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Wilsdruffer Tageblatt : 17.01.1928
- Erscheinungsdatum
- 1928-01-17
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1782027106-192801172
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1782027106-19280117
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1782027106-19280117
- Sammlungen
- LDP: Bestände des Heimatmuseums der Stadt Wilsdruff und des Archivs der Stadt Wilsdruff
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungWilsdruffer Tageblatt
- Jahr1928
- Monat1928-01
- Tag1928-01-17
- Monat1928-01
- Jahr1928
- Titel
- Wilsdruffer Tageblatt : 17.01.1928
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nur Weiuoaugeoieie verireicn waren, wurvc Ul einer GM- schlietzung scharfer Prorest gegen Vie Wiedereinführung der Gemeindegetränke st euer aus Weine erhoben, Paris. Die hier tagende Konferenz der Kriegsverstüm- melten- und Kriegstcilnehmcrverbäude hat beschlossen, den Vierten internationalen Kongreß im August 1928 in Berlin abzuhaften. Die Teilnehmer werden vom Außenminister Briand empfangen werden. Kowno. Wie aus Moskau gemeldet wird, haben die nach Sibirien und dem Kaukasus verbannten Oppositions führer ein Protcstschreiben an das Zentralkomitee der Partei gerichtet, in dem sie die Rücknahme der Verbannungs verfügung fordern. Moskau. Die Sowjetregierung beabsichtigt, ein Gerichts verfahren wegen der Zerstörung der russischen Kunst ausstellung in Brüssel anzustrengen und 50 000 Gotd- cubel Schadenersatz zu fordern. Berlin. Der Verein der Ausländischen Presse in Berlin hat an die Stelle des zurückgetretenen Vorsitzenden Georges Blun (der kürzlich die kränkenden Berichte über die deutsche Neujahrsfeier veröffentlichte) den Amerikaner Herrn Lechner zum Vorsitzenden gewählt. Berlin. Der »Jungdeutsche Orden" teilt mit, daß die beiden deutschnationalen Reichstagsabgeordneten Hartwig und Hülser aus dem Orden ausgetreten sind. Newyork. In Havanna wurde der Panamerika nische Kongreß mit einer Begrüßung des aus einein Schlachtschiff eingetrosfenen Präsidenten Coolidge eröffnet. l Neues aus aller Aett Einen Jäger statt des Wildes erschossen. Der Tischler meister Hans Tschörtner aus Berlin wurde aus der Jagd bei Treuenbrietzen von dem Geschoß eines anderen Jagd- teilnehmers während des Treibens getroffen und so lchwer an Brust und Kopf verletzt, daß er nach wenigen Augen blicken starb. Die Selbsthilsckrankcnversicherung für den Mittel stand. Zu der Meldung über den tödlichen Unglücksfall des Generaldirektors Dr. Krüger, in der irrtümlich von einem Zusammenbruch der Selbsthilfekrankenkasse für den Mittelstand A.-G., Breslau, die Rede war, teilt die Selbst hilfekrankenversicherung für den Mittelstand A.-G., Breslau, mit, daß sie zwar im Ausgang des Jahres 1926 gewisse finanzielle Schwierigkeiten gehabt habe, daß aber damals bereits Maßnahmen ergriffen worden seien, welche den Bestand der Selbsthilfe gewährleisteten. 80-Millionen-Fund auf dem Schlachtfeld. Der Ar tilleriekommandant von Douai hat auf eine Anzeige hin bei dem Vertreter einer englischen Firma in Äoulogne Nachforschungen vornehmen und feststellen lassen, daß diese Firma ziemlich bedeutende Vorräte von Gegen ständen besitzt, die auf den Schlachtfeldern gesammelt wurden; es handelt sich in der Hauptsache um Granaten, die nicht explodiert sind. Der dem Staat hierdurch ver ursachte Verlust soll sich auf etwa 80 Millionen Frank be laufen. Man spricht von gerichtlichen Maßnahmen gegen zahlreiche an dieser Angelegenheit beteiligte Personen. Im Rettungsboot nach Amerika. Der holländische Ingenieur Schuttvaer beabsichtigt, mit einem neuerfunde nen Rettungsboot eine Probefahrt nach Amerika zu unter nehmen. Das Boot ist ganz aus Teakholz gebaut, mit Segeln ausgerüstet und kann 20—50 Menschen auf nehmen. Die bisher in Rotterdam angestellten Versuche haben die absolute Stabilität des Bootes ergeben. Falls die Reise nach Amerika glückt, will der Erfinder sein Werk den Schiffahrtsgesellschaften kostenlos zur Verfügung stellen. Ein lebensmüder General. Der ungarische Feld- marschalleutnant Lctay, der einen Selbstmordversuch ver übte, ist seinen Verletzungen erlegen. Ein im Kriege er worbenes Nervenleiden war, wie er in Abschiedsbrieferi angab, die Ursache zu dem Lebensüberdruß. Lunte Tageschronit Köln. Der Seniorchej der Kölnischwassersabrik, die das berühmte „1711" herstellt, Ferdinand Mülhens, ist auf seinem Gut bei Königswinter gestorben. Paris. In der staatlichen Wasfenfabrik von St. Etienne brach ein großes Schadenfeuer aus. Neben Gebäudeteilen sielen dem Brand Materialien im Werte von zwei Millionen Frank zum Opfer. London. In Kalifornien sind zwei starke Erdstöße ver spürt worden, die mehrere Sekunden andauerten. Ob Per sonen zu Schaden gekommen find, ist noch nicht bekannt. Sydney. Durch Großfeuer wurde ein Häuserviertel, in dem sich die Bureaus einer Anzahl Handelsfirmen befanden, zerstört. Der Schaden wird aus über 70 000 Pfund Sterling (1,4 Millionen Mark) geschätzt. Der Heiraisfragebogen. Warunt nehmen sich die Menschen? In vielen Orten gibt es jetzt für Heiratswillige eine freundliche Eheberatung: wer in die Ehe hinein will, wird von erfahrener Stelle in ernster Weise auf alle Freuden, aber auch auf alle Fallstricke des Ehestandes aufmerksam gemacht. Wer dann heiratet, tut es auf eigene Verantwortung, denn er weiß nunmehr, was die Glocke geschlagen hat. Warum man so heiratet — ja, wenn man das nur in allen Fällen genau wüßte! Herr X heiratet dieserhalb, Fräulein N außerdem. In einem nahe bei Münster gelegenen Örtchen möchte man aber über die Heiratsgründe derer, welche den großen Sprung wagen, Präziseres in Erfahrung bringen, und so hat denn das dortige Standesamt sich einen ganz unverbind lichen Heiratsfragebogen zurechtgemacht, in den, wer Lust hat — denn einen Zwang gibt es nicht — eintragen kann, was ihn zum Heiraten getrieben hat. Einer schreibt, daß er seine Braut heimführe, weil er endlich eine an nehmbare Stellung gefunden habe. Dieses Bekenntnis läßt aus solide Gesinnung schließen: wer keine Familie ernähren kann, soll erst keine gründen. Ein anderer hat sich in die Ehe gestürzt, weil er und seine Auserwählte als Eheleute begründetere Ansprüche auf eine passende Wohnung haben. Die „Bleibe" als Heiratsgrund — hätte man sich das wohl vor dem Kriege, wo jeder so viel Wohnungen haben konnte, als er haben wollte, auch nur vorstellen können? Einer erklärte neckisch: „Ich heirate sie, weil sie mir immer sagte, daß sie mich nicht haben will." Und „sie" setzt nicht minder neckisch darunter: „Na, dies eine Mal soll's noch nach deinem Willen gehen!" Klingt das nicht wie eine Eintragung aus einem Som- merfrischen-Fremdenbuch? Und dabei geht es um eine so ernste Sache, wie es eine Ehe zu sein pflegt. Zwei heiraten, weil die beiderseitigen Eltern es so dekretiert haben. Brave Kinder! — und hoffentlich gelingt die Ehe zu allgemeiner Zufriedenheit, sonst müßte man die „Herren Eltern" zur Verantwortung ziehen. Mit philosophischer Gemütlichkeit erklärt ein Jüng ling, daß er die ältere Schwester geheiratet habe, weil die jüngere ihn nicht haben wollte. Das ist sozusagen Heirat aus Prinzip — egal welche, aber geheiratet wird unter allen Umständen! Ein älterer Witwer gesteht freimütig, daß er geheiratet habe, weil er für seine Kinder eine Auf sicht und für sich eine Haushälterin brauchte. Dieses Ge ständnis ist mindestens keine „8cbenslüge" — aber hätte es bei solcher Gesinnung nicht schließlich eine Gouvernante oder eine Wirtschafterin mit monatlicher Kündigung auch getan? Die Krone aller Antworten aber bildet die Ein tragung eines Mannes, der da forsch behauptet, daß er „aus Liebe" heirate. Und das unterstreicht er sogar zwei mal, damit man's auch wirklich glaubt. Man sollte diesem seltenen Menschen, der sich in dieser leider aufs rein Mate rielle eingestellten Zeit noch zu der „ollen ehrlichen Liebe" bekennt, mitten im Standesamt ein Denkmal setzen! Schade, daß man nicht auch die weibliche Hälfte, die immerhin zu einer vollständigen Ehe gehört, nach den Heiratsgründen gefragt hat — man hätte da vielleicht noch viel nettere Dinge zu hören bekommen. WWMAkAWMWR i Ournen, Spor« una Spiel z Fußbaltspietergebnisse. Im Berliner Fußball gab es bei den Verbands spielen recht hohe Ergebnisse und große Überraschungen Viktoria begrub seine Meisterschastshoffnungen durch ein« 1:4-Niederlage gegen B. V. Luckenwalde. Kickers schlua Concordia mit nicht weniger als 13:0. Herthas Elf trium phierte hoch mit 10:0 über Corso. Preußen besiegte Alemamüo überraschend mit 2 : 0, nur Tennis-Bornssia errang mit 6 :1 einen erwarteten Sieg über Union-Potsdam. Bei den Fußballverbandsspielen im Reich gab es in Westdeutschland im Rhcinbezirk eine große Über raschung. Der F. V. Neuendorf besiegte den Kölner Klui für Rasensport in Bonn mit 3:2. Im Privatspiel siegt« Düsseldorf 99 mit dem gleichen Ergebnis über Fortuna- Düsseldorf. In Mitteldeutschland konnte in Nordwest Sachser V. f. B überraschend Fortuna mit 2:1 abfertigen. Im Elbe gau schlug Fortuna-Magdevurg die Preußen »nl 0:2. sachsen brachte ein Unentschieden 4 :4 zwischen Gutsmuts un! Dresdensia-Dresden. In Süddeutschlaud konnte Bayern-München in dc> Meisterrunde einen hohen 10: 2-Sieg über F. V. Saarbrücker landen. Eintracht-Frankfurt gab mit 4 :1 dem Karlsruhei F. V. das Nachsehen, während Kickers-Stuttgart nur knapp 1:0 mit dem SP. V. Waldhos fertig wurde. Wohl die größte Überraschung war die Niederlage des vorjährigen Meisters 1. F. C. Nürnberg in der Gruppe Südost durch München 18R mit 0:7. In Norddeutschland gab es in der Gruppe Hamburg- Altona einen 18:5-Sieg des Hamburger S. V. über F. V Wandsbek. In Südostdeutschland gab es nur: Viktoria-Askania in Forst 2:2. Meister der Oberlausitz wurde Gelbweiß-Görlitz mit einem 5:1-Sieg über V. s. B. Bunzlau. Den südostdeutschen Fußballpokal gewann im Endspiel in Breslau vor ungefähr 5000 Zuschauern Niederlausitz verdient gegen Mittelschlesten mit 5:4 (4:1). Wien —Paris 3:0 war das Ergebnis des in Paris stattgesundenen Fußballstädtekampfes. Schon bei Halbzeit führten die Österreicher mit 1:0. Haymanns Protest wurde vou der Boxsportbehördc Deutschlands nach eingehender Prüfung abgelehm, so daß das Urteil des Schwergewichtskampfcs zwischen Bud Gorman und Haymann „Sieger nach Punkten Bud Gorman" bestehen bleibt. Im Schwimmstädlekamps Spandau—Bremen siegten die Spandaner mit 10:8 Punkten. Sie blieben in den beiden Freistilstaffeln 10X100 und 10X200 Meter sowie in den beiden Wasserballspielen mit 10:7 bzw 6:3 erfolgreich, während Bremen die 12X100-Meter-Lagenstafsel und die 10X100-Meter- Bruststaffel für sich buchen konnte. Beim zweiten Hallensportfest in Münster gewann Houben-Krefeld den Sprinter-Dreikampf vor Jonath-Dorl- mund. Der deutsche Meister Steinhardt-Karlsruhe schlug im M-Meter-Hürdenlaus den Berliner Troßbach. Beim Breslauer Radrennen siegle im Hauptfahren der dänische Meister Falck-Hansen über den Breslauer Resizer, der überraschend Bernhard-Hannover hinter sich ließ. Die internationalen Radrennen in der Stuttgarter Sportarena brachten in den Steherrennen um das Goldene Rad von Stuttgart einen harten Kampf zwischen Bauer- Charlottenburg und Möller-Hannover, den der Hannoveraner im Gesamtergebnis für sich entschied. Im Fliegertreffen siegte Rütt 10 Punkte über Frankenstein 9 Punkte, Kühl 8 Punkte und Klaas 3 Punkte. HunMunk-progrsmm ) Rundfunk Leipzig (Welle 365,8), Dresden (Welle 294). Mittwoch, 18. Januar. 16.30: Aus dem Bilderbuch ohne Bilder, von Andersen. Mitw.: Dresd. Funkkapelle. Dir.: Aguntr. » 18: Technischer Lehrgang für Facharbeiter. Werkzeugkunde und Grundlagen der Arbeitsvorbereitung. » 18.30: Französisch für Anfänger. » 19: Vortrag. » 19.30: Regierungsrat Kaphan: Oie Volksbücherei. » 20.15: „Abschied von Wien . Ein Hörspiel mit Musik in 6 Szenen von Kaisler. Musik. Leit.: Blumer. Pers.: Graf Peter Rudolf von Friaul. Eberhard, dessen älterer Freund. Hannelore, Sängerin. Franz, Offiziersbursche. Ort: Wien. Zeit: Vor dem Weltkrieg. » 22: Presse und Sport. » 22.15: Unter- haltungs- und Tanzmusik. Mittwoch, 18. Januar. Berlin Welle 484 und ab 20.30 Welle 1250. 15.30: Adele Schreiber: Bahnbrechende Frauen (Luise Otto, Begründerin der deuiscycn Frauenbeweftung». * 16.00: Pros. Franz Pahl: Deutsche' Pioniere der Nälursorschung (Hermann vou Helmholtz). * 16.30: Jugeudbühue. Funlprinzessin: Annie Arden. 4- 17.00—18.00: Kapelle Emil Roösz. — Anschließend: Werbeuachrichleu. 4-18.30: Stadtarzt Dr. R Reeder: Verhütung des Krüppeltums 4- 19.00: Max Cohen-Reuß, M. d. RWR.: Tas ucue Bciufsausbilduugsgcsetz. 4- 19.30: Dr. Kurl Singer, Dozent au der Hochschule für Musik: Die Krise der Musik (Die öffentliche Musikpflege). 4° 20.00: Personenverzeichnis und In haltsangabe zu der nachsolg. Übertragung. 4- 20.15: übertrag aus dem Metropolthcater: „Die schöne Helena." Buffo-Oper vou Meilhac und Halevy. Musik von Jacgues Offenbach. — Anschließend: Tanzmusik Deutsche Welle 1250. 12.00—12.30: Einheitskurzschrift für Schüler. 4« 12.30 bis 12.40: Mitteilungen des Reichsstädtebundes. 4- 12.45—13.00: Mitteilungen des Verbandes der preußischen Landgemeinden. 4« 14.30—15.00: Kinderstunde. Kindertheater „Der Frosch könig". 4« 15.00—15.30: Sprechtcchnik. 4- 15.35—15.40: Wetter und Börsenbericht. 4« 16.00—16.30: Amerika im Spiegel seiner Schulen. 4- 16.30—17.00: Einführung in das Verstehen von Musik: Volksliedanalyseu. 4- 17.00—18.00: Nachmittagskonzert Hamburg. 4« 18.00—18.30: Techn. Lehrgang für Facharbeiter und Werkmeister. Werkzeugkuude und Grundlagen der Arbeits vorbereitung. 4« 18.30—18.55: Französisch für Anfänger. 4- 18.55—19.20: Der schwedische Zündholztrust. 4° 19.20—19.45: Sammeln von Graphik. 4« 20.00: Übertragung aus dem Metro polthcater: „Die schöne Helena." Operette in drei Akten vou Jacques Offenbach. — Danach Tanzmusik. OIL stobst! VOstl OlstkLO VM dopyriLkl dv 1^»«!» f«icklV,»n^er. «»Ne ». 6. 8. 13 Vater hatte wieder Junggesellengewohnheiten an genommen und war öfters auswärts als daheim. In dem Sommer war Vaters Bruder mit seiner Frau mehrere Monate bei uns zu Besuch, und auch Georg war daheim. Da ging es dann fröhlich zu, denn die Ver wandten hatten auch ihre beiden erwachsenen Töchter mit- gebracht, und damit diese und die lebenslustige Tante sich nicht langweilten, gab es häufig Gesellschaften, zu denen auch viele von den Nachbarn kamen. Eines Tages kam ich morgens in unseren großen Speisesaal und wunderte mich darüber, daß da allerhand Arbeiter hcrumhantierten und ein großes Gerüst aufbauten. Wie ich den alten Johann, unseren Diener, fragte, was ) denn das werden solle, erzählte er mir, das sei eine Theaterbühne, ob ich denn nicht wüßte, daß am Abend Schauspieler kämen und hier eine Vorstellung gäben. Nein, davon wußte ich nichts. Ich führte ja in diesen Wochen des Trubels eigentlich ein noch einsameres Leben wie sonst. Die viel älteren Cousinen behandelten mich völlig als dummes Kind, und das kränkte mich. Bruder Georg war ganz von ihnen mit Beschlag belegt, und ich - führte weiter mein halb traumhaftes Einzelleben und schweifte, wenn meine Unterrichtsstunden vorüber waren, in dem großen Park umher. Aber heute schaute ich zu, wie man das Theater auf baute, und fühlte mich merkwürdig erregt. Ich konnte mir keine rechte Vorstellung davon machen, was da nun ge schehen sollte, aber etwas sehr Schönes mußte es doch sicher sein, wenn man soviel Umstände machte, und ich hatte ja auch schon oft erzählen hören, wie der Bruder oder der Vater da und dort auf ihren Reisen das Theater besucht hatten. Auch stand ja in der Zeitung so viel davon. Ich traf die Tante, die ich eigentlich nicht recht mochte, weil sie mir zu kalt und hochmütig erschien, und redete sie an: „Ist es wahr, Tante, daß heute bei uus Theater ge spielt wird?" „Ja, Kind." „Darf ich auch mit zusehen?" „Aber nein, es ist große Gesellschaft, und du weißt, daß du vor deiner Einsegnung nicht dabei sein darfst." Schmollend ging ich weg. Nun war meine Lust erst recht gestiegen, und ich freute mich, wie mein Bruder Georg mir in den Weg kam. Der war noch der einzige, der sich mit mir abgab und zu dem ich Vertrauen hatte. „Du, Georg, ich möchte doch so furchtbar gern heut abend das Theater mit ansehen." „Glaube ich, mein Schatz, aber das geht doch nicht. Sei vernünftig, Mädel, nächstes Jahr bist du eingesegnet und dann bist du überall dabei, nein, dann ist mein kleines Schwesterchen sogar die Hauptperson! Wirst noch genug Theater sehen in deinem Leben. Uebrigens, ich mache mir aus der Sache gar nichts. Es war so eine Idee von der Tante, die Wanderschmiere hierher zu holen. Gehe ruhig zu Bett, du verlierst sicher nichts." Er tätschelte mir gutmütig die Wangen, aber in mir wurde die Begier immer größer. Ich wagte, was ich selten tat, und ging sogar zum Vater. Der sah mich erstaunt an und wies mich dann rauh ab. Ich wurde in mein Zimmer beordert, weil ich dem Vater patzig geantwortet hatte, und erhielt Stubenarrest. Das schlug dem Fatz den Boden aus. Lange hatte ich mich ruhig gehalten, weil ich den Cousinen gegenüber möglichst damenhaft erscheinen wollte, nun aber, wie der Vater mich wie ein Kind auf das Zimmer schickte, brachen aller Trotz und alle Wildheit wieder in mir aus. Ich warf mich auf mein Bett und schluchzte, dann sprang ich wieder auf, rannte zur Tür, die meine Erzieherin auf Vaters Befehl hinter mir abgeschlossen, und rüttelte am Schlotz. Endlich wurde ich ruhiger, aber meine Phantasie arbeitete nur um so stärker. Ich sann auf irgendein Mittel, um meinem Kerker zu entfliehen. Endlich kam mir ein Gedanke, und ich trat an das Fenster. Ich wohnte damals in einem hübschen Mansarden zimmer. Das große, neue Gutshaus stand noch nicht, das wurde erst gebaut, als Bruder Georg später den Besitz übernahm, und der alte Bau war zwar sehr weit aus gedehnt, aber nur einstöckig, und oben nur ein paar Man sarden, von denen die größten mir und der Erzieherin zugewiesen waren, während in den kleinen Kammern die Dienstboten schliefen. Vor meinem Fenster war das Dach ziemlich flach, und blitzschnell durchflog mich ein Gedanke. Nicht umsonst war ich, wenn die wilde Laune mich überkam, auf die höchsten Bäume geklettert. Ehe ich recht überlegt hatte, stand ich schon dranßen und duckte mich auf das Dach nieder, damit mich niemand sah. Nur der eine Gedanke beseelte mich: ich war eingeschlossen! Ich, die ich mich als junge Dame zu fühlen begann! Eingesperrt, wie ein Tier im Käfig! (Fortsetzung folgt i
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