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Erzgebirgischer Volksfreund : 15.07.1926
- Erscheinungsdatum
- 1926-07-15
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1735709689-192607159
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1735709689-19260715
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1735709689-19260715
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungErzgebirgischer Volksfreund
- Jahr1926
- Monat1926-07
- Tag1926-07-15
- Monat1926-07
- Jahr1926
- Titel
- Erzgebirgischer Volksfreund : 15.07.1926
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»k 1« 15 2ult ISS« Verlag L M Gürtner, Aue Beiblatt. I OerNich» Angelegenheiten /teSs/r ^fütt-/-, -ML/FS ^aae/r L/r V/// easr L-MSF anvifttaaiGi u/u/ «/e/rzroc/t e/e/ttka/ Zri /zr T'af/ * ^a-^,//u/r- -v/ azti/ Z^Ü^F, — Os^ r//e /e/zre ^2z-r, ^z»^/s/l/sz» r/ez» Faznezr Z/aa^F. Oz-um vck/r/t i^n o^LM» />oüe/r §^kmaa»«. r/zrr/ ü/^F, mtt /z-ttc^ckzr />üz-tte» //kn nett azu/ r/e^ttc^ anra/^tt/k/en.- Ost« 2« «»KIrsickeo ^noricvooQvg«, »n« H»a«Lr»«»nIerel»ea l»«knäeG «cd okt reir«n6» V««4. v«^ var»t«d«n6» 1«t «io« prot» ^lcdtLo 8!v t»!ttv t>v!m Linkkü/ »uk meine ^Orixm»lp««1nü^»ö wit <!« 8cda^« merke „Oetd«'» UeUdapf". — V«I«oxsn 8i» io «iea eiaeckl. LeeedLEkto 6ie oeyeo /«bl? iUuetr Kereptbacder, ^o-^nde b kür 18 Pfennig Brena vr. ä. Oetker. SieIekeI2 Erlebnisse eine» Frembenlegionür». Die Ortsgruppe Aue vom „Stahlhelm*, Bun- der Front soldaten, hatte zu einem ihrer letzten Pflichtabende den ehe- maligen Angehörigen derspanischenFcemdenleglon, Hrn. Schmidt, zu einem Vortrog ilber das Thema „Im Kampfe gegen Abd el Krim* eingeladen. Der Vortragende schilderte in anschaulicher und fesselnder Weise, wie er und eine große Anzahl anderer Deutscher im Jahre 1V23 in Hamburg durch eine Vermittlungsstelle unter Aschen Vorspiegelungen angeblich als Beamter für die spanische Schutzpolizei angeworben wurde, wie die deutschen Behörden den Betreffenden für diesen Zweck bereitwilligst und mit Be schleunigung die Ausreisegenehmigungen erteilten (l), und wie die Spanier, nachdem sie ihre Opfer in sicherer Gewalt hatten, di« Maske fallen ließen. Als die getäuschten Deutschen, unter denen sich viele Ehemalige Offiziere befanden, erkannt hatten, in welche Falle sie gegangen waren und ihre Freiheit forder- ten, wurden sie einfach von Soldaten nrit geladenem Gewehr in Schach gehalten und jeder Widerstand wurde gewaltsam erstickt. Sie wurden gezwungen, ein in spanischer Sprache ab. gefaßtes Schriftstück zu unterschreiben, dessen Inhalt ihnen un bekannt war und dessen Kenntnis ihnen die Spanier vorent- halten wollten, denn als ein der spanischen Sprache kundiger Kamerad seinen Mitgefangenen den Text übersetzen wollte, wurde er von den Spaniern mit Gewalt daran gehindert. Hier mußten die armen Betrogenen gegen ihren Willen uxchrschein- lich unterschreiben, daß ihr Eintritt in die Fremdenlegion frei willig erfolgt, womit sich Spanien den Schein des Rechts zu sichern sucht. Weiter schilderte der Vortragende den Gang der militärischen Ausbildung bei der spanischen Fremdenlegion, die unwürdige Behandlung, die man den Legionären angedeihen ließ und die überaus harten Strafen, die schon bei den gering- füKgsten Ursachen und meistens in Fällen, für die die Be troffenen gar nicht verantwortlich gemacht werden konnten, verhängt wurden. Der Vortragende schilderte u. a., wie einst mals ein Legionär zur Strafe auf dem Kasevnenhofe bei glühen der Hitze unter afrikanischer Sonne so lange im Kreise Lauf- schritt machen mußte, bis er trotz energischer Nachhilfe mit der Reitpeitsche erschöpft zusammenbrach. Wasser durfte diesem Unglücklichen erst am nächsten Tage gereicht werden. Zu seiner Belustigung hatte der aufsichtführende Offizier während der Exekution ein Häufchen Zeltstöcke vor sich liegen, von denen er dem Delinquenten, so ost dieser an ihm vorbeirannte, immer einen an den Kopf warf. Diese Probe aus einem Kranz ähn licher Erlebnisse mag genügen. Fluchtversuche der gequälten Menschen waren daher an der Tagesordnung. Da sie sehr selten glückten, mußten die Zurückgebrachten schwer büßen. Auch der Vortragende hat anfänglich einen mißglückten Fluchtver such unternommen. Ms einmal zwei Deutsche wegen Flucht versuchs im Prison saßen, ließ sich der eine bei Gelegenhmt durch einen anderen deutschen Legionär heimlich seine Tasche mit seinen Habseligkeiten bringen. In dieser Tasche befand sich außerdem unglücklicherweise vom letzten Dienst her noch der Spanier heraus war, öffnete der deutsche Matrose Hrn. Schmidts Gefängnis, und die übrige Schiffsbesatzung war nicht wenig über das Erscheinen dieses blinden Passagiers über rascht. In Lissabon ließ er sich an Land setzen und meldete sich beim Deutschen Konsulat, wo er entgegenkommende Aufnahme fand. Eine Periode tiefster Erniedrigung, körperlicher und seelischer Qualen waren nun für ihn zu Ende. Wie vielen anderen deutschen Volksgenossen, die Oenfalls.durch Lug und Trug in die AMn'gigkest'fremder Völker geraten, dürfte es noch schlechter als diesem ergangen sein. Hrn. Schmidts Be-1 Ätzungen, durch die deutschen Behörden seine Schadenersatz. I l gegen Spanien durchzudrücken, sind erfolglos ge-' anderen Legionäre auf den Kasernenhof zurückgvbracht und dort zur Schau hingelegt. Im allgemeinen waren die Legionäre deutscher Nattonali- tät überhaupt nur als minderwertig betrachtet und entsprechend behandelt worden, was als grelles Schlaglicht auf die heutige Geltung des Deutschen Reiches und seiner Angehörigen ge- deutet werden kann. Nach erfolgter Ausbildung wurde der Vortragende mit an die spanische Front gegen Abd el Krim geschickt. Er schil- derte den erbitterten Kampf und sein« Schwierigkeiten durch das Fehlen geordneter Verkehrsmittel und infolge der fort- gesetzten tropischen Hitze. Der Europäer ist den dortigen Stro- pazen längst nicht so gewachsen wie die Einheimischen, wor aus sich auch erklärt, daß das Kriegsglück so lange bei den Rif leuten war. Die Rifloule sind im wahren Sinne todesmutig und von unerhörter Grausamkeit gegen Feinde, die in ihre Hände fallen. Obwohl die Rifleute die Gepflogenheit haben, Gefangene oder Verwundete, ja sogar Tote in häufig unsag- barer Weise zu verstümmeln, hat der Vortragende auch beob- achtet, daß verwundete Fvemdenlegionäre deutscher Nationali tät von ihnen geschont und sogar verbunden worden sind. Dieser scheinbare Widerspruch ist dadurch erklärlich, daß den Rifleuten bekannt geworden ist, daß die Deutschen meist unter falschen Vorspiegelungen in die Legion gepreßt und unter Zwang an die Front gebracht werden. Als Illustration für die Charakterstärke der Rifleute sei erwähnt, daß einmal ein ge fangener Rifkabyle sich standhaft weigerte, Arbeit für die Spa nier zu leisten, obwohl er dafür in unmenschlicher Weise mehr mals bis zur Bewußtlosigkeit geschlagen wurde und auf einige Zeit sogar in ein Evdloch eingegraben worden war. Jede neue Aufforderung zur Arbeitsleistung beantwortete er mit Hohn- lachen und Kopfschütteln. Schließlich, als die Spanier das Vergebliche ihrer Bemühungen einsahen, schlugen sie ihn noch mals, bis er bewußtlos liegen blieb, und gruben den wahr- scheinlich noch Lebenden endgültig in ein Erdloch ein. Nach der Teilnahme an einer Reihe größerer und kleinerer Kampfhandlungen wurde die Division, in der Hr. Schm, kämpfte, in eine unglücklich für die Spanier verlaufene Ope ration hineingezogen, während der er von zwei Gewehrschüssen getroffen wurde. Mit schwindenden Sinnen vermochte er sich noch mit Hilfe seines Maultieres, das er als Maschinengewehr führer bei sich hatte, rückwärts zu retten. Während seines Lazarett-Aufenthaltes in einer afrikanischen Hafenstadt schmug gelte er sich auf seinen Krücken in ein skandinavisches Schiff, wo er zufällig einen deutschen Matrosen traf, der ihm beim Verbergen im Schiffsinnern behilflich war. Vorerst versteckte sich Hr. Schm, im Kohlenbunker und später, da die Kontrolle der Schiffe durch die Spanier nach Deserteuren immer schärfer wurde, unter den Fußbodenplatten im Heizraum hes Schiffes. In diesem Versteck hat er fürchterliche Qualen durch Hitze, Durst und Schmerzen seiner noch ungeheilten Wunden ausstehen müssen, so daß er sich dem Wahnsinn nahefiihlte. Als das Schiff Gibraltar passiert hatte und man aus dem Hoheitsbereiche einige scharfe Munition, was später durch die Spanier ent deckt wurde. Zur Strafe wurden alle drei hiervon bettoffenen Legionäre zum Tode verurteilt und während -es Marsches yon einer hinter ihnen marschierenden Abteilung meuchlings er schossen. Die verstümmelten Leichen (die Schüsse waren aus mühungen, i nächster Nähe abgegeben) wurden dann zur Abschreckung der > forderungen blieben, da Spanien vorsorglich di« Werbung für feine Frem denlegion in solchen Formen durchführen läßt, daß es den Geschädigten später nicht möglich ist, den Beweis der Täuschung zu führen. Deutschland ist heute aller Machtmittel beraubt, hier dem Rechte zum Sieg zu verhelfen, so daß es di« offenbar« Versklavung derjenigen Volksgenossen, die ein Schicksal der geschilderten Art trifft, tatenlos mitansehen muß. Die zahlreich erschienenen Iungmannen des Stahlhelms und viele Gäste folgten den interessanten Ausführungen des Vortragenden mit großer Spannung, und es darf gehofft wer den, daß sie auf fruchtbaren Boden gefallen sind. Wenn die Verhältnisse in der Fremdenlegion Spaniens, also der eines Landes, das ein verhältnismäßig wohlwollendes Verhältnis zu Deutschland etnnimmt, so sind, wie sie Hr. Schmidt aus eigener Erfahrung geschildert hat, dann kann sich jeder vor. stellen, daß es in der Fremdenlegion Frankreichs, die zudem zu einem viel größeren Prozentsatz aus Deutschen besteht, noch viel trauriger zugehen mag. Der Vortrag war eine Anklage von gewaltiger Wucht gegen die Nationen, die Menschen in der geschilderten Weise versklaven, und ferner auch gegen die jenigen, die dazu beigetragen haben, daß Deutschland seiner Machtmittel beraubt wurde und tatenlos dem Mißbrauch seiner Volksgenossen zusehen und diese Kulturschande dulden muß. Daher wäre es zu wünschen, daß sich auch in hiesiger Gegend noch viel weitere Kreise den Bestrebungen des praktische Me deraufbauarbeit leistenden Stahlhelms anschließen, statt sich passiv zu verhalten oder den offenbaren Schwindel des Inter nationalismus zu unterstützen. Deutsches Volk, wach auf! Kel-in -es Alltags. Roman von Ernst Edler von der Planitz. (Nachdruck verboten.) (S. Fortsetzung.) 3. Kapitel. Magda starrte den Beamten verständnislos an. Ihre Wkllensfähigkeit schien plötzlich gelähmt. Sie war bis Hierher geeilt, nur von dem einen Triebe gejagt, Karr zu erreichen und zu retten. Daß er die Stadt verlassen, mit der Stadtbahn verlassen, war ihr auf der Jagd unwiderlegbar klar geworden. Deshalb stand sie auch hier, deshalb drängte es sie, fortzu- kommen. Aber wohin? — Daß die Stadtbahn mit ihren Ringen und Schleifen, mit ihren zahlreichen Anschlüssen an di« Vorortbahn nach allen Richtungen der Windrose Dutzende, ja Hundert« von Möglichkeiten bot, dem Hexenkessel der Metro- pole zu entschlüpfen, darüber dämmerte ihr zum erstenmal die volle Erkenntnis bei der Frage des Beamten. Mit einem Schlage brach ihre bis aufs höchste gespannt« Energie zusam- men, und sie empfand mit Schrecken das Zwecklos« ihres Ge barens. Ein« derbe Faust schob sich von rückwärts an ihr vorbei zum Schaller. Ein Geldzettel knistert« auf dem Zahlbrett. ,Lichtenberg, dritter!* knarrte «ine derbe Männerstimme, während ihr Besitzer Miene machte, die Zögernd« vom Schalter wegzudrängen. „Was steht denn das Frauenzimmer und hält die ganze Kolonne auf?" schimpft« weiter hinten in der Reihe ein ruß- geschwärzter Mensch in blauem Arbeitskittel. „Lieben Sie doch gefälligst den Kassierer, wenn die Leute weg sind!" Magda sah, wie ihr Nebenmann seine Fahrkarte empfing, und dessen Nachfolger sich bestrebte, an seine Stelle zu treten. „Mir auch Lichtenberg", murmelte sie, nur, um von hier wegzukommen, da sich bereits all« Gesichter teils verwundert, teils grinsend nach ihr richteten. Sie umkrallte di« Fahrkart« und taumelte zur Seit«. Rechts und links an ihr vorbei huschten Schatten eilender Ge stalten und versanken vor ihr auf der breiten Bahnsteigtveppe. Wie «in« riesige Kaskade von Menschenleibern quoll der Strom unablässig hinab in dl« Tiefe. Ratlos ließ sie sich in diesem Strudel hin und her stoßen, bis ihr mit einemmal der Gedanke aufstieg, daß sie ja mit ihrer Fahrkarte Zutritt zum Bahnsteig erhalten und dort wenigstens Ausschau nach Karr hatten könne. So ließ sie sich denn von den Menschenwogen mit- tveiben und stand gar bald unter dem lustigen Dach der Inselstation -wischen schnaubenden und dampfausstoßenden Bahnzügen. Ein unbeschreibliches Gedränge herrschte. Zug auf Zug poltert« heran, spie seine Menschenmassen aus, saugte neu« an und dampfte davon. Es war ein ewiges Klappen von Abteiltüren, Schieben, Drängen und Laufen. Ein Auf und Ab, Hin und Her, ein.Signalhochziehen, ein Dampfausstoßcn, ein Räderpoltern, «in Kommen und Schwinden. Und drüben auf den Ferngleisen der ungeheuren Dahnanlage schnaubten di« Güterzüge, donerten die Postzüge, jagten die Schnellzüge. Der Riesenpolyp Berlin streckte hier, ohne Rast und Ruh', Tag und Nacht, ewig hungernd, ewig nährend, seine Fang arm« aus über di« gleißenden Gleise der Provinz, holte sich neues Menschenmaterial und warf verbrauchtes von sich. Magda durchwanderte den Bahnsteig von einem Ende zum anderen. Jede Figur, di« eine Aehnlichkeit mit Karr zeigte, faßte sie ins Auge; jeder Stimme folgte sie, die ihr be kannt dünkte. Endlich gab sie es auf und ließ sich schwach und hoffnungslos auf eine der Schutzbänke nieder. „Was machen Sie denn hier, Fräulein Wegner, mitten in der Arbeitszeit?" /ragte eine blecherne Männerstimme. Und wie sie erschreckt aufblickte, stand der ehemalige Buchhalter vor ihr und grüßte sie kordial. „Sind Sie nicht mehr bei Karr?" fügt« «r hinzu, als sie mit der Antwort zögerte. „Warum soll ich nicht?" antwortete sie gereizt, ohne seinen Gruß zu erwidern. Sie hatte den frechen Menschen nie leiden können. „Nun, soviel ich von früher weiß, schickt der Alte keine Damen auf Kommissionen. Oder steht es etwa so mies, daß er sich keinen Gehilfen mehr leisten kann? Was?" „Wie kommen Sie zu der Frage? Und was geht Sie der Chef überhaupt noch an?" Magda erhob sich empört. Sie suchte an dem vor ihr Stehenden vorbeizuschlüpfen. „Nun, nun, Fräulein, legen Sie sich doch nicht so ins Zeug für eine Firma wie Paul Karr", sagte er hämisch. „Samen sn gras", fügte er nach einer Pause hinzu. „Der Samen will nicht aufgehen, dünkt mich, obgleich er seit fünf- zehn Jahren — so lange ist es ja wohl — ausgesät wird. Pfui Deibel, ist das auch ein Geschäft!" Und er lachte aus vollem Halse, als ob er eben einen großartigen Witz fertiggebracht. Und als Magda keine Lust zeigte, auf seinen Ton einzugehen, begann er aufs neue: „Da sehen Sie mich an! Seit fünf Jahren schon selbständig. Ohne einen Pfennig Kapital. Auf mem Wort. Mit einem Nickel in der Tasche habe ich ange- sangen. Sie wissen ja bei Karr, dem schäbigen Knauser, war ja nichts zurückzulegen. Und leben will man doch. Wie?! Also probierte ich's mit einer Kriegslieferung. Hatte da so «inen Freund in Brüssel. Na ja, wie's halt gemacht wird. Und wie's eben zum Klappen kommen sollte, holten sie mich zu den Schippern. Futsch das Geschäft und futsch das Ver gnügen! Das geht nun mal so. Und jetzt, wo der Rummel aus ist, bin ich wieder bei den Samen. Geniert mich nicht. Di« Hauptsache ist doch nur, wen ich vertrete. Und ich habe fein« Vertretungen. Lauter feine Firmen. Sogar eine Lon- doner habe ich seit zwei Monaten. Und dabei kein Risiko, keine Spesen, keine Lagergelder. Alles nach Muster, gehn Prozent Provision. Inkasso zwei Prozent. Und keinen Ab schluß unter zweihundert Doppelzentner. Hören Sie mal, ich Habs da eine Idee! Ich bin für morgen zu Poller L Eo. nach dem Alexanderplatz bestellt. Aber ich könnte es vielleicht schon heute riskieren, wenn ich den Chef in seiner Villa draußen aufsuchte. Der alt« Herr ist zwar «in komischer Kau-. Und ich kann riskieren, daß er mich rausschmeißt. Aber es ist ein so schöner Tag, und mit dem Osten bin ich für heute fertig, und die Briefe, ach was, di« haben Zeit bis heut« abend. Wissen Sie was? Fahren Sie mit! Ihr Oller wird auch ohne Sie fertig. Sie können ihm ja was weismachen. Kranke Tante, verlorenes Portemonnaie. Herr Gott, was gibt's für eine Masse Ausreden, wenn das Wetter schön ist. Und eine Partie am Wochentag zu zweien. — Also seien Sie kein« Tran, lampe und kommen Sie mit! So jung wie heute amüsieren Sie sich niemals wieder." Er hatte zuletzt hastig, fast erregt, gesprochen, und seine kreischende Stimme überschlug sich zum öfteren. Seine ver lebten Züge hatten sich gerötet, und die kleine, zappelige Figur tanzte förmlich vor der marmornen Mädchengestalt. Wer den mit auffälliger Modesucht gekleideten Menschen auf das schlichte Mädchen einreden sah, der erkannte ohne viel Erfah rung den Großstadthelden, der ein Abenteuer vorzubereiten sich mühte. Magda hatte von dem ganzen Redeschwall so gut wie nichts vernommen. Ihre Gedanken irrten weit ab, dort draußen in einer unbestimmten, nebelhaften Ferne, in welcher ein unglücklicher Mann umherschweifte, um den schwersten Kampf zu kämpfen, der ihn jemals bedroht. Nur ein einziges Wort war an ihrer angstdurchbebten Gedankenreihe haften ge blieben. Das Wort „Villa Poller". Es war wie das plötzliche Aufleuchten eines fernen Signals auf wogender, sturmge peitschter See. Der Lärm ringsum, das betäubende Zu- sammenströmen und Zerfließen zahlloser Menschen, rastloser Züge, bewegter Signalmasten, qualmender Maschinen, gau kelte ihr das verwirrende Phantom eines Schiffbruches vor, in dem ihr jählings ein Hoffnungsschimmer entgegenkam. „Villa Poll?r". Sie wußte, daß Poller ein reicher Junggeselle und stadtbekannter Sonderling war, einer jener brutalen Drauf gänger, denen kein Zweck zu schlecht, kein« Tradition heilig war. Wie? Wenn Karr den verzweifelten Entschluß gefaßt haben sollte, zu Poller zu fahren und ihn vielleicht umzustim men? — Wenn der unberechenbare Mann, der seine rücksichts- lose Hand auf: Karrs Vermögen und Warenbestand gelegt hatte, mit sich handeln ließ, war die Situation ja noch gar nicht so fürchterlich, wie sie ihr heute stütz erschien. Poller war nicht nur Hauptgläubiger, sondern, wenn man von allerlei Läpperschulden absah, so gut wie der einzige. Er hatte ganz allmählich die Firma In ein Netz von Fäden eingesponnen, gleich einer jener dicken, ekelhaften Spinnen, die Magda mit unter in dunklen Ecken des Samenspeichers zwischen verstaub ten Dalken und abbröckelnden Kalkwänden lauern sah. Eine dieser dicken Bestien war Poller, der bisher nur gewartet hatte, eines Tages das ganze Lager aufzustessen und die alt«, wenn auch schwache Firma in seine dunkle Eck« zu schleppen. Wenn er mit seinem vielen Geld das bekannte Firmenschild neu aufpolierte, hatte er im Handumdrehen eine Filiale, die eine ganz annehmbare Rente repräsentierte. (Fortsetzung folgt.)
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