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Wilsdruffer Tageblatt : 31.08.1926
- Erscheinungsdatum
- 1926-08-31
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1782027106-192608317
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1782027106-19260831
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1782027106-19260831
- Sammlungen
- LDP: Bestände des Heimatmuseums der Stadt Wilsdruff und des Archivs der Stadt Wilsdruff
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungWilsdruffer Tageblatt
- Jahr1926
- Monat1926-08
- Tag1926-08-31
- Monat1926-08
- Jahr1926
- Titel
- Wilsdruffer Tageblatt : 31.08.1926
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für unleidlich, daß Deutschland seine Gläubiger mit Sach leistungen überhäufe. Es bleibt die Frage, ob die Welt es erlaubt, daß Deutschland die Voraussetzung des Dawes-Planes erfüllt, nämlich die Ausdehnung des deut schen Außenhandels. Anschuldigungen gegen Neichswehrosfiziere. In einer Denkschrift der Schriftsteller Lehmann-Rutz- büldt und Karl Mertens, die am Sonnabend der Regie rung, dem Reichstag und der Staatsanwaltschaft zuge gangen ist, wird der Nachweis zu führen gesucht, daß Inhaber hoher Dienststellen der Reichswehr die ihnen übertragenen Vollmachten in eigenem Interesse miß braucht haben, daß Heeresgut im Betrage von vielen Millionen Mark verschleudert, zum Teil ins Ausland verschoben worden sei und daß „auf Zivildienstvertrag" angestellte Beamte der Wehrmacht sich persönlich bereichert haben. Der Schauplatz der in der Denkschrift behandelten Vorgänge soll Ostpreußen sein. Das Reichswehrministe rium erklärt dazu, es müsse es ablehnen, sich in die Er örterung derartiger unqualifizierbarer Angriffe einzu- lasfen. Die weitere Erledigung der Angelegenheit werde Sache der Justiz sein, wozu die erforderlichen Schritte bereits veranlaßt seien. Türkei. X Türkisch-bulgarisches Handelsprovisorium. Wie man erfährt, ist nach mehrmonatigen Verhandlungen in Verfolg des türkisch-bulgarischen Freundschaftsvertrages soeben zwischen Bulgarien und der Türkei ein provisori sches Handelsabkommen abgeschlossen worden. Das Ab kommen läuft zunächst auf sechs Monate und gewährt den Türken bulgarischerseits das Meistbegünsti gungsrecht, wogegen die Türkei dem bulgarischen Staat die aus dem Lausanner Vertrag resultierenden Rechte zugesteht. Nordamsrika. , X Die Vereinigten Staaten gegen Mexiko. In New- york verlautet, daß Präsident Coolidge ein schärferes Vorgehen gegen Mexiko wegen der Ollandgesetze billigen werde. Amerika wolle keine bewaffnete Inter vention, da dies gleichbedeutend mit der Notwendigkeit wäre, Mexiko zu erobern. Doch erwäge es andere ^renge Maßnahmen, zu denen beispielsweise die Nichtanerken nung Calles' gehöre. Aus In- und Ausland. Genf. Dor Weltfriedenskongreß wurde Montag durch den Präsidenten des Genfer Staatsrates, Moriaud, eröffnet. Die deutsche Reichsregierung ist durch Generalkonsul Aschmann vertreten. Gent. In Detroit (U. S. A.) hat sich eine Flämisch- amerikanischeLiga gebildet mit dem Namen „Flandria", die sich zur Aufgabe gesetzt hat, die Nordamerikaner mit dem flämischen Kampf gegen belgische Unterdrückung bekannt zu machen und sie für diesen Kampf zu interessieren. r Paris. Eine Anzahl Franzosen, die auf einem Ausflug in ein italienisches Grenzdorf gekommen waren und einen Photographenapparat mit sich führten, wurden wegen Spio nage verhaftet und ins Gefängnis gebracht, da sie keine Ausweispapiere besaßen. Dallas (Texas). Frau Ferguson, der erste weibliche Gouverneur Amerikas, ist bei den Vorwahlen für die Stelle des Gouverneurs von dem Generalstaatsanwalt Dan Moody im Verhältnis von 2 zu 1 geschlagen worden. Peking. Es wird gemeldet, die chinesische Regierung habe der russischen Regierung mitgeteilt, daß die Pässe für den russischen Gesandten bcreitgestcllt worden sind. — Der englische Kreuzer „Dispatch" ist angesichts der poli tischen Lage nach Hankau abgefahren; ein französisches Kriegsschiff soll bald folgen. i Neue» au» sNe? Welt - Schweres Bootsrmglttck aus der Elbe. InTanger - münde ereignete sich auf der Elbe ein schweres Boots unglück, bei dem von neun Insassen vier ertranken, und zwar zwei Schwestern namens Heinrichs, die Kinder einer Kriegerwitwe, der Eisenbahnbureaubeamte Herbst und ein verheirateter Mann namens Bormann. Das Un glück geschah im Anschluß an das Fest des Tanaermünder Kanuklubs und soll darauf zurückzuführen sein, daß einer oer Zungen r5eure m vem überladenen Boot leichtsinnige Streiche getrieben hat. Die Tannenberggedenkfeier in Königsberg. Anläß lich der zwölften Wiederkehr des Tages der Schlacht von Tannenberg fand in Königsberg unter außerordent lich starker Beteiligung aller Bevölkerungskreise eine von der Staatsbürgerlichen Arbeitsgemeinschaft veranstaltete Tannenbergfeier statt. Auf dem Walter-Simon-Platz wurde in Gegenwart der Generäls Ludendorff und von Conta ein Feldgottesdienst abgehaltsn. Blutrausch eines Hundes. In Wechmar bei Gotha brach ein Hund in eine Schafherde ein, während der Schäfer gerade ins Dorf zum Frühstück gegangen war. Das wütende Tier biß 52 Schafe tot. Mehrere wur den von dem Hunde vollständig zerrissen. Als der Schäfer zurückkehrte und mit Schrecken den Schaden gewahr wurde, schlug er den Hund tot. Bleibt die Leiferder Katastrophe unaufgeklärt? Alle Nachforschungen nach den Urhebern der Eisenbahnkata- strophs von Leiferde sind vergeblich geblieben und drohen im Sande zu verlaufen. Auch weiterhin war weder in der einen noch in der anderen Richtung ein Erfolg zu verzeichnen. ' Hinrichtung eines Mörders. Der Kaufmann Hugo Geilenbrink aus Linden a. d. Ruhr wurde im Hofe des Gerichtsgefängnisses in Osnabrück, nachdem er durch rechtskräftiges Urteil wegen Mordes an dem Sparkassen direktor Haarmann zum Tode verurteilt worden war, durch den Magdeburger Scharfrichter hingerichtet. Ein unmenschlicher Bruder. In Hohenweiden wurde auf Gerüchte hin, daß der Gutsbesitzer Bernstein seine 44jährige Schwester unmenschlich behandele, auf dem Gutshofe eine Revision vorgenommen. Man fand " die geistig nicht normale Schwester in einem kleinen Raum, dessen Fenster vergittert und dessen Tür durch einen Querbalken verrammelt war, auf faulem Stroh inmitten von Unrat in vollständig verschmutzter Kleidung mit stark geschwollenen Beinen. Seit einem Jahr (!!) hat die Unglückliche ohne ordentliches Bett hier Hausen müssen, weil der Bruder die Kosten für eine Unterbringung in der Irrenanstalt scheute. Die Frau wurde in die Lan desheilanstalt Nietleben gebracht. Dem Staatsanwalt wurde Anzeige erstattet. - Mord und Selbstmord. Ein Ehedrama spielte sich in Hamburg ab. Dort wohnt, getrennt von ihrem Mann, die Ehefrau Else Hermann mit ihrem neujährigen Mädchen zusammen. Ihr Ehemann lebte in Köln. Am Sonntag kam dieser nach Hamburg, um sich mit seiner Frau über das Kind auseinanderzusetzen. Im Verlauf der Streitigkeiten brachte er seiner Frau mit dem Rasier messer einen Halsschnitt bei und tötete sich selbst durch mehrere Schnitte in die Pulsader und den Hals. Die Ehefrau wurde in schwerverletztem Zustands ins Kran kenhaus übergeführt. Der Warschauer Polizeikommissar als Geldfälscher und Kokainschmuggler. Der Warschauer Polizeiskandal nimmt einen immer größeren Umfang an. Die Unter suchung hat ergeben, daß eine große Zahl höherer Beam ter der Polizei sowie des Innenministeriums darin ver wickelt sind. „Glos Prawdy" weiß z. B. zu berichten, daß der mit der Bekämpfung von Banknotenfälschungen be auftragte Kommissar Bachrach selbst an großen internatio nalen Geldfälschungen beteiligt war. Er hat von seinem Gewinn eine Menge Häuser in verschiedenen Ländern, hautpsächlich in Italien gekauft. Ferner wurde festge stellt, daß Bachrach unter Verwendung eines diploma tischen Passes große Mengen Kokain nach Polen einge schmuggelt hat. Goethe-Feier aus der Jahrhundertausstellung in Philadelphia. Auf der Ausstellung anläßlich des 150. Jahrestages der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung wurde zu Ehren Deutschlands der Geburtstag Goethes als deutscher Tag festlich begangen. Von der deutschen Botschaft in Washington waren bei der Feier Botschafts rat Dr. Dieckhoff und Legationssekretär Dr. von Selzam vertreten. Auf dem Verwaltungsgebäude der Ausstellung und im Ehrenhof weht die deutsche Flagge. Eins unterminierte und vom Einsturz bedrohte Stadt. Unter den Einwohnern der Stadt Johannes burg herrscht große Angst, daß die Stadt einstürzt. Nachts werden die Bewohner durch aebeimnisvolle Ge räusche wachgehalten; man fürchtet, daß die Stadt völliF untergraben ist. Die Erde unter Johannesburg und unter dem ganzen Rand ist in einer Ausdehnung von 60 Meilen ausgegraben. Millionen Kubikmeter Erde sind nach oben gebracht. Das „Ameisenneft" hat eine Tiefe von 2000 Metern, die Tunnels befinden sich hier jeweils in einer Entfernung von 60 Metern. Bünte Tageschronik. Swinemünde. Die Probefahrt des Doppelschrauben- Motorschnellschiffes „Preußen" für den Seedienst nach Ost preußen und Danzig ist befriedigend verlaufen. Das Schiff tritt am Mittwoch feine erste Ausreise von Swinemünde nach Königsberg über Zoppot an. Frankfurt a. M. Auf dem Flugplatz Rebstock stürzte ein Sportflugzeug der Unterfränkischen Luftverkehrsgesell schaft in einer Kurve ab. Der Flugzeugführer erlitt eine Ge hirnerschütterung. Dem Mitfahrer wurde der Bustkorb ein gedrückt. Warschau. Die Scharlachepidemie, die bereits über eine Woche in Warschau herrscht, breitet sich immer noch aus. Bisher sind über tausend Personen an Scharlach erkrankt. Der Magistrat hat wegen Überfüllung der Krankenhäuser beschlossen, eine größere Anzahl von Schulgebäuden mit Kranken zu belegen. Tokio. Wie aus Hakodate gemeldet wird, sind durch di- schweren Regensälle und Überschwemmungen viele Menschen umgekommen. 2000 Häuser wurden zerstört und riesige Flächen von Reisäckern überschwemmt. Turnen, Sport una Spiel i Die Berliner Turn- und Sportwoche. In Berli« fand im Lustgarten in Anwesenheit zahlreicher Vertreter aller Sportvereine, der Behörden usw. die feierliche Eo öffnung der goßen Berliner Turn- und Sportwoche statt Oberbürgermeister Dr. Böß hielt die Festansprache, in der er erklärte: „Nur das Volk kann bleiben, das jung bleibt auf dieser Erde, und wir Deutsche, die man uns so furchtbar im Weltkrieg zur Ader gelassen hat, Wil haben es doppelt nötig, uns anzustrengen, uns selbst zu helfen; denn andere werden uns nicht Helsen." Berlin schlägt Konstantinopel mit 7:1. In Berlin fand ein Städtespiel Berlin—Konstantinopel statt. Die Türken enttäuschten auf der ganzen Linie und verloren vor gut 15 000 Zuschauern glatt mit 7 :1. Hellas-Magdeburg deutscher Wasserballmeister. Im Duisburger Schwimmstadion wurde gestern die deutsche Wasserballmeisterfchaft zwischen dem Verteidiger Hellas- Magdeburg und Poseidon-Leipzig ausgetragen. Hellas siegte nach durchweg überlegen geführtem Spiel glatt mit 7:0. , Deutsche Weltrekordleistungen. Bei den nationalen Leichtathletikwettkämpfen in Halle lief der deutsche Meister Körnig die hundert Meter in 10,4 Sekunden und erreichte damit den bestehenden Weltrekord. Bei reichsoffenen Volksturnwettkämpfen in Hannover- Linden konnte Fräulein Junker- Kassel im Hundert meterlauf mit 12,2 die Welthöchstleistung der Damen wiederum verbessern. Deutsche Radmeisterschaftsn des B. D. N. Die auf der Stettiner Radrennbahn ausgelraaenen Meiftsr. schäften von Deutschland über einen lind fünfundzwanzig Kilometer des Bundes Deutscher Radfahrer sahen in der kurzen Strecke Engel-Köln vor O s z m e ll a - Köln, in der 25-Kilometer-Meisterschaft den Berliner Peter- mayn vor dem Breslauer Krollmann siegreich. Deutschlands Tennissieg gegen Holland. Der Ten- nisianderkampf Deutschland gegen Holland, dsr am Sonn tag seinen Abschluß fand, hat mit einem überwältigenden deutschen Siege geendet. Die deutsche Mannschaft konnte von insgesamt 19 Spielen 12 gewinnen, die holländische nur sieben. Deutschland im internationalen Frauensportverband. In Gothenburg wurde am Sonnabend der Anschluß Deutschlands an den internationalen Frauensportverband vollzogen. Gelaufen wird von nun ab nur noch in Meter strecken. Auch die Gewichte der Kugeln, Speere und Disken wurden offiziell sestgelegt. Thmss HüM CmenM 24 Roman von Karl Gauch el. Jedenfalls wird man ihm angesichts der pckunärcn Lage, er der er sich damals befand, als gerecht denkender Mensch die Honorigkeit nicht absprechen können. Und so schlage ich vor, geschlossen für die Wahl Hüglins einzntreten. Die nun folgende Ballotage ergab einstimmige Annahme. Hans Westermann aber hatte zuvor osteütativ den Saal verlassen. Der Winter war mit Macht gekommen. In den Tälern des Nheinlandes fegte der Wind den Schnee zuhauf. Weiß überschnell ragten die sieben Berge ins Land, grämlich, ver schlafen, als träumten sie von den fröhlichen Sommertagen, wo das hellere Völkchen der Bonner Studenten unten in Königswinter die vollen Humpen noch schwang, wo auf lang ohrigen Grautieren so manche blondlockige, weißgesichiige Tochter Albions, den unvermeidlichen Baedeker in der Hand, zur Drachenburg hinaufritt, wo die Wälder und Berge wider hallten vom frohen Gesang der wandernden Schuljugend und drüben vom grünen Strom brausend die Schiffskapellen der stolzen Vergnügungsdampfcr lustige Weisen herübcrschmetterten. Aber jetzt schlief das alles süß und lind, von den schnee überkrusteten Dächern der altertümlichen Häuschen angsfangen bis zu dem auf weißem umnebelten Vergabhang des Petcrs- berges sich dehnenden Kurhotel, bis zu den Wogen des Stro mes dort unten, die in frostiger Erstarrung unter der Eis decke sich träge und rollend dahinwälzten, Holland zu. Die Schiffsbrücken waren ausgefahren, die Schiffahrt eingestellt, das welle Land schlief. Nur die Hütte, die kannte nicht Sommer noch Winter, kannte nicht Rast und Ruhe, die schlief nie. Da stand die Arbeit am Amboß, auf dem Laufkran, unter den Hochöfen und spuckte in die rußigen Fäuste und ächzte und stöhnte. Das klang wie dumpfes Grollen, fernes Gewitter, wie ein Wutschrei der bezwungenen Erde. Aber beängstigender als dieses ohrenbetäubende Gesäuse und Getöse, als dieses ncrven- tötcnde Hämmern und Kreisen war das dumpfe Schweigen, mit dem diese schwere Arbeit getan wurde. Diese verbissene Bitterkeit, die auf den'rauchschwarzen Gesichtern lag, dieses Gluten und Drohen in den Augen, deren Weiß aus der schwärzlichen Umrahmung fast gespenstisch hervorleuchtete. Mit unheimlichem Vann lastete dieses widerwillige, gezwun gene Schweigen über der Hütte, diese trostlose Lautlosigkeit, unter der es schwelte und glimmte und neuer Zündstoff sich sammelte, mählich und mählich. ,, Mit hartem, finsterem Gesicht ging Hans Westermann durch das Werk, eisiger, hochmütiger als je. Die letzten Mo nate hatten sein Wesen völlig verändert. War er früher trotz aller vornehmen Reserve stets der höfliche, zugängliche Vorgesetzte gewesen, heute war er ein anderer. Der Strom blauen Blutes in seinen Adern, dieses Blut des alten Feudal geschlechtes wallte in diesem letzten Reis noch einmal so wild, so herrisch auf, wie es einst in den Tagen der Ritter zeit in seinen Vorfahren gewallt haben mochte, unbändig, stolz, trutzig. Aus seinem Leben war das Lichte geschwunden. Käthes Absage, Hüglins Sonnenlauf, dis schwere Schlappe in Bonn, .al! das vereinigte sich, um diesen Mann zu er bittern, zu kränken. Er, der Verwöhnte, der Unantastbare, sollte die Segel streichen müssen vor einem Hüglin? Herb hatte er aufgelacht und zornig hatten die bebenden Hände den Kohinorstift zerbrochen, den er gedankenlos bei seiner Flucht aus dem Sitzungssaal mitgenommen hatte. Und in seiner Seele war der Haß entbrannt, heißglühend, wahn witzig, und doch fp ohnmächtig, machtlos. Er hatte Hüglins Handlungsweise dem Ehrenrat unterbreitet. Der Ehrenrat hatte trotz einiger Ausstellungen bezüglich des Ehrenwortes dem jungen, gefeierten Ingenieur dis Honorigkeit nicht abge- gesprochen. Da hatte er Hüglin gefordert. Aber Thomas hatte die Forderung aögelehnt, ruhig, ohne Schärfe, fast mitleidig. „Sein Leben gehöre nicht mehr ihm, es sei weiteren Kreisen zu wertvoll geworden, und er betrachte die Aufgaben, die seinem Leben gestellt seien, als zu heilig, zu wuchtig, als daß er mutwillig und ohne ersichtlichen Grund es aufs Spiel des Zufalls setzen dürfte." Auch diesen Bescheid hatte der Ehrenrat gutgeheißen und dem Direktor wegen seines provo zierenden Verhaltens eine ernste Rüge erteilt. Der knirschte m wahnsinniger Wut mit den Zähnen. „War er dsnp gar nicht zu fassen, der Hund?" Und dann kam ihm der un glückliche Gedanke. „Die da unten, die auf dem Werke, diese Krapüle, die hält zu ihm, die vergöttert ihn, hebt ihn in den Himmel, warte, Verehrtester, das will ich der Bande an streichen !" Die Zeit harter, gewalttätiger Herrschaft hatte begonnen. Nichts Ungesetzliches, nein, aber so kleine, an sich harmlose Verfügungen und Bestimmungen, die schikanös berühren mußten, eiserne, straffe, wenn auch ganz korrekte Werk- disziplin. Und was das Schlimmste war, kalte, starre Un nahbarkeit, Feindseligkeit der Gedanken, nicht etwa der Tat. So etwas fühlten die Leute mehr als alles andere, dieses Er starren der Menschlichkeit, dieses kalte Unberührtbleiben von ihren Sorgen und Beschwerden. Und es glomm und zunderte, es schwelte und rumorte unter der Decke. Thomas Hüglin konnte seinen Einfluß nicht geltend , machen. Er war seiner Stellung bei dem Werke enthoben und erledigte als Westermanns gleichgestellter Kollege schon die Vorarbeiten des neuen Unternehmens. Er durfte bei dem jetzigen Verhältnis zu Westermann nicht in dessen Be fugnisse eingreifen, durfte nicht, was er sonst sicher getan haben würde, den Leuten zusprechen. Zudem: er hatte den Kopf jetzt immer so voller Pläne, so ganz ausgefüllt war sein Tag von dem Kommenden, Werdenden, daß er unmöglich alles das sah, was um ihn her vorging. Thomas Hüglins Arbeitstisch wurde nicht leer. Da häuf ten sich die Entwürfe, Ausarbeitungen, Pläne jeden Tag aufs neue, und wie mancher dieser Tags ging dahin auf Reisen, Besprechungen, Besuchen. Aber wenn er dann wieder daheim in seinem Arbeitszimmer stand, gemütlich im Hausrock und Pantoffeln, die kurze Shagpfeife zwischen den starken, weißen Zähnen, dann konnte er oft die Arme weiten und die Brust herausdrücken, voll von einer tatenlustigen, fröhlichen Energie. Ja, so war's ihm erst recht: je toller es kam, desto lieber war es ihm; die Widerstände, die er so oft fand auf diesem Wege, und die einen anderen entmutigt, wenn nicht zermürbt hätten, schienen ihn nur zu stählen, noch fester, noch eiserner zu machen. Kommerzienrat Laband sah ihn oft mit einer stillen Art von Bewunderung an, wie er in den jetzt sich häufenden Vorbereitungssitzungen dastand, groß, lachend, in den dunklen Augen neben all dem Schalkhaften diese verblüffend selbst sichere Energie. Dg hatte er mit wenigen sachlichen Worten seine Absichten und Ansichten gezeichnet, voll ruhiger Ver ständlichkeit, und saß dann still und hörte aufmerksam die Einwendungen und Bedenken der anderen, um dann mit einem einzigen Satze alle über den Haufen zu werfen. Und das Sonderbare war, nie fühlte sich einer verletzt. Alle spürten es instinktiv: der da, der hatte ehrliches Wollen und der hatte auch kraftvolles Können, der war fest auf seinem Posten und versprach nichts, was er pW konnte; war ein ganzer Kerl. Und sie vertrauten ihm. (Fortsetzung folgt.)
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