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Wilsdruffer Tageblatt : 08.09.1925
- Erscheinungsdatum
- 1925-09-08
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1782027106-192509087
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1782027106-19250908
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1782027106-19250908
- Sammlungen
- LDP: Bestände des Heimatmuseums der Stadt Wilsdruff und des Archivs der Stadt Wilsdruff
- Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungWilsdruffer Tageblatt
- Jahr1925
- Monat1925-09
- Tag1925-09-08
- Monat1925-09
- Jahr1925
- Titel
- Wilsdruffer Tageblatt : 08.09.1925
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klärte, die Stunde des Handelns sei gekommen. Die Regierung sei sich ihrer Verantwortung voll bewußt. Die Situation sei dem Volke mit aller Ossenheit geschildert worden. Grohe Trup pentransporte und ungeheure Mengen an Munition seien nach Marokko abgegangen. Die große Kraftrntfaltung habe eine ge wisse Unruhe im Volke ausgelöst. „Wir haben jedoch alle Maß- nahmen ergriffen, so bah der Feind gezwungen sein wird, sich entweder zu unterwerfen oder sich in die Schlupfwinkel der Berge zurückzuziehen. Wenn wir Marokko nach so vielen Opfern an Blut und Geld geräumt hätten, so würden wir nicht nur unsere bisherige Kolonialpolitik verlassen, sondern auch unseren gesamten Besitz in Nordasrika gefährdet und vielleicht unserer Stellung als Großmacht einen tödlichen Stof; versetzt haben." Im übri gen liegen aus Marokko Meldungen vor, die deutlich besagen, daß die grosze Offensive unmittelbar bevorsteht. Abd el Krim hat seinerseits zum Gegenstoß an der ganzen Front ausgeholt, um die Zusammenziehung der französischen Reserven zu verhindern. Er hat nach einer amtlichen französischen Mitteilung im gesam ten Rifgebiet die Masscnaushebung angeordnet. Owerda gefaNen k In Jerusalem wird nach wie vor mit Bestimmtheit behauptet, daß Swcida gefallen ist. Meldungen von dru- sischer Seite besagen, daß am 2. September die Zitadelle von Sweida durch die Drusen beschossen und dabei die östliche Mauer zerstört worden sei. Nach hartnäckigem Handgemenge sei sodann die Befestigung einge nommen worden. 150 Franzosen sollen ge- fangen genommen und zahlreiches Kriegsmaterial un^ sonstige Vorräte erbeutet worden sein. Den Drusen sollen u. a. drei Panzerwagen, eine Reihe von Revolverkanonen und zahlreiche Maschinengewehre in die Hände gefallen sein. Wie weiter berichtet wird, befinden sich starke Ab- teilungen auf dem Vormarsch nach Norden. Eine Bestä. tigung all dieser Meldungen war nicht zu erlangen. Professor Nansen in Berlin. Besprechungen über den Plan zur Erforschung der Arktis. Anläßlich der Anwesenheit Professor Nansens tu Berlin fand im Neichsverkebrsministerium eine Be sprechung statt. An ihr nahmen teil: Reichsverkehrs- ministcr Dr. Krohne, Geheimrat Fi ich vom Reichs verkehrsministerium, Lcgationsrat F ö r st e r vom Aus wärtigen Amt, Dr. Gck ener. Professor Nansen Mi nisterialdirektor Brandenburg. Die Besprechung galt dem Plan zur Erforschung der Arktis und den damit zu sammenhängenden Problemen. Im Anschluß daran ver sammelten sich die Herren zu einem Frühstück. Die Gattin Professor Nansens weilt gleichfalls in Berlin. Auch der bekannte Forscher Sven Hedin hat. von Stockholm kommend, der Neichshauptstadt in Begleitung ' des Admirals v. Levetzow einen kurzen Besuch abgestattet. Er begab sich in einem Großflugzeug der Junkers-Werke nach Dessau, wo auch Frithjof Nansen erwartet wird. Am Montag finden dort Besprechungen über Neuerungen im europäischen Luftverkehr statt, an denen außer Sven Hedin und Frithjof Nansen der Leiter der Junkers-Werke, Prof. Junkers, und mehrere andere Fachleute teilnehmen werden. Verbesserung der öffentlichen Fürsorge Beschlüsse des Reichsrats. Der Reichsrat genehmigte eine Verordnung zur Än derung der Reichsgrundsätze über Voraussetzung, Art und Maß der öffentlichen Fürsorge vom 4. Dezember 1024. Nach der Verordnung sind die Landesregierungen ver pflichtet, künftig selbst oder durch die von ihnen bestimmten Stellen Richtsätze für die Unterstützung von Hilfsbedürfti gen sestzusetzen. Vor allem sollen die Richtsätze den Sozial- und Kleinrentnern eine wirksamere Sicherung dafür bieten, daß ihnen eine den Neichsfürsorge- grundsätzen entsprechende gehobene Fürsorge zuteil wird. Die Novelle schreibt deshalb vor. daß die Richtsätze für die Tonal- und Kleinrentner in der Regel umwentgstene ein Viertel höher fein müssen als die für andere Hilfsbedürftige. Der Reichsrat genehmigte ferner die erste Verordnung zur Durchführung des Gesetzes über die Ablösung öffentlicher Anleihen. Die Verordnung regelt das Umtauschverfahren, die Ge währung von Auslosungsrechten und das Vorzugs rentenverfahren. Anmeldungsstellen sind die Reichsbank anstalten, die Reichsschuldenverwaltung und Landesbe hörden, die Anleihen des Reiches verwalten. Die An meldung muß obligatorisch durch eine Vermitt lungsstelle erfolgen. Als Vermittlungsstelle sind zuge lassen öffentliche Kreditanstalten, Sparkassen, Banken und Bankiers, Kreditgenossenschaften, die dem Revisionsver band des Deutschen Genossenschaftsverbandes angehören, die Zentralkasse landwirtschaftlicher Genossenschaften und die Raiffeisenbanken. Die Ausschüsse des Reichsrats haben die Bestimmung ausgenommen, daß die Vermittlungs stellen den Anmeldenden Gebühren für ihre Tätigkeit nicht berechnen dürfen. Österreichs Wirtschastsverhältmsse. Bericht der Völkerbundsachverständigen. Der Bericht der beiden Völkerbundsachverständigen Professor Rist-Paris und Chefredakteur Lavton-London iber die Wirtschaftsverhältnisse Österreichs gelangt zu )em Schluß, daß die österreichische Republik als selb- fündiges Staatswesen durchaus lebens fähig sei. Die wirtschaftlichen Ubelstände des Landes seien eine Folge erstens der Zerstückelung des Wirtschasts- wbietes der ehemaligen großen Monarchie, zweitens des Zusammenbruches der österreichischen Valuta und drittens ser Schutzzollpolitik der Nachbarländer. Zur Wiederbelebung von Handel und Industrie müßten größere Absatzgebiete und aus ländische Kredite beschafft werden, wozu aber innere Faktoren hinzukommen müßten, nämlich erstens die Beibehaltung einer Finanzpolitik des strengen Budget gleichgewichts und der Valutastabilität, zweitens die weitere Herabsetzung der Produktionskosten der Industrie. Der Bericht erklärt, die neue Handelspolitik müsse sich von dem Ideal wirtschaftlicher Zusammenarbeit der Völker leiten lassen, welches dem nationalen Egoismus einzelner Staaten Schranken auferlege. Eine solche Politik würde über Mitteleuropa hinaus dem ganzen Kontinent zugute kommen. Layton vergleicht die Wirtschaftslage Österreichs mit derjenigen der Schweiz, welche geringere natürliche Hilfs mittel als Österreich besitze, eine größere Lebensmittelein fuhr benötige und trotzdem das Höchstniveau der Durch- schnittlebenshaltung Europas habe. Österreich werde große Anstrengungen in bezug auf Anpassung an die neuen Verhältnisse machen muffen. Der wirtschaftliche Aufschwung Österreichs werde zweifellos rascher ein- treten, sobald die Zollschranken Mitteleuropas fallen. Der Bericht trägt deutliche Spitzen gegen den Lnschlnßgedanken. Er ist jedenfalls ein neuer Be weis dafür, daß der Völkerbund bis jetzt einseitig im Sinne der Entente arbeitet. Die Ursache -er ,/GHenan-oah"-Katassrophe s Sicherheitsventile entfernt. Die aus dem Schauplatz des Unglücks tagende Unter suchungskommission kam zu dem Schluß, daß nichts die Katastrophe hätte verhindern können als größere Schnel ligkeit, um aus dem Sturmfeld herauszukommen. Die Radio- und die Steuergondel seien abgequetscht worden. In die hierdurch am Schiffskörper entstandenen Zer reißungen wäre Luft eingeströmt, wodurch in der Mitte des Rumpfes eine Aufblähung und schließlich der Bruch herbeigesührt worden wären. Der deutsche Chefingenieur Heinen, der bei der ersten Sturmfahrt des Luftschiffes die „Shenandoah" ge- rettet bat und der ihre Konstruktion genau kennt, erklärt: - Die Katastrophe der „Shenandoah" sei darauf zurückzu- führen, daß man von den 18 Sicherheitsventilen der Gas zellen acht entfernt habe. Die Besatzung habe für die Erhaltung des kostbaren Heliumgases ihr Leben aufs Spiel gesetzt. Heinen erklärte weiter: Durch das rasche Steigen des „Shenandoah" infolge des Sturmes hätten die noch vorhandenen Ventile zur hin reichenden Gasabgabe nicht genügt. Durch die Aufwärts bewegung des Luftschiffes sei eine ungewöhnlich rasche Ausdehnung der Gaszellen eingetreten, wodurch der Schiffskörper in der Mitte gesprengt wurde. * Es ist mit Sicherheit anzunehmen, daß die Vereinig ten Staaten baldigst ein neues Luftschiff für das zerstörte Schiff „Shenandoah" bauen werden. Der Sprecher vom Weißen Hause erklärte offen namens des Präsidenten Coolidge, daß die Regierung den Verlust des Luftschiffes natürlich ausgleichen müsse. Die Luftpolitik dürfe sich von der Seepolitik nicht unterscheiden. Wenn ein Kriegs schiff untergehe, baue man auch ein neues. Mit Luft schiffen könne es nicht anders sein. Er werde anregen, daß das neue Luftschiff durch den Kongreß bewilligt werde. Hur unserer keimst ) Wilsdruff, am 7. September 1925. Merkblatt für den 8. September. Sonnenaufgang Mondausgang g'° N. Sonnenuntergang 6°' ü Monduntergang 11" V. 1767 August Wilhelm von Schlegel in Hannover geb. — 1894 Hermann von Helmholtz in Charlottenburg gest. Private haben leine Sendebefugnis. Verschiedentlich wurde in der letzten Zeit die Nachricht verbreitet, daß der Versuchsverkehr mit Sendern nunmehr freigegeben sei. Diese Nachricht entspricht nicht den Tatsachen. Es wird daraus hingcwiesen, daß in den bisherigen Bestimmungen über die Einrichtung und den Betrieb privater Fnnk- seudeanlagen keinerlei Änderungen eingetreten sind. Nach diesen Bestimmungen wird die Genehmigung zur Er richtung einer Sendeanlage nur an Behörden, Lehr- und Forschungsanstalten, anerkannte Vereine, Fachunter nehmen und Fachleute erteilt, und zwar auch nur insowen. als eine Notwendigkeit für die Einrichtung einer Sende anlage anerkannt wird. Die erste Stadtverordnetensitzung nach den Ferien findej kommenden Donnerstagabend 7 Uhr statt. Auf der Tagesord nung steht unter anderem: Einführung des Telephon-Nacht dienstes. (Vgl. Amtliches.) Wahl zur Landwirtschaftlichen Berufsgenoffenschaft. Bei der am 19. Just staügesundenen Wahl in die 'Genosfenschaftsver- fammlung der Landwirtschaftlichen Berufsgenoffenfchast ist Herr Gutsbesitzer Bruno Wetzel in Birkenhain als Vertreter und Herr Brügermeister Wittig in Seebschütz als Ersatzmann ge wählt worden. Der Stenographenverein „Gabelsberger" hatte für Sonn abendabend zur Feier des 22. Stiftungsfestes nach dem Saale des „Löwen" eingeladen. Zahlreich waren Mitglieder, Freunde und Gönner des Vereins dem Rufe gefolgt. Der langjährige verdiente Vorsitzende, Herr Oberlehrer Schneider, nahm eingangs Gelegenheit, die Erschienenen zu begrüßen und teilte mit, daß nach den Herbstserien ein neuer Kursus in Einheitssteno graphie beginne, zu dem sich recht viele Teilnehmer finden möch ten. Wie in den Jähren daher wurde auch diesmal ein Theater stück geboten: Mine Jungsernrevolte", geschichtliches Lustspiel in brei Aufzügen von Ludwig Rohmann. Es spielt in Altenburg >m Jahre 1807, wo die Erziehungsfräuleins im Magdalenenstift ihrem Gefühl gegen französische Willkür dadurch Ausdruck geben, ^daß sie kein Französisch mehr treiben wollen und trotz Zwangs maßnahmen sich auch nicht davon abbringen lassen. Die Wahl des Stückes muß als guter Griff bezeichnet werden. Das ganze Milieu paßt trefflich in unsere Zeit. And auch feiner Durch führung ist uneingeschränktes Lob zu zollen. Es ist für einen Verein von sechzig Mitgliedern keine Kleinigkeit, neunzehn Per sonen mit mehr oder minder wichtigen Rollen auf die Bühne Elise. Hebbel-Novelle von Grete Masss. Elise Lensing hatte die Lampe so gestellt, daß ihr Schallen nicht die Lagerstatt des kranken Knaben treffen konnte. Das Herz war schwer. Der Arzt, der eben fortgegangen, hatte zwar von einer Gefahr nichts wissen wollen. Ec hatte ihre Asngfi- lichkeit übertrieben genannt. Ihre Sorge unnöiig gefunden. Aber wußte er, was dieses Kind ihr war? Ihr Hali, ihr Trost, ihr Stab in den Stunden langer, banger Sehnsucht. Ohne ihn hätten ihre Gedanken nicht zurückgefunden — ihre Gedanken, die immer auf dem Wege nach Paris waren, wo der Freund, der geliebte, das karge Dichterleben führte, das doch niemals halte Wirklichkeit werden können, wenn nicht der König von Dänemark dem armen deutschen Dichter Friedlich Hebbel ein Relsestipendium von 600 Reichs- lalern jährlich verliehen. Elise Lensing begann weiterzuschreiben an dem Brief nach Paris, den sie schon begonnen, bevor der Arzt gekommen. Von den literarischen Verhältnissen in Hamburg war die Rede, soweit sie ihrem einfachen Gemüts ver ständlich waren. Sie war doch nur Elise Lensing, die Näherin. Ihr Geist hatte geschlummert, bis Hebbel ge kommen und ihre Tore aufgelan zu dem großen Reiche der Kunst, damit ihre arme Seele auch Anteil habe an ihrer ewigen Sonne. Nachfühlend, nachspürend hatte sie zage versucht, die Wege nachzugehen, die er für sie geebnet. Die große Liebe in ihr gab ihr die Flügel, zu überwinden, waS sonst für sie ein Hemmnis gewesen. Aber der Bericht über die neue Aufführung der „Judith" im Staditheater in Hamburg, von der sie wußte, daß Hebbel gerne das Genaueste von ihr darüber erfahren, wollte nicht zu Ende kommen. Und plötzlich brach sie mitten im Satze, der die Hamburger Aufführung pries, jäh ab und schrie mit einer zitternden, fliegenden Schrift die Not ihres Herzens mit den Worten heraus: „Ich wollte es Dir nicht sagen, damit dein Gemüt nicht bedrückt wird und Deine Arbeit an der „Maria Magdalena" keine Unterbrechung erfährt. Aber ich kann es nicht länger verheimlichen. Das Kind ist krank, sehr krank ..." Ein kalter Luftzug fuhr plötzlich über den Nacken Elise Lensings, als hätte sie die Spitze eines Schwertes berührt. Mit einem Schrei fuhr sie herum. War das der Tod, der eingetreten? Aber das Entsetzen in ihren Augen beruhigte sich, als sie die Nachbarin erkannte. „Wie geht es dem kleinen Engel?" flüsterte die Frau. „Ich habe ein wenig Suppe übrig. Sie ist kräftig . . ." „Danke, danke," sagre Elise Lensing. Die Tränen traten ihr in die Augen, als sie das Schüsselchen nahm. Sie war so wenig Güte gewohnt gewesen lm Leben, so wenig Freundlichkeit. Der Vater war als ein Geistes kranker gestorben. Die Mutter und der Stiefvater so beschäftigt mit ihrem eigenen Leben, daß sie für Elise nur Unfreundlichkeiten hatten und Harles Wort. Und als für sie spät, ach fast zu spät, das Frauen glück gekommen, als Hebbels Liebe gekommen, als Hebbels Liebe das innere Frieren der Einsamkeit von ihr nahm, als sie Mutter wurde, ohne das der Staat dis G-wissens- ehe Hebbels mit ihr durch Stempel als gültig erklärt — wie hatte man sie gepeinigt mit feinen Nadelstichen, mit hochmütigen Blicken der Augen, mit einem verächtlichen Zucken der Lippen. Die beiden Frauen traten an das Bett des Kindes. Das goldene Lockenköpflein, Elisens Freude und Stolz, bäumte sich über einem hochroten, zuckenden Gesichtchen. Die blauen Augen waren geschlossen. Der Atem wehte glühendheiß von den L'ppen. „Fieber! Fieber!" murmelte Elise trostlos. Und plötzlich ging es durch die kleine Gestalt wie Krampf. Die Glieder krümmten und verrenkten sich. Die Augenlider klappten auf und zeigen starre nach oben ge drehte Pupillen. „Soll ich den Arzt holen?" fragte die Nachbarin. „Ich muß es selbst," sagte Elise. „Er kommt nur wenn man es dringend macht . . ." Elise Lensing eilte durch die Straßen im kalten Oktoberwind. Am Hause des Doktor Krämer läutete sie. Eine Magd öffnete. Elise wartete im Flur, indessen das Mädchen ging, dem Doktor die Besucherin zu melde«. Es war ein aftes vornehmes Hamburger Haus mit schöner Treppe, die Teppiche deckte, mit einer Diele, aus gestattet mit Reichtum und Geschmack, in den Wandnischen Skulpturen, an den Wänden Porträts der Ahnen in ihren schwarzen Senatorengewändern mit steifer, weißer Halskrause. Elisens Augen irrten vorbei an allen diesen Dingen und hefteten sich nur auf den Zeiger der großen Uhr, der rückte von Minute zu Minute. Zehn Minuten stand sie nun schon und wartete. Und indessen rang ihr fieberndes Kind mit dem Tod. Sie eilte die Treppe empor und riß die Türe auf, durch die sie die Magd hat gehen sehen. Dort stand der Doktor mit einem Herrn. Beide über Baupläne gebeugt. „Herr Doktor . . ." stammelte Elise. „Mein Kind ist kränker geworden, viel kränker. Ich flehe Sie an, kommen Sie mit mir." „Ich habe Ihnen gesagt, für das Kind besteht keine Gefahr. Frauen sind immer übertrieben. Gehen Sie vor aus. Ich komme nach . . ." „Kommen Sie gleich mit, Herr Doktor. Ich komme nach . . ." Ihre zitternden Hände griffen nach dem Arm des Arztes. Er riß sich los. Er stampfte mit dem Fuße auf. „Sie hören, ich komme. Gehen Sie voraus . . Aengstlich und verschüchtert, stumm gemacht durch daS Gefühl ihrer drückenden Armut, die sie der Gnade oder Ungnade dieses Menschen auslieferte, ging sie die Treppe hinab.
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