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Ottendorfer Zeitung : 20.05.1906
- Erscheinungsdatum
- 1906-05-20
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1811457398-190605204
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1811457398-19060520
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1811457398-19060520
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungOttendorfer Zeitung
- Jahr1906
- Monat1906-05
- Tag1906-05-20
- Monat1906-05
- Jahr1906
- Titel
- Ottendorfer Zeitung : 20.05.1906
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polinscke Aunälckau. Deutschland. *Dsr Kaiser hat mit der Taufe des neuen Linienschiffes „L", die am 28. d. auf der Sch.chauwcrst zu Danzig vollzogen wird, das Herzogs paar von Pleß beauftragt. Das Schiff erhält den Namen „Schlesien". * Der Kaiser wird neueren Entschließungen zufolge den österreichischen Manövern nicht bei wohnen. "Prinz Heinrich von Preußen hat der Famibe Karl Schurz' telegraphisch sein Beileid zum Hinscheiden von Karl Schurz ausge sprochen. * In seiner ersten Rede im preußischen Abgeordnetenhause erklärte der neue Eisenbahnminister Breitenbach» daß er im Sinne der Grundsätze seines Vorgängers v. Budde sein Amt verwalten werde. * Die vom Bundesrat an den Aus nahmevorschriften für die Sonntagsruhe vorgenommenen Änderungen werden demnächst veröffentlicht werden. * Eine Vorlage, die für die Entschädi gung der Ansiedler in Deutsch-Süd westafrika 10'/- Millionen Mk. fordert, wird dem Reichstage demnächst zugehen. Die Vorlage soll noch vor der Vertagung des Reichstages erledigt werden. i *JmRudolstädterLandtag führten die sozialdemokratischen Abgeordneten durch Verlassen des Saales zum dritten Male Be- fchlußunfähigkeit herbei. Die Beratung der Wahlart der Höchstbesteuerten wurde nunmehr vom Präsidenten von der Tages ordnung abgesetzt. * Ein großes Verdienst haben sich die Eng länder um die Beruhigung unsrer südwest - afrikanischenKolonie erworben. Unser gefährlichster Gegner in Deutsch-Südwestafcika, der verwegene Bandenführer Morenga, der unsre Truppen ständig in Atem hielt, ist un schädlich gemacht worden; er wurde von der englischen Kappolizei gefangen genommen und soll nach Uppington (Kapland) gebracht werden. Österreich-Ungar». *Jm österreichischen Abgeord netenhause stellte sich am Dienstag der neue Ministerpräsident Prinz zu Hohen lohe-Schillingsfürst der Volksvertre tung vor. Ec betonte, den ersten Punkt seines Regierungsprogramms bilde die von allen Völkern Österreichs mit Spannung erwartete Wahlreform. Die Programmrede des Prinzen Hohenlohe hat im allgemeinen eine gute Aufnahme gefunden. Bemerkenswert ist, daß die Tschechen ihn mit respektvoller Ruhe anhörten, trotzdem in dem Programm jeder Hinweis aus national-politische Zugeständnisse fehlte. Bezüglich Ungarns erklärte der neue Ministerpräsident, daß an Stelle der früheren Übereinkommen, eine neue noch zu vereinbarende Regelung der wirtschaftlichen Beziehungen treten solle. ^raukrei». * Infolge der Niederlage der blockseindlichsn Parteien bei den letzten Wahlen wird Doumer sich nicht mehr um die Präsidentschaft der Kammer bewerben. * Die Negierung bereitet für die nächste Session der Kammer einen Gesetzentwurf betr. die Einführung der Einkommen steuer vor. England. *Mit großer Befriedigung wird man in .Deutschland von der begeisterten Kund gebung Nwiz nehmen, dis den deutschen Bürgermeistern in England bereitet wurde. Wenn die Besuchsreise unsrer hervorragenden städtischen Beamten und Stadtverordneten keinen andern Erfolg zu verzeichnen haben sollte, als die Rede, die der Kriegsminister Hal- dane ihnen zu Ehren hielt, so wäre sie schon darum nicht als nutzlos zu bezeichnen. Der hervorragende englische Staatsmann erklärte in »einem in d eu tsch er Sp ra che gehaltenen Trinkipruch, daß er Deutschland nicht nur kenne, sondern auch liebe, und schloß mit den Worten: „Es kann keine Rede von Nebenbuhlerschaft zwischen unsern Völkern sein." (So erfreulich solche Äußerungen auch sein mögen, so kann man sich doch nicht enthalten, darauf zu ant worten: Der Worte find genug gewechselt, nun laßt uns endlich Taten sehen.) Italien. * Die Gemüter haben sich immer noch nicht beruhigt. Ja Cagliari (Sardinien) kam es auf dem Bahnhof zu einem heftigen Zusam menstoß zwischen der Polizei und einer An zahl Personen, die gegen die Steuerer hebungen protestierten. Polizei und das helfend eingreifende Militär hatten 25 Verletzte, während von der revoltierenden Menge 18 schwer verwundet wurden, von denen zwei starben. Die Der neue russische Minister dtS Auswärtige» v. Iswolski. Steuerreform auf Sardinien hat schon häufig zu solchen Auftritten Veranlassung gegeben. Rußland. * Die Adresse an den Zaren, die am Dienstag in der Duma verlesen wurde, deckt mit nicht zu überbietender Deutlichkeit die un geheure Kluft auf, welche Volk und Regierung in Rußland immer noch trennt. Mit außer ordentlichem Freimut wird dem Zaren die Not des Landes geschildert und im Anschluß daran das Programm der Duma unterbreitet. Die Forderungen, die daS Programm der Duma enthält, find derart, daß ihre Erfüllung die alte Staatsverfasfung Rußlands einfach umstürzen würde. Die Hauptforderungen der Adresse, die als Antwort auf die Thronrede gedacht find, find folgende: Volle Amnestie, allgemeines Wahlrecht, Verantwortlichkeit des Ministeriums, vollgesetzliche Gewalt der Reichsduma, Unverantwortlichleit des Zaren, Abschaffung der Todesstrafe, Abschaffung der Ausnahmezustände, Abschaffung des Reichs rats, Revision der Staatsgrundgesetze, Koa- litionsrccht, obligatorisches Expropriationsrechl, unbeschränktes Fragerecht für die Neichsduma. In anbetracht dieser daS zarische Regiment in seinen Grundmauern erschütternden Forderungen verdienen die Gerüchte Glauben, nach denen im Mrnisterraie zwar im allgemeinen eine Amnestie befürwortet, am selben Tage aber auch die Auflösung der Re'chsduma er wogen wurde. Die nächsten Tage schon werden zeigen, inwieweit der Zar geneigt ist, sich auf den Boden der von ihm versprochenen Ver fassung zu stellen. Balkauftaate». * Infolge einer neuen Note mit 24 stündiger Frist, die England in der türkis ch - ä gy p - tischen Streitfrage an die Pforte richtete, und in der eine Grenzregulierung durch England angedroht wurde, hat die Türkei nun mehr erklärt, daß sie alle englischen Forderungen bewilligen werde. John Bull ist also, wie vorauszusehen war, Sieger geblieben. *Jn den Dörfern Stöger und Baritsch (Montenegro) haben muselmanüsche Sol daten seit zwei Tagen gegen Christen gekämpft. Die Zahl der Toten und Ver wundeten ist noch unbekannt, doch soll fie ziemlich bedeutend lein. Die christlichen Familien sollen sich über die montenegrinische Grenze in Sicherheit gebracht haben. Amerika. * Präsident Roosevelt hat an den Sohn des verstorbenen Karl Schurz ein Beileids telegramm gesandt, das damit schließt, die Dienste von Schurz im Krieg und Frieden würden nicht vergessen werden, so lange die Geschichte der Ver. Staaten bestehe. Alle öffentlichen Gebäude in New Dark haben an- länlich des Toves Karl Schurz' halbmast geflaggt. Aus clem Keicksrage. Der Reichstag erledigte am Dienstag die Diäten- vorlage in dritter Beratung. Ein neu eingegangener Antrag Gröber will, daß dis Auszahlung der 3000 Mik -Entschädigung derartig erfolgen soll, daß am 1. Dezember 200 Mk., am 1. Januar 300 Mk., am 1. Februar 400 Mk., am 1. März 500 Mk., am 1. April 600 Mk. und am SessionSschluß die rest lichen 1000 Mk. bezahll werden. Der Strafabzug für das Fehlen in einer Sitzung sollte auf 25 Ml. festgesetzt werden; letzteres wurde abgelehnt, dagegen der erste Teil des Antrags Gröber angenommen. Sonst blieb es bei den Beschlüssen zweiter Lesmig, gegen die keinerlei prinzipielle Einwendungen durch den Staatssekretär erhoben worden waren. Auf Antrag der Konservativen wurde über beide in Be tracht kommenden Vorlagen namentlich abgestimmt. Lie Änderung des Art. 32 der Verfassung wurde mit 224 gegen 41 Stimmen bei einer Stimm enthaltung, daS Diätengesetz selbst mit 210 gegen 52 Stimmen bei drei Stimmenthaltungen an genommen. Darauf wurde noch daS Mantelgesetz zur ReichSfinauzreform in zweiter Beratung er ledigt. Die KommisfionSbeschlüsse wurden nur in soweit geändert, daß auf Antrag Büsing (nat.-lib.) der Zeitpunkt einer regelmäßigen Schuldentilgung erst vom Jahre 1908 beginnen soll. Am 16. d. sicht zunächst auf der Tagesordnung die Fortsetzung der zweiten Lesung des Gesetzes betr. die Ausgabe von Reichskassenscheinen zu 10 Mk. statt der bisherigen durch Reichsbank, noten ersetzten zu 20 und 50 Mk. Nach längerer Geschäftsordnungsdebatte wird ein Antrag des Abg. Arendt (freikons.) mit zur Beratung gestellt, welcher lautet: „Solange Reichskassenscheine im Umlauf sind, ist die Hälfte des MünzgewinneS von der Ausprägung von Reichsscheidemünzen zur Einziehung von Reichskassenscheinen zu verwenden." Abg. Graf Kanitz (kons.) zieht zwar feinen Antrag auf Erhöhung des Betrages der ReichSstlber- münzen von 15 auf 20 Mk. pro Kopf der Bevölkerung zurück, begründet ihn aber doch. Reichsschatzsekretär Frhr. v. Stengel: An sich besteht kein prinzipielles Bedenken gegen die Vermehrung der Silbermünzen. Aber da Silber gegenwärtig ein durchaus minderwertiges Münz metall darstellt, so würde man durch Ausprägung von Scheidemünzen eine Münzschuld bewirken; deren Einlösung in schwierigen Zeitläuften in Gold geschehen müßt«. Die Novelle von 1900 hat 90 Mill, silberner Scheidemünzen mehr in Verkehr gebracht. Eine weitere Vermehrung läßt sich nicht recht fertigen. Ich bitte um Ablehnung deS Antrages Arendt. Abg. Arendt (freikons.) empfiehlt seinen An trag und bedauert, daß dies Gesetz nicht in einer Kommission beraten ist. Das Gesetz wird hierauf angenommen. Es folgt dis Beratung der Resolutionen zum Steuer-Mantelgesetz, und zwar zu nächst der von der Kommission vorgeschlageuen Resolution auf Reform der Branntwein steuer. Abz. Wfeiner (fress. Vp.): Die Branntwein steuergesetzgebung in ihrer jetzigen Form stellt einen wahren Rattenkönig verschiedener Bestimmungen dar. In der Kommission hat ein RegierungSvertreter zu- peben müssen, daß die Brenner infolge der Kontingentierung aus der Staatskasse Millionen erhalten. Nachher rechtfertigte freilich der Regie- rungSbsrtreter di-se Liebesgabe, von der natürlich die Großbrennereien den Löwenanteil erhalten. Benachteiligt werden die Brennereien, dis nicht an der Kontingentierung beteiligt sind, benachteitigt werden Reich und Sieuerzahler. Der gegenwärtige Zeitpunkt erscheint zu Reformen besonders geeignet, da eine Nmeinteilung des Kontingerit» auf Grund der Volkszählung von 1905 ohnedies bevorsteht. Adg. Holtz (freikons.): Der Vorredner hat ein sehr wenig warmes Herz für die Landwirtschaft. Die Ärmsten der Armen brauchen den Branntwein zur Stärkung ihrer Nerven. Der Sp'ritusring hat sich große Verdienste erworben. Die Landwirtschaft befindet sich in schwerster Notlage. 1902 hat man erst daS Branntweingesetz geändert. Darum sollte man jetzt doch dem Brennereigewerbc Ruhe gönnen. Abg. Südekum (soz): Die Branntweinsteuer- gesetzgebung ist nicht der Landwirtschaft, den leichten Böden im allgemeinen zugute gekommen, sondern nur den Spiritusbrennern. Die Landwirtschaft hat sich in den letzten Jahren wahrhaftig nicht über einen Mangel an Berücksichtigung durch die Gesetz gebung zu beklagen gehabt. Abg. Gamp (freikons.) polemisiert gegen den Vorredner, der auf manchen andern Gebieten er heblich bessere Kenntnisse besitze als auf dem vor liegenden Der sogen. Liebesgabe ist es zu danken, daß iw Jahre 1887 nach Erhöhung der Branntwein steuer auch keine einzige kleine Brennerei eingegangen ist. Der Kohlenring ist doch viel eher als gemein schädlich anzusehln. Wir werden über kurz oder lang doch zu einer Reform, und zwar zum Monopol kommen. Abg. Pachnicke (frs. Vgg.): Das Treiben deS SpirituSringeS ist vom Zentral verbände deutscher Kaufleute und Gewerbetreibender geradezu als unheil voll bezeichnet worben. Abg. Speck (Zmtr.): Wir werden der Reso lution, wie sie jetzt vorliegt, zukimmen. Für ein Branntweinmonopol sind wir nicht zu haben. Zum müdesten soll man die Spiritusexportprämie sukzessive aufheben. Dem Unfug, denaturierten Spiritus durch Entziehung des Denaturierungsmittels zu renatu rieren, sollte der Staatssekretär ebenfalls bald ein Ende bereiten. Die Resolution wird gegen die Stimmen der Rechten angenommen. Eine weitere Resolution der Kommission verlangt die Beseitigung der Ausnahmetarife im Ortsverkehr für Postkarten, Drucksachen, Waren proben und Geschäftspapiere sowie die anderweitige Festsetzung der Gebühren für außerordentliche Zeitungsbeilagen. Ein AbänderungSantrag Arendt u. Gen. (frei kons) schlägt für Postkarten im Ortsverkehr den 3 Pfennigtarif vor. Abg. Singer (soz.) bekämpft die durch die Resolution Herbeigeführte Verteuerung des Verkehrs. Man sollte die Porto- und Telegrawmzebühren- sreiheit der fürstlichen Hofverwaltungen aufheben, wenn man die Einnahmen der Post- und Tele graphenverwaltung vermehren will. Derselbe Staats sekretär, der auf dem gegenwärtig in Rom tagenden Weltpoflkongrsß für eine Verbilligung des Portos eingetreten ist, hat sich in der Steuerkommisston den Bestrebungen auf eine Verteuerung des Portos sehr geneigt erwiesen. Die Erklärungen vom BundeS- raisüsche beim Erwerb der Privatposten wären mit den Grundsätzen von Treu und Glauben nicht in Einklang zu bringen, wenn sich die Verwaltung die vorliegende Resolution zu eigen macht. Ich bitte die Resolution und den Antrag Arendt ab-ulehnen. Abg. Graf Kanitz (kons ): Die Post verzinst durchaus nicht das riesige, auf etwa 800 Millionen zu schätzende Kapital, das in ihr steckt, sie arbeiiet im Gegenteil mit Mindererlrägen. Der Vorredner hat in der Kommission die Resolution städtefeindlich genannt. Der gegenwärtige Zustand aber ist nach meiner Ansicht entschieden landseindlich, er ist eine Benachteiligung des platten Landes zugunsten der Großstädte. Die zwei Pfennig Porto für die Karte lm Ortsverkehr läuft sich der Briefträger ja allein an den Stiefelsohlen ad. Den Antrag Arendt kann ich nicht annehwen- Eine so geringe Erhöhung erzeugt nur Verdruß und bringt nichts ein. Abg. Merten (frs. Vp.): Von einer Unter bilanz der Reichspostverwaltung kann nicht im ge ringsten die Reds sein. Die Stadt Berlin hat nach der letzten Statistik allein über 82 Millionen Mark zu den Gesamteinnahmen der Postverwaltung bei getragen. Der Vorredner glaubt, daß der Brief träger sich das Porto für eine Karte von 2 Pfg. an den Schuhsohlen ablaufe. Ja, aber auf dem Lande kommt es doch fast täglich vor, daß ein Briefträger drei Stunden weit gehen mutz mit einer 5 Pfg.-Karte, einem Paket oder einer Postanweisung. Die ganzen Ostprovinzen, einschließlich Schlesien und Mecklenburg, also 11 OberpostdireklionSbezirke, haben 1904 65 Millionen Mark an Posteinnahmen aufgebracht gegen 82 Millionen in Groß-Berlin. Darauf tritt Vertagung ein. Von und fern. Dis AuSstrlluüg der Deutsche« Laud- Wirtschafts - Gesellschaft 1907 wird in Düsseldorf ftaüfiuden. Die dortige Stadt- verordneten-Versammlung hat beschlossen, dem Vorstand der Gesellschaft kostenlos ein Gelände und einen Zuschuß von 25 000 Mk. zur Ver fügung zu stellen. Ki Vie Mage äer Gerechtigkeit. 8) Roman von Maximilian Brytt. Kortletznng.» Der leise Luftzug streifte Stephanies Antlitz. Er klopfte einmal, zweimal. Die innere Tür wurde geöffnet, nun auch noch die Außentür. Ein Lichtschein fiel heraus, der Kolwoda im ersten Moment blendete. „Eine Minute, Herr Struck! Sie dürfen nicht reisen, bevor ich nicht . . Da schloß sich die Tür schon wieder Hütter Franz, der hastig und erregt ins Atelier ein- getreten war. Stephanie zitterten die Kniee. Ihr Bräu tigam hatte fie nicht gesehen. Sie atmete er leichtert auf. Tastend suchte fie nun die Treppe wieder zu erreichen. , Als fie in den Korridor eintrat, unsicheren Schrittes, wurde fie von keinem der Gäste ge sehen. Nur eine Frau, die zum Dienstpersonal gehörte, befand sich im Korridor. Sie drehte dem Fräulein den Rücken. Stephanie suchte rasch die nächste Zimmertür zu erreichen; fie konnte daher nicht feststellen, ob die Person sich noch umgewandt und fie erkannt hatte. Im Salon waren inzwischen die Fenster wieder geschloffen worden. Die Vorderräume füllten sich, denn ein Klingelzeichen verkündete den Beginn des Einakters, den man sich, um das Hereintransporiieren der inzwischen durch die ganze Wohnung verstreuten Stühle über flüssig zu machen, stehend anhören wollte. Niemand als Stephanie wußte um die Ab wesenheit des Bräutigams. Es war nicht mehr die nötige Sammlung für das Stück vorhanden, daS für eine Dilet- tantenaufführung auch viel zu lange dauerte. Stephanie sah kaum, was auf der Bühne vor ging. Ängstlich schweifte ihr Blick immer wieder nach der Tür. Ihr Herz schlug zum Zerspringen, wenn fie stch vorstellte, was jetzt zwischen ihrem Bräuti gam und Arnold verhandelt wurde. Ob er's ihm glauben würde, daß fie nie, nie zuvor miteinander über ihre Liebe ge sprochen hatten?" „Ich kann nicht mehr!" entfuhr es Plötzlich ihren Lippen. Nach Atem ringend, wandte fie stch um — im nächsten Augenblick hatte die schnell gefaßte Tante Gusti sie schon bis zur Tür gebracht. Im Dunkel des Auditoriums merkten die wenigsten, daß die Braut selbst es war, die den drückend heiß gewordenen Saal verließ. Das Spiel auf der Bühne ging ohne jede Stömng weiter. Draußen riß stch Stephanie von ihrer Tante los und jagte nach ihrem Zimmer. „Laß mich, laß mich, Tante l" flehte fie, vor der ihr Folgenden ans Fenster flüchtend. Tante Gusti versuchte ihr zuzureden, doch Stephanie preßte ihr heißes Antlitz an die Fensterscheibe. Im Dämmer der Gaffenbeleuchtung unter schied fie die Gestalt eines großen Mannes, der soeben durchs Gittertor auf die Straße trat. Er drehte sich noch einmal um und sah am Hause empor. In wildem, krampfähnlichen Schmerz schnürte l es Stephanie das Herz zusammen. Sie erkannte Arnold — den in dieser Sekunde vielleicht für immer scheidenden Jugendfreund. Ein Wimmemdes Schluchzen quoll aus ihrer Brust empor; fie warf sich, des kostbaren Kleides mit dem Crepe de Chine-Überwurf nicht achtend, der Länge nach auf die Caiselongur und weinte — weinte . . . Tante Gusti rang die Hände, beschwor fie, flehte fie an, sich Zwang anzutun — alles ver gebens. Bon drüben tönte das Lachen des jetzt infolge hübscher Bühnenfituationen dankbarer und aufmerksamer gewordenen Auditoriums herüber — dazwischen vernahm man die Hellen Mädchenstimmen der jugendlichen Dar stellerinnen. Der alten Dame war das Fest entsetzlich. Nun ging irgendwo im Hause auch das „Poltern" wieder los. Man schoß — da, richtig, da klirrte eS ja auch wieder! Stephanie weinte, ganz aufgelöst, ohne auf Zuspruch zu hören. Nun mußte Franz gemfen werden. Viel leicht verstand er eS, seine Braut zu beruhigen. Hastig begab stch Tante Gusti nach vorn. Doch es war schwer, in dem soeben aus brechenden Beifallssturm, der den Künstlern und Künstlerinnen galt, sich verständlich zu machen. Sie fragte Herrn Eckenbrecher nach dem Bräu tigam; doch der Mühlenbefitzer wußte ihr keine Auskunft zu geben. Er hatte ihn vorhin im Salon an der Balkontür zuletzt gesehen. Der Portier hatte ihn von da abgerufen — wahr scheinlich wegen der Bewirtung der Kapelle. Tante Gusti hielt sich den Kopf, so dröhnte ihr der Applaus in den Ohren. Wieder und Wied» mußten die glückstrahlenden Dillkttanten fich dem dankbaren — vielleicht wegen des endlichen Schluffes besonders dankbaren — Auditorium präsentieren. Auch der sichtlich widerstrebende Bmder der Braut ward aus der Kulisse mit vorgezogen. Tante Gusti ward jetzt von ein paar jüiv geren Damm in Anfpmch gmommen. Sie mußte daher die Braut ihrem Schicksal über lassen — auch um Kalwoda konnte fie fi4 nicht kümmern. Die junge Welt wollte tanzen. Von ver schiedenen Seiten zugleich trug man ihr die Bitte vor. H „Ja, aber wo ist denn das Brautpaar eigentlich?" fragte Eckenbrecher plötzlich. Jetzt endlich nahm man wahr, daß fie beide fehlten. Eine der Damen verriet, daß Ste phanie fich in ihr Zimmer zurückgezogen habe. Sie hatte fie vor kaum zehn Minuten dort ge troffen. Aber wo der Bräutigam war, wußte niemand anzugeben; man wußte nicht einmal, ob er noch der Aufführung des Stückes bel- gewohnt hatte. Allmählich erhielt die Unruhe das Gepräge ernster Besorgnis. Tante Gusti schickte sogar nach dem Portier, um anfragen zu lassen, ob Herr Kalwoda etwa das Haus verlaffen habe- Die jungen Leute hatten auf Eckenbrechers Weisung hin — er glaubte dem Hause einen Dienst zu leisten, wenn er den Zwischenfall möglichst vertuschte — mit dem Tanz be gonnen.
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