie an dem ganzen Mai keinen Spatz mehr haben. Die Kälterücksälle des Mai sind übrigens nicht die einzigen ihrer Art. Es zeigen sich gleiche Erscheinungen schon im April und auch später noch im Juni. In beiden Monaten fallen sie aber nicht so auf, wie gerade im Mai. Im April sitzt das junge Grün noch in den schützenden Hüllen der Laubknospen und im Juni ist die Vegetation schon so widerstandfähig geworden, datz ihr ein Tempe raturrückgang nicht mehr viel anhaben kann. Dagegen stehen zur Eismännerzeit die Bäume gewöhnlich im zar testen Blätterschmuck. Die Vegetation ist darum jetzt am empfindlichsten, und jeder Eingriff bringt ihr die ernsteste Schädigung. Die Furcht vor den Maifrösten drückt sich lebhaft in den verschiedenen Bezeichnungen und Redensarten aus, mit denen man ihrer Erwähnung tut. In den Rheinlanden nennt man sie „Weinverderber", im Saaletal „Weindiebe" In der Eifel heitzt es: „Wer seine Schafe schert vor Servaz, dem ist die Wolle lieber als das Schaf." Die Tschechen haben aus den Anfangssilben von Pankratius, Servatius und Bonifazius das Wort „?ao Zerdnni" ge bildet und sagen: „?ao 8orboni verbrennt alle Bäume." Sie wollen damit andeuten, datz man beim Auftreten der Maifröste wieder kräftig einheizen mutz. M. S. Oie Münchener preffeiagung. Ein Begrüßungstelegramm des Reichspräsidenten. g. München, 6. Mai. Die Tagung des Neichsverbandes der deutschen Presse ist heute vormittag mit einem offiziellen Begrüßungsakt im Saale des Münchener Justizpalastes durch de» Vorsitzen den des Landesverbandes der bayerischen Presse, Schrift leiter Kajetan Freund, eröffnet worden. Der Mi nisterpräsident Graf Lerchenfeld sprach einige Worte des Willkommens. Unter Anspielung auf die allegorischen Malereien des Festraumes stellte er Justitia mit der Binde vor den Augen dem alles erspähenden Argus gegenüber, um die beiden gehüteten Güter, Recht und öffentliche Mei nung, zusammenzuführen und der Tagung einen guten Erfolg zu wünschen. Der Reichspräsident hat an den Reichsverband nach stehendes Begrüßungstelegramm gerichtet: „Dem ReichsverLaud der Deutschem Presse, der sich in einer Zeit großerpolitischerSpannung und wichtiger Geschehnisse in München zu seiner Tagung versammelt hat, übersende ich herzliche Grüße. Ich wünsche, Laß die Be ratungen und Arbeiten des Reichsverbandes dazu beitragen, die schwierige wirtschaftliche Lage Deutschlands zu bessern, und hoffe, daß die deutsche Presse als wichtiger Faktor unseres öffentlichen Lebens auch weiterhin für Lösung der uns so schwer bedrückenden wirtschaftlichen und po litischen Schwierigkeiten und für den Wiederaufbau unseres Vaterlandes ihre besten Kräfte einsetzen wird." Nach Verlesung dieses Telegramms, das mit großem Beifall ausgenommen wurde, trat man im Schwurgerichts saal in die Geschäftsberatung ein. Nach einer Eröffnungs ansprache des bisherigen ersten Vorsitzenden Rippler wurden der Geschäftsbericht und der Kassenbericht erstattet. Man schritt dann zur Vorstandswahl. Zum ersten Vor sitzenden wurde Baecker- Berlin gewählt. Die Zahl der erschienenen Delegierten übersteigt alle Erwartungen. Neueste Meldungen. Bor der Übergabe Oberschlesiens. Breslau. In Oppeln fand unter dem Vorsitz des Generals Le Nond eine Sitzung der Mitglieder der Interalliierten Kom mission mit dem deutschen Bevollmächtigten für die Übergabe verhandlungen Dr. Eckardt und dem polnischen Bevollmächtig ten Kriegs-Minister Dr. Seydor statt. Die Besprechungen galten der Festlegung der Einzelheiten für die Übergabe Oberschlesiens an die deutschen und polnischen Behörden, der Räumung Ober schlesiens durch die interalliierten Truppen, der Art der Über gabe deutschen Staatseigentums und der Ersetzung deutscher Beamten Lurch polnische. Frankreichs Vorbereitungen am Rhein. Frantfurt a. M. Die Franzosen haben in dem Brücken kopf Mainz besondere Truppenformationen vorgeschoben. Drei Batterien schwere Artillerie mit weittragenden Geschützen sind in Richtung auf Frankfurt und Darmstadt nach Osten vorge schoben worden. Drohende Massenentlassungen im Saargebiet. Saarbrücken. Im Saarbergbau ist eine schwere Krise aus- gebrochen. Es sollen angeblich wegen Absatzmangels mehrere tausend Bergleute entlassen werden. Die Verhandlungen wer den nsch sortge setzt. Außerdem hat die Reaierungskommission beschlossen, 1102 Eisenbahnarbeiter zu entlassen und 78 Be amtenstellen aufzuheben. Vor Pariser Neparationsberatungen. Paris. Die von den Pariser Morgenblättern veröffent lichten Meldungen aus Berlin und Frankfurt, nach denen Reichssinanzminister Dr. Hermes im Laufe der nächsten Woche zum persönlichen Meinungsaustausch mit Mitgliedern des Wiedergutmachungsausschusses nach Paris kommen Werde, werden hier als günstiges Zeichen betrachtet. Man sieht dar aus, daß in den Besprechungen Bergmanns mit einzelnen Mit- " " Grundlage sür weitere Verhand- Eigentum in Amerika. Newyork. Die Frage des deutschen Eigentums in den Vereinigten Staaten scheint jetzt allmählich in Fluß zu kom men. Es soll eine Kommission zur Prüfung der Ansprüche deutscher Staatsangehöriger in den Vereinigten Staaten und amerikanischer Ansprüche an Deutschland gebildet werden. In den Geschäftsbereich dieser Kommission dürste auch die Rege lung der aus dem „Lusttania"-Fall sich ergebenen amerikani« schen Schadenersatzansprüche einbezoaen werden. guoocrn vcs '.-ruslryuues s lui'.acn aefunden wurde Das deutsche Ans Stadt und Land. Wilsdruff, am 8. Mai. — Baumblutfonntag. Einer kalten Mondscheinnacht folgte ein strahlender Sonntagmorgen und dieser schon weckte mit den aufsteigenden Glockenklängen reiches Leben. Meisen und Rot kehlchen versuchten die ewig alten und immer wieder neuen Lieder — und einsam und inbrünstig klang irgendwoher ein Amselsang. Da zogen sie hinaus, die Jungen, frei wie die Ferne und ungestillt und unersüllt wie die Lust, die Sonne trinkt und nicht satt wird zu trinken. Bunte Bänder flatterten wie Lieder von den Lauten. Lachen lebte darinnen und drängender Ueber- mut. Tausende wanderten hinaus in die Baumblut, durch das herrliche Saubachtal, durchs Prinzental, nach Huhndorf, Klein- fchönberg, Weistropp, wo überall Kirschen und Birnen in über wältigender Schönheit blühen. Die bekannten Ausflugsorte, Neudeck-, Prinzen-, Klippermühle und wie sie noch alle heißen, waren zeitweise überfüllt; mit manchmal etwas reichlicher Ge duld wurde aber schließlich wohl jeder zufriedengestellt, war's nicht hier, so irgendwo anders. Das muhte insonderheit auch ein unbekannter Gesangverein erfahren, der schließlich im Gast hof Sachsdorf gastliches Unterkommen fand. Und als die Mond scheibe unter flimmernden Sternen schwamm und die letzten silbernen Mücken spielten, summte es weiter von Waldesrauschen und den Liedern der Heimkehrenden. — Die Kartoffelversorgung. Die Nachrichtenstelle des Ministeriums schreibt: Das sächsische Wirtschastsministerium ist seit langem bemüht, die sächsische Regierung zur Einführung eines Umlageverfahrens für die Kartoffelversorgung im nächsten Ver sorgungsjahr zu veranlassen. Es befindet sich dabei in Gemein schaft noch einiger anderer Bundesstaaten. Nach dem augen blicklichen Stand der Dinge scheint die Reichsregierung jedoch nicht die Absicht zu haben, diese im Interesse der versorgungs berechtigten Bevölkerung liegende Maßnahme zu treffen. Land wirtschaftliche Kreise behaupten sogar, daß selbst die Verbraucher kreise sich gegen eine Umlage gewandt hätten. Diese Dar stellung ist falsch. Der große Konsumverein für Dresden und Umgebung, der rund 90 000 Familien zu versorgen hat, hat jetzt dem sächsischen Wirtschaftsministerium mitgeteilt, daß er in ent schiedenster Weise und ganz energisch gegen die Stellungnahme der Reichsregierung in Sachen des Umlageverfahrens für Kar toffeln protestiert. Die Generalversammlung des genannten Konsumvereins ersuchte die sächsische Regierung nochmals dringend, ihre Vertreter bei der Reichsregierung anzuweisen, erneut wegen Einführung des Umlageverfahrens für Kartoffeln vorstellig zu werden. — Das Wirtschastsministerium teilt dazu mit, daß es bereits gemeinschaftlich mit Braunschweig in der geforderten Weise bei der Reichsregierung vorgegangen sei. Sachsen wird außerdem beim Reiche die baldige Einberufung einer Ernährungsministerkonferenz, in der die Einführung der Getreide- und Kartoffelumlage sür das nächste Versorgungs jahr auf der Tagesordnung stehen soll, beantragen. — Kirchenkonzert. Sonntag, den 14. Mai, wird abends 5 Uhr in hiesiger Kirche eine geistliche Musikaufführung statt finden, bei welcher Herr Pfarrer Wolke eine kurze Ansprache hält. Die Aufführung veranstalten die Dresdner Konzertsängerin Frau Marie Wiedemann, die Geigerin Frl. Emmy Kremz und unser Oberlehrer Kantor Hientzsch. Frau Marie Wiedemann ist infolge des furchtbaren Krieges genötigt, ihrer Familie den Lebensunterhalt zu schaffen, und das ist, wie fattsam bekannt, für die Kunst jetzt doppelt schwer. Frau Wiedemann hat schon in vielen Kirchen des Landes gesungen. Hier wird sie Joh. Sebast. Bach, Händel und Reger zu uns sprechen lassen, während Frl. Kremz Beethoven, Mozart und in der Bacharie „Ja Tausendmal Tausend" die obligate Violine ertönen lassen wird. Herr Kantor Hientzsch.wird mit Merkels D-moll-Fantasie op. 17b, einer Ele gie von Watzek und einem Bach-Präludium und -Fuge auf warten. Eine geistliche Musikaufführung ist auch ein Gottes dienst. Alle unsere Mitbürger und die Bewohner der Um gegend sind zu dieser Istündigen Veranstaltung herzlichst geladen. — Neue Aufsichtsbehörde über den Elektrizitätsverband Gröba. Die Kreishauptmannschaft Dresden bestimmt: Die bis her der Amtshauptmannschft Großenhain übertragen gewesene Aufsichtsführung über den Elektrizitätsverband Gröba wird von jetzt ab von der Kreishauptmannschaft Dresden ausgeführt. — Verkehrstruppen-Gedächtnistag in Dresden. Erfüllt von vaterländischem Geiste und getragen von dem Gefühl Herz- „Wem nie durch Liede Leid geschah.. Roman von Erich Friesen. 40s (Nachdruck verboten.) Lächelnd winkte Felicie ab. Sie hatte sich mit ihrem Kinde auf die Chaiselongue gelegt und ließ es mit ihren Locken spielen. Das Mädchen brachte es nicht übers Herz, die Mutter von ihrem Kinde zu trennen und zog sich wieder zurück. Nack einiger Zeit hörte Felicie draußen die Tür gehen. Und gleich daraus der Mutter Stimme: „Schläft das Kind?" „Za, Frau Giesecke," erwiderte die Stimme des Mäd chens, zwar etwas kleinlaut — aber Frau Giesecke, die nie eine scharfe Beobachterin war, schien nichts zu merken. „Ich muß gleich nochmal fort," ließ sich wieder Frau Gieseckes Stimme vernehmen. „Ich habe noch eine Masse zu besorgen. Walterchens neue Hemdchen sollen heute fertig sein — und Walterchens neues Kleidchen — und Walterchens gestrickte Schühchen — — wenn ich zu Mittag noch nicht zurück sein sollte — Sie sollen mit dem Essen nicht auf mich warten. Hören Sie, Anna?" Das Mädchen bejahte. Und die Schritte da draußen vor Ler Tür entfernten sich wieder. Und wieder steckte das Mädchen den Kopf herein. „Jetzt müssen Sie aber gehen. Die Großmutter war schon da — ich hatte solche Angst zum Glück ist sie wieder gegangen! Wenn aber Fräulein Arnoldsen aus der Probe nach Hause kommt — und Herr Holm —" «Tann bin ich längst fort!" winkte Felicie ab. Sie griff in ihr Portemonnaie und nahm zwei Markstücke heraus. „Hier! Für Ihre Freundlichkeit! Nun lassen Sie mich noch ein bischen allein mit meinem Kinde, ja?" Widerwillig zog sich das Mädchen aufs neue zurück. Sie wußte, sie tat unrecht. Aber die arme Mutter da drinnen tat ihr so sehr leid und die zwei Marl taten auch noch ihr Teil So ging sie in die Küche und machte sich, ans Kochen. Und vergaß dabei ganz Mutter und Kind nebenan. Und Felicie vergaß das Fortgehen im Spielen mit ihrem Kinde. Als Waltcrcheu müde wurde und gähnte, legte sie ihn in sein Bettchen zurück und setzte sich daneben, seine ruhigen Atemzüge bewachend. Toch auch sie wurde von Müdigkeit überwältigt. Sie hatte die ganze vorige Nacht nicht geschlafen — dazu die Aufregungen und Aengste am Tage ! Sie blickte auf die Chaiselongue. Nur ein paar Minuten wollte sie ruhen — und dann fort -Mio ränge zce gescyrazen halte — sie wußte es selbst nicht. Stimmen im Eßzimmer weckten sie. Sigrids Weiche Stimme! Und jetzt — Felicie meinte ersticken zu müssen, so schlug ihr das Herz bis zum Halse hinauf jetzt auch dis tiefe Stimme ihres Mannes! Felicie sprang empor. Sollte sie vorstürzen Und sich zu erkennen geben? Nein- Noch nicht. Erst Gewißheit! Die Krallen der Eifersucht hatten sie wieder gepackt. Eie blickte sich im Zimmer um. Dort hinten war eine Tapetentür. Vielleicht sie öffnete sie. Es war ein kleiner, dunkler Naum, eine fensterlose Kammer, die zum Aufbcwahren von Koffern und Kisten und Kasten diente. Ein Schlupfwinkel! Für alle Fälle! Jetzt vor der Tür rasche Schritte. Felicie kannte die Schritte. Es war Sigrids leichter Tritt. Wie Ler Wind schlüpfte Felicie in die Kammer und verbarg sich hinter einem großen Koffer. Sie hörte, wie Sigrid ins Kinderzimmer eintrat... wie sie das Mädchen fragte, ob Walterchen artig gewesen wäre... wie Anna verlegen ein „Ja, Fräulein Arnoldsen, sehr artig!" stammelte... Sie hörte, wie die Schritte sich wieder entfernten und atmete auf. Gleich darauf kam Anna herein. Felicie lugte aus ihrer verborgenen Kammer hervor. „Da haben Cie etwas Schönes angsrichtst," sagte das Mädchen erregt. „Nun können Sie vorläufig nicht wie der weg, bis Fräulein Arnoldsen heute abend ins The ater gegangen ist. Das Kinderzimmer hat nur einen Eingang. Wenn man Sie sieht, verliere ich meine Stellung'" Felicie beruhigte das Mädchen. Sie werde in der Kammer bleiben — bis zum Abend; Anna möge nur reinen Mund halten, es werde alles gut gehen. AuS dem Eßzimmer erklang der seine ^on der silber nen Tischglocke. Anna flog in die Küche zum Servieren. Felicie kam vollends auS ihrer Kammer hervor Sie Wußte, die beiden da nebenan waren jetzt für mindestens eine halbe Stunde beschäftigt. Sie hörte das anscheinende Geklapper von Messern und Gabeln. Dazwischen lachendes Geplauder. Ver stehen konnte sie nicht viel, aber die Männerstimme klang so ruhig unö zufrieden — der Besitzer dieser vollsatteu Stimme vermißte sicher nichts in seinem Leben Und dis arme Mutter nebenan am Bette ihres Kindes war unglücklich — ach, wie unglücklich! Nein, nicht unglücklich! Ein Blick auf das im Schlum mer lächelnde Gesichtchen ihres Kindes — und Felicie läckclte ebenfalls. Und Weiter wuroe nebenan beim traulichen Mahl ge sprochen und gescherzt. Die heutige Probe mußte ein neues Stück betreffen, von dem die beiden viel erwar teten. Cie kritisierten, lobten, tadelten auch allerhand. Felicie fühlte sich durch einige Brocken, die sie auffing, wieder in jene Glückseligkeit versetzt, da auch sie eifrig an solchem Theatergeplauder teilgenommen hatte. . . „Was macht übrigens Walter?" fragte plötzlich Win frieds Stimme. „Ich habe ihn heute noch gar nicht ge- fehen. Ich möchte doch gleich mal —" „Lassen Sie nur bis nachher! Er schläft — Sie könn ten ihn aufwecksn!" erwiderte Sigrids Stimme. Wieder atmete Felicie auf. Wenn plötzlich ihr Mann hier eingetreten wäre — sie hätte nicht an sich halten können, sie hätte sich verraten. Und sie wollte doch erst wissen, ob Und wieder lauschte sie. , Eine beängstigende Stille war auf einmal nebenan. War das Mittagessen beendet? Hatten die beiden das Zimmer verlassen? Nein, ein Stuhl rückte. Sie waren noch da. Brennende Eifersucht erfaßte die Lauscherin. Sie meinte aufspringen, ins Nebenzimmer stürzen, die beiden zur Rechenschaft ziehen zu müssen .. . Dock nein — sie hatte ja gar keine Beweise! Noch einmal siegte die Vernunft in ihr. Leise näherte sie sich dem rosa-umhangenen Bettchen. Vorsichtig nahm sie das schlafende Kind heraus und drückte es an ihre Brust. Mit dem Kinde im Arm glaubte sie besser alles ertragen zu können — und wäre es selbst das Schlimmste. Ihr Blick streifte den Spiegel. Mein Gott, wie häßlich sie aussah! Das unmoderne Kleid, das zerzauste Haar, die verweinten Augen — wahrlich kein anheimelndes Bild! Und ihre ehedem so hübschen Weichen Hände! Wie rauh und rot sie gewor den waren durch die Gefängnisarbeit! Noch immer Schweigen nebenan. Felicie hielt den Atem an, um jedes Geräusch zu hören und näherte ihr Ohr dem Schlüsselloch . . . „Bleiben Sie noch einen Augenblick!" sagte plötzlich Sigrids Stimme — und dem Ohr der angstvoll Lau schenden wollte es erscheinen, als bebe in ihr ein Unter ton verhaltener Erregung. „Ich habe Ihnen eine Mit teilung zu macken, lieber Freund!" „Wenn Sie in diesem Tone anfangen, so weiß ich schon im Voraus, daß Sie mir etwas besonders Unan genehmes mitteilen wollen," erwiderte die Mäuner- stimE- „Muß es gerade jetzt sein? Ich fühle mich so zufrieden und glücklich.
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