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Ottendorfer Zeitung : 25.11.1906
- Erscheinungsdatum
- 1906-11-25
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1811457398-190611253
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1811457398-19061125
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1811457398-19061125
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungOttendorfer Zeitung
- Jahr1906
- Monat1906-11
- Tag1906-11-25
- Monat1906-11
- Jahr1906
- Titel
- Ottendorfer Zeitung : 25.11.1906
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polit lebe KunäfckLu Deutschland. *Der Kaiser begab sich nach Kiel zur Vereidigung der Mariner^luten. *Das norwegische Königspaar wird Mitte Dezember dem deutschen Kaiserhofe einen Besuch abstatten. * Die Vorlage wegen Bewilligung der Geld mittel zum Ban der E i s en b a h n von Kubub nach Keetmanshoop (Deutsch - Südwest- Afrika) ist dem Bundesrat zugegangen. *Der Schulstreik in der Provinz Posen hat merklich nachgelassen, seitdem den Eltern der betreffenden Kinder von seiten der Schulbehörden mitgeteilt worden ist, daß alle Zöglinge, die eigentlich zu Ostern die Schule verlassen könnten, noch ein halbes Jahr länger bleiben müssen, falls sie bei ihrem Widerstand bezüglich des Religionsunterrichts beharren würden. * In Hamburg findet die Verhandlung gegen die Frauenrechtlerin Fräulein Doktor Anita Augspurg statt, die der Belei digung der Hamburger Polizeibehörde und ihrer ausübenden Organe beschuldigt ist. (Die An geklagte hat schon einmal einen vielbesprochenen Zusammenstoß mit der Polizei gehabt und zwar in Weimar, als ein Schutzmann sie in ihrem neuartigen Reformkleid für einen verkleideten Mann hielt und deshalb zur Wache bringen wollte. Die Sache endete schließlich damit, daß die Dame, als der Schutzmann unterwegs seinen Irrtum bemerkte und sie gehen lassen wollte, den Beamten zwang, mit ihr zur Wache zu kommen, wo sie eine Beschwerde über die ihr widerfahrene Unbill zu Protokoll gab.) Diesmal bandelt es sich um die Hamburger Polizei, deren Schutzleuten Fräulein Dr. Augspurg bei Ge legenheit der bekannten Hamburger Wahlrechts- Kravalle am 17. Januar d. auf offener Straße zugerufen haben soll: „Diese Gesellen glauben, sich heute alles erlauben zu können. Seht euch bloß die Konstabler an, nicht für fünf Pfennig Anstand besitzen sie. Die gemeinen Kerls fallen wie Wölfe über die Menschen her und üben ihre Wut aus I" Fräulein Dr. Anita Augs purg war damals nach Hamburg gekommen, um der Sitzung der „Hamburger Bürgerschaft" beizuwohnen, in der über die Änderung des Wahlrechts Beschluß gefaßt wurde. Die Ver handlungen werden etwa 8 Tage dauern. Osterreich-Ungarn. * Unter dem Vorsitz des Kaisers Franz Joseph fand in Wien ein Ministerrat statt. Es wurden insbesondere die mit der demnächst in Budapest beginnenden Dele gationstagung zusammenhängenden Fragen besprochen, und es wurde hierbei in großen Um rissen der Arbeitsplan festgesetzt. Man hat die Abficht, die Beratungen der Delegationen bis zum 10. Dezember währen zu lassen, damit dann die Reise des Kaisers nach Prag erfolgen kann. Überdies wurde auch eine Reihe von dringenden militärischen Fragen besprochen. * Betreffs der Nachricht, daß die Einfuhr italienischen Viehs gestattet worden sei, erklärte derMinisterpräsident Beck zwei agrarischen Abgeordneten, es handle sich um eine Anordnung zwecks Behebung der herrschenden Fleisch not. Es sei jedoch keineswegs eine dauernde Vieheinsuhr aus Italien geplant. Auch die Meinung, daß die Erlaubnis einer beschränkten Vieheinfuhr aus Italien möglicherweise die Zulassung der Ein fuhr auch aus andern Ländern nach sich ziehen werde, sei durchaus unbegründet. Frankreich. * Jn der Kammer kam es gelegentlich einer Beratung über den Bau von sechs Panzerschiffen zu erregten Auseinander setzungen. Mehrere Redner behaupteten, im Falle eines Krieges mit England würde es für Frankreich von Vorteil sein, dem See krieg Englands einfach den Kaperkrieg mit Unterseebooten entgegenzustellen. Ein andrer Redner führte aus, daß ein möglicher Krieg mit Deutschland zu Lande ausgefochten iverden müsse. Die überwiegende Mehrzahl der Redner war sich darüber ei.ng, das iDeutschlandsFlottenbau sich gegen England und nicht gegen Frankreich richte. England. *Die Frauenrechtlerinnen sind unverwüstlich. Wegen ihres ungehörigen Be tragens wurde ihnen vor einiger Zeit das Betreten des Parlaments gänzlich untersagt. Um jedoch ein möglicherweise bei den Volks vertretern für ihre Bestrebungen vorhandenes Interesse wach zu erhalten, versammelte sich nunmehr eine Anzahl der streitbaren Damen im Hose des Unterhauses, um für die Sache der Frauen ihrer Richtung zu wirken. Eine der Damen hatte gerade eine schwungvolle Rede begonnen, als eine Abteilung Polizisten den Frauen gebot, den Hof des Parlamentsgebäudes zu räumen. Da sie sich weigerten, wurden sie gewaltsam hinaus getrieben; eine der widerspenstigen Frauen wurde verhaftet und vom Westminster-Polizeigericht zu 10 Schilling Geldstrafe bezw. einer Woche Gefängnis ver urteilt. Sie zog es vor, ins Gefängnis zu gehen. Schweiz. * Der Ständerat inBern hat die vom Nationalrat bereits genehmigte Handels- übereinkunft mit Frankreich ebenfalls angenommen. Italien. * Der Papst, der wieder vollständig her gestellt ist, empfing im Thronsaal eine Anzahl italienischer und ausländischer Familien, zu sammen etwa 200 Personen. Er unterhielt sich mit einigen von ihnen kurze Zeit, wie er es immer zu tun pflegt. Holland. *Die Regierung faßte den Entschluß, die seit dem Jahre 1903 (Ermordung des Königs Alexander und der Draga) unter-, brochenen diplomatischen Beziehungen mit S e r-- bien wieder aufzunehmen. Ein neuer Gesandter wird sich alsbald nach Belgrad begeben. Dänemark. * Der König und dieKönigin sind von Berlin kommend wieder in Kopenhagen eingetroffen. Spanien. *Jn Barcelona kam es nach der Be endung von Gemeinde wählen zwischen den Anhängern verschiedener Parteien zu argen Schlägereien. Die Zivilgarde machte, als sie zur Herstellung der Ordnung einschritt, von der Schußwaffe Gebrauch. Mehrere Personen wurden verwundet, zahlreiche verhaftet. Rußland. *Jn Petersburg sollte anläßlich des Jahrestages der Einführung der Sonn tagsruhe auf Anregung der Handlungs gehilfen in der Kasanschen Kathedrale ein Dankgottesdienst stattfinden. Mehrere tausend Handlungsgehilfen strömten ans allen Stadtteilen nach der Kathedrale zusammen, fanden sie aber dicht von der Polizei umstellt, die ihnen den Eingang verwehrte. Die Menge umstand lange die Kirche und folgte schließlich der Aufforderung der Polizei, imseinauder- zugehen. (Das ist das erstemal seit etwa zwei Jahren, daß in Petersburg eine vieltaufend- köpfigeMenschenmenge gutwilligden Anordnungen der Polizei Folge leistete.) * Auf dem Bahnhof der Warschauer Eisenbahn zerstörte ein Hausen Babuarbeiter dieArbeiterkaserne, in der 5000 Arbeiter leben. Sämtliche Fenster und Türen wurden zertrümmert. Einem Zug von Gendarmen gelang es, die Ruhe wieder herzustellen, wobei zwei Personen getötet und mehrere verwunde) wurden. 14 Rädelsführer wurden arretiert. Der Überfall war seit langem vorbereitet. * Der WarschauerPolizei gelang es, 22 Personen zu verhaften, die der Teilnahme an den jüngsten Räubereien in Post wagen und Eisenbahnen dringend ver dächtig erscheinen. Balkanftaaten. * Fürst Nikolaus von Montenegro hat die von seinem Ministerium erbetene Amtsentlassung genehmigt. Das Mini sterium wurde von den Liberalen gestürzt ge- leoe> > g einer Wehrvorlage. Afrika. *Aus Marokko kommen jetzt so ernste Nachrichten, daß ein Einschreiten Spa niens unaufschiebbar erscheinen muß. Amt lichen Berichten zufolge bereiten sich ernste Er eignisse in der Umgebung der spanischen Küsten stadt Melilla vor. El Rogbi, der immer noch Ansprüche auf den Sultansitz macht, zog dort ansehnliche Streitkräfte zusammen, um die friedlichen Kabylenstämme anzugreifen, die er zunächst daran verhindern will, mit Melilla Handel zu treiben. Die Stämme bereiten einen energischen Widerstand vor. Es sind daher blutige Kämpfe zu gewärtigen. OeMlcber Keickstag. Am 20. d. wird die zweite Beratung der No- " velle über die Befähigung der Bauleiter I fortgesetzt. Abg. Malkewitz (kons.): Wir stimmen für . die Vorlage im Sinne Pes Beschlusses des Kölner Handwerker- und' Gewerbetages, indem wir unser Bemühen dahin richten, den Befähigungsnachweis > auf indirektem Wege Schritt für Schritt zur Durch- - führung zu bringen. Die Erklärung des Staats- - sekretärs, die den kleinen Befähigungsnachweis nun mehr in nahe Aussicht stellt, hat uns mit großer Befriedigung erfüllt. Von d.ep Resolutionen werden die Konservativen die Forderung der Anstellung besonderer Baukontrollbeamter nnter Zuziehung ge wählter.Vertreter der Arbeiter ablchnen und nur der Forderung von Bauarbeiterschutzverordnungen zustimmen. In bezug auf den Fortbildungsschul schulzwang stimmten sie der am Montag Angebrachten Resolution Trimborn zu, die Resolution über den kleinen Befähigungsnachweis nehmen sie gleichfalls an, trotz der Erklärung des Staatssekretärs, in dem Sinne: Mehr Dampf, Herr Minister! Möge der Staatssekretär, der in der Versammlung im . Zirkus Busch am letzten Sonntag als der Lokomotiv- - sichrer der Sozialpolitik bezeichnet worden ist, auch Lokomotivführer der deutschen Handwerkerpolitik, werden! Geh. Rat Spielhagen beantwortet Fragen der Vorredner nach dem Geltungsbereich und nach der Behandlung juristischer Personen. Abg. Böttger (nat.-lib.) erklärt auch die Zu stimmung! seiner Fraktion zu dem durch die Kommission verbesserten Entwurf, da dadurch eine H chung der Solidität im Handwerk erreicht werden würde. Der Resolution über den kleinen Be fähigungsnachweis stimmen auch die National liberalen zu; den Antrag der Sozialdemokraten und die Resolution der Kommission, soweit sie in gleicher' Richtung geht, lehnen sie ab, da die Beteiligung der Arbeiter an der Beukontrolle nichts nütze, wenn sic von den Bauunternehmeen abhängig sind, und im andern Falle Zwistigkeiten in das Baugewerbe bringe. Abg. Frohme (soz.): Den Entwurf, so wie er ist, lehnen wir ab. Der Redner begründet sehr eingehend den von den Sozialdemokraten auS- gcarbciteten Gesetzentwurf. Abg. Gamp (sreik.): Die gestrigen Erklärungen des Staatssekretärs werden dem Handwerk wieder Mut machen. Sie sind es eigentlich, die uns ver anlassen, für die Vorlage zu stimmen und ich bin gern bereit, die Streitaxt mit dem Staatssekretär wegen seiner früheren Haltung zu begraben. Staatssekretär Graf Posadowskh: Man hat' versucht, einen Gegensatz zwischen meinen gestrigem und meinen früheren Erklärungen über den Be fähigungsnachweis zu konstruieren. Bei dem kleinen Befähigungsnachweis, den ich ankündigte, soll nicht die technische, sondern Lie moralische Befähigung, der Handwerker nötig sein; um Lehrlinge auszu-- bilden. Der Erzieher muß selber- eine geordnete Er-' zichung gehabt haben, und für eine solche ist der Besitz des Meistertitels eine Garantie. Es.ist eine Forderung der Gerechtigkeit, daß dem, der aus eigener Kcasi sich den Meistertitel' erwirbt, auch allein die Führung, dieses Titels gesichert wird. Damit begegnet man Täuschungen, die in andern' ' Ständen durch das Strafgesetzbuch geahndet werden. Weshalb soll bas Handwerk nicht auch diesen Titcl- schutz genießen? Wenn Abg, Gamp wünschte, daß die Handwerkskammern, aus Reichsmittclu Zuschüsse zitr Deckung ihrer Kosten erhalten sollen, fo muß ich ihn bitten, diesen Wunsch im preußischen Ab geordnetenhause zu wiederholen, weil nur die Einzel staaten zuständig sind und in einzelnen Bundes-- staaten Staatsbeihilfen schon bestehen. Ich bitte Sie, der Vorlage zuzustimmem da sie den ersten Schritt auf dem Gebiete des Handwcrkerschuhes darstellt. Insbesondere- wird den Miu landen im Baugewerbe, namentlich, in den Großstädten, durch dieses Gesetz begegnet werden. Dem Anträge Trimborn auf möglichst gleichmäßige Durchführung eines obliga- tsr's-^:: Fsrft'-M:- -p n-rkcrrichtS im K Paul unä Paula. 10) Novelle von Helene Stökl. 'Fortsetzung.) „Jetzt werde ich dir eine Tänzerin zu der gleich beginnenden Quadrille verschaffen," flüsterte Bm-w seinem Freunde zu, „dann habe ich meine Pflicht gegen dich erfüllt und überlasse dich deinem Schicksal." „Ich tanze nicht, Bruno! — was fällt dir denn ein?" rief Konstantin. Aber schon hatte ihn dieser zu einem frischen, helläugigen Mädchen geführt, dessen Wangen mit den Rosen an seinem Kleide wetteiferten. „Fräulein Käthchen, ich eckrube mir, Ihnen meinen Freund vorzustellen, der sich glücklich schätzen wird, wenn Sie ihm diese Quadrille schenken wollen. — Fräulein Katharina Stein berg, Herr Konstantin Ebert." Er eilte, sich verbeugend, davon, und es blieb Konstantin nichts übrig, als sich so gut wie möglich in seine Lage zu finden. Seine niedliche Tänzerin tat alles, was sie konnte, um ihn zu unterhalten; aber er schenkte ihrem leb haften Gepbmder nur wenig Aufmerksamkeit. Seine Augen schweiften unruhig über die tanzenden Paare hinweg, ohne daß er die, die er suchte, zu entdecken vermochte. Mechanisch folgte er den Verschlingungen des Tanzes. Da fiel fein Auge auf eine der Fenster- uischcn ihm gegenüber. In ihrem dunklen lahmen, oon grünen Sträuchern und blühenden Topfgewächsen umgeben, hob sich eine Gestalt ad, bei deren Anblick ihm das Blut wie Feuer un Gehnm lchoß. Das war sie, die sein Herz mit so banger Erwartung gesucht hatte, das war Paula, nur tausendmal schöner, als seine Phantasie sich ihr Bild aus Paulas Er scheinung gebildet hatte. Ein matrotes Kleid floß in schweren seidenen Falten an ihrem schlanken Leib hernieder, Perlen umschlangen den vollen, weißen Hals und die schöngerundeten Arme, eine einzige Rose schmückte das dunkle Haar. Der Blick ihrer tiefen, blauen Augen war ihm zugewendet, aber während er selber vor Auflegung zitterte, verriet kein Zucken ihrer Wimpern, daß auch sie überrascht war. Hatte sie ihn schon vorher bemerk und Zeit gehabt, ihre Fassung wiederzugewinnen? Oder erkannte sie ihn nicht, wollte sie ihn nicht erkennen? Diese Gedanken wirbelten ihm durch seinen Kopf, aber — „sn avant, mein Herr!" wiederholte Käthchen das Kommandowort, er mußte seine Aufmerksamkeit dem Tanze zu wenden. Endlich schwieg die Musik, er führte seine Tänzerin so schnell als möglich zu ihrem Sitz zurück und eilte auf die Stelle zu, wo er Paula erblickt hatte. Sie war nicht mehr dort. Ver gebens suchte er sie im ganzen Saale. „Wo ist Paula?" rief Konstantin seinem Freunde aufgeregt zu, als er diesen endlich fand. „Hast du sie nicht gesehen?" „Ja, aber nur für einen Augenblick; sie muß nicht mehr hier sein." Bruno eilte rasch fort, um Erkundigungen bei Käthchen, seiner kleinen Vertrauten, einzuziehen; achselzuckend kam er zurück. Nur mit äußerster Anstrengung konnte Kon stantin seiner Erregung Herr werden, wie im Traume ließ er sich von Merlach dessen Be kannten vorstellen und sprach die Worte,: die bei solchen Gelegenheiten gebräuchlich sind. Erft als er wieder mit ihm im Freien war, atmete er auf. „Nun, sieh nur nicht so verzweifelt darein," tröstete ihn dieser gutmütig. „Du hast sie ge sehen und weißt, daß sie es wirklich ist, die du gesehen hast, das ist doch immerhin schon etwas." „Wmn ich nur wüßte, weshalb sie den Ball verlassen hat," murmelte Konstantin. „Dein plötzliches Erscheinen wird sie erschreckt haben; vielleicht war sie ihrer selber nicht sicher genug, um vor Fremden mit dir zusammen zutreffen." „Aber wie soll ich nun Gelegenheit finden, sie zu sprechen?" „Ich meine, wir tun am besten, den Feldzug auf feindliches Gebiet zu verlegen und den An griff direkt zu wagen. Morgen machen wir bei Steinbergs einen Besuch und erkundigen uns, wie den Damen der Ball bekommen ist. Wer etwas aufmerksamer^ in deiner Unterhaltung mußt du sein, lieber Konstantin, Käthchen hat mir einen sehr traurigen Bericht von deiner Auf führung während der Quadrille abgestattet." Zur passenden Besuchsstunde fuhren Lie beiden Freunde am andern Tage bei Steinbergs vor. Die Frmi Bürgermeisterin nahm diese Auf merksamkeit auch anerkennend entgegen und entwickelte im Verein mit ihren Töchtern Geor gine und Adelheid die außerordentlichste Liebens würdigkeit. So lange sie aber auch ihren Besuch aus gauzcu Reiche werde ich, als zu weitgehend, nicht ent sprechen tonnen. Abg. Hoffmeister (sreis. Bgg.): Die Bau unternehmer werden durch dieses Gesetz geradezu unter Polizeiaufsicht gestellt,- daher sind wir- nicht für die Vorlage zu haben. Der Meistertitel schützt auch nicht vor Bauunfällen. Abg. von Czarlinski lPole): Der Meister titel gibt dein Publikum durchaus keine Garantie für die Ausführung einer reellen oder soliden Arbeit. Wir stimmen gegen die Vorlage. Abg. Werner (kons.) hält die Einführung deS allgemeinen Befähigungsnachweises für dringend er forderlich. Die Ausführung der kaiserlichen Bot schaft von 1881 möge sich auch auf die Fürsorge für bas Handwerk erstrecken, das lebensfähig er halten werden muß. - . Abg. Euler (Zentr.) spricht sich für die Vorlage aus. Das Handwerk müsse den weitestgehenden Schutz erfahren, und dazu sei die Gesellen- und Meisterprüfung die erste Maßnahme; notwendig sei die Einführung des allgemeinen Befähigungsuach- wcist's. Abg. ,Bömelb -nrg (soz.) befürwortet seinen Antrag. Wenn die Regierung auch den besten Willen gehabt haben möge, für die Bauarbeiter zu sorgen, so sei die Vorlage doch nicht empfehlens wert. Die Vorbedingung der Meisterprüfung für die Berechtigung . zu. Bauausführungen sei nicht maßgebend. Die letzten Unfälle seien meistens auf Bauten geprüfter Meister, zweier Obermeister, mehrerer Stadtbaumcistec und eines. Regierungs- Baumeisters vorgckommcn. Die Unfälle könnten nur beseitigt werden, wenn die Behörden-, ine die Plaue genchmigUhahem- für. chlaUnfälle.verantwort lich gemacht würden. Die Unfallverhütung werde von der Baugewerksberufsgenossenschaft nicht ernst ^genug betrieben, den dort bestehenden Zuständen müsse die Regierung ihr Augenmerk zuwenden. Empfehlenswert sei die Einführung von Arbeiter kontrolleuren, da die älteren Arbeiter, Poliere usw. - in praktischer Hinsicht die größte Erfahrung hätten. Die meisten Unfälle seien allerdings aus Leichtsinn und -Gewissenlosigkeit, zurückzuführen, wie der Nacholder.Fall beweise, in dem mehr als 50 Per sonen umgekommen seien. Dazu komme, daß dieser Unfall unter den Augen der Behörden passiert sei. Warnende Worte, die hier vom Staatssekretär an die Unternehmer gerichtet werden, nutzen nichts, wenn man nicht mit Gcsetzesvorschriften gegen sie vorgeht. Abg. Pauli-Potsdam (kons.): Wenn auch im Baugewerbe vielfach der Wunsch aus Ablehnung dieses Gesetzes besteht, weil es nicht weit genug geht, so halte ich dafür, daß wir doch dieses Erreichbare annchmen. Dem Bundesrat bin ich für die Vor lage auch schon dankbar,. wenngleich ich hoffe, daß die Negierungen nicht stehen bleiben und dem ersten Schritt, weitere folgen lassen werden. Das Partei- intcresse der Sozialdemokraten ist größer als die Fürsorge für die Arbeiter; an diese Fürsorge glauben sie nicht, und wir glauben es Ihnen auch nicht. Darauf vertagt sich das HauS. ^on wab unä fern. t Der Kaiser als Jäger. Der kürzliche Besuch des Kaifers beim Fürsten Map Egon zu Fürstenberg galt bekanntlich lediglich der Teilnahme an Fuchsjagden. Wie bei der Hoch wildjagd hat auch der Kaiser bei diesen Fuchs jagden gute Erfolge gehabt, denn der Monarch blies nicht weniger als 85 Stück Angehörigen der Familie Reinecke das Lebenslicht aus. Der fürstliche Jagdherr hat seinem kaiserlichen Gaste eine Anzahl der wertvollsten Exemplare zum Geschenk gemacht. Wiederaufnahmeverfahren im Hennig- Prozess. Der zum Tode verurteilte Raub mörder Hennig hat durch seinen Verteidiger, Rechtsanwalt Kennes - Potsdam, das Wieder aufnahmeverfahren beantragt. Hennig hofft, daß er bei einer zweiten Verhandlung nicht mit dem Tode bestraft werden, sondern mit lebensläng lichem Zuchthause davonkommen wird, über diese Beschwerde Hennigs ist. beim Kammer gericht verhandelt worden, und dieses hat eut- fchieden, daß die Strafvollstreckung bis.zur Ent scheidung über den Anttag auf Wiederaufnahme des Verfahrens auszusetzen ist. Ein zweites Köpenick. Dieser Tage hat ein Unbekannter in Majorsuniform den Posten vor der Schloßwache in Stuttgart aufgefördert, die Wache Herauszurusen. Ws die Wache heraustrat, ergriff er die Flucht und konnte von den nachgesandten Patrouillen nicht eingeholt werdew - dehnten, ihre Hoffnung, Paula werde sich blicke« lassen, ging nicht in Erfüllung. Auf Merlach- Frage, -ob Fräulein- Paulas Unwohlsein auch nicht ernsterer Art gewesen sei, erhielt er die beruhigende Versicherung, daß dies nicht da Fall sei; in Gegenwart der Frau Steinberg aber hatte er nicht den Mut, der Sache weit« auf den Grund zu gehen. Unverrichtetertveiß mußten fie sich endlich verabschieden. „Sie weicht mir aus, sie will mich nicht sehen," sagte Konstantin düster auf dem Heim wege, „das ist ein gar schlechtes Zeichen." „Oder ein gutes," entgegnete ihm Merlach- „Werde nur nicht kleinmütig, bis jetzt ist nicht- verloren, und ich verspreche dir, daß du noch Gelegenheit genug bekommen sollst, Paula alles zu sagen, was du auf dem Herze« Haft." Graue Wolken hingen in den nächsten Tagen schwer über Tannhausen herab. Kalte Winde durchtobten das Tal und verkündeten sausend das Nahen des Winters. Aber ihre Botsa aft war verfrüht gewesen, die Sonne zerstreute noch einmal die Wolkendecke, und einer jener strahlend schönen Tage, wie sie dem Spätherbst zuweilen eigen sind, zog in das Land. Voller Freude kam Merlach, der in der Frühe schon nach Tannhausen rekognoszieren gegangen und dabei Fräulein Käthchen getroffen hatte, gegen Mittag nach Hause zurück. „Konstantin, heute bringe ich gute Nach richten," rief er schon von weitem. „Mach« dich fertig, gleich nach Tisch gehen wir in de» Wald, um Haselnüsse zu suchen." „Haselnüsse? Ich habe kein Verlangen danach."
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