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Ottendorfer Zeitung : 16.12.1914
- Erscheinungsdatum
- 1914-12-16
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1811457398-191412167
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1811457398-19141216
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1811457398-19141216
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungOttendorfer Zeitung
- Jahr1914
- Monat1914-12
- Tag1914-12-16
- Monat1914-12
- Jahr1914
- Titel
- Ottendorfer Zeitung : 16.12.1914
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Der Parsek nack Berlin. In der französischen Presse war deutlich zu merken, daß die russischen Kriegsoperationen in den ersten Kriegsmonaten nicht den Beifall der Pariser hatten. Selbstverständlich ist ja, das? die schweren Niederlagen der russischen Truppen in Ostpreußen tief beklagt wurden. Aber die Schlachtfelder bei Tannenberg und Insterburg lagen doch aus dem geraden Wege von Petersburg nach Berlin, und die Russen können nichts Ruhmwürdigeres tun, als mit aller Macht gegen das Herz Deutschlands vorzustoßen. Wozu die Ausschweifungen nach der Bukowina, den Karpathen? Ein Millionenheer muß endlich die preußischen Ostgrenzen überfluten und sich bis zur Haupt stadt des Reiches fortwälzen. Mitte November war man endlich so weit, Paris konnte aufaimen. Die Kämpfe bei Wloclawec und Kutno waren nur verzweifelte Kunststücke eines vom Glück begünstigten Feld herrn (Hindenburg), um die unaufhaltsame Dampfwalze, die sich von Warschau und Iwangorod her in Bewegung gesetzt hatte, zum Stehen zu bringen. Nikolai Nikolajewitsch stand schon mit der Masse der hinter der Weichsel angesammelten 50 Armeekorps auf der Linie Lowicz—Lodz—Nowo Radomsk— Piliza. Beinahe hatten mehrere deutsche Armeekorps die zermalmende Wucht der Dampfwalze gefühlt. In Paris und London erschienen Siegesberichte, nach denen die Rusien schon so gut wie vor den Toren von Posen und Breslau standen. Da kamen die Hiobsposten: die bei Lo- witsch weit gegen den rechten russischen Flügel vorgestreckte deutsche Faust nicht zurückge schlagen, Lodz, die Mitte dieses Flügels, von den Deutschen genommen, die von Petrikau und Nowo Radomsk her erwartete Hilfe durch Vorstöße der Deutschen und Österreicher ver eitelt, der ganze rechte Flügel nach blutigsten Verlusten in eiligem Rückzug durch völlig ver ödetes Land. So ist der ersehnte Marsch auf Berlin wieder ins Stocken geraten. Selbst wenn die neuen Stellungen noch eine Weile lang gehalten werden, — der Einfall nach Preußen ist mißglückt, das Millionenheer mit Massen von Verwundeten, Kranken, Er schöpften und Demoralisierten beladen, die Ausfüllung der Lücken und Mangel an Offi zieren, Waffen usw. schwer und langwierig. Schweren Herzens läßt man in Paris und London den Glauben an die russischen Siegesnachrichten und die Hoffnung auf Ent lastung im Westen durch das Vorrücken der Heere Väterchens fahren. Besonders in Paris beginnt in allen Schichten der Bevölkerung sich großer Mißmut über das völlige Ver sagen der Russen bemerkbar zu machen. Nach dem stürmischen Vordringen der Deutschen auf der Westfront hatten alle Militärfachleute dem besorgten Publikum erklärt: Wenn wir uns nur zwei Monate durchhalten können, bis die Ruffen vor Küstrin liegen, ist unsere Sache gerettet. Jetzt sind nun aber über vier Monate verflossen, und es scheint, als ob die Russen nicht einmal sich selbst, geschweige denn anderen helfen könnten. Selbst die franzö sische Presse zollt notgedmngen dem Genie Hindenburgs ihren Beifall. Hindenburg wird des öfteren Napoleon zur Seite gestellt. Die kühle Ruhe, mit der er den Vorstoß auf Lodz vorbereitet und ausgeführt hat, wird als be wundernswert gepriesen und als Beispiel hin- gestellt. In der Tatsache, daß die Regierung es nicht wagt, nach Paris zurückzukehren, er blickt die Bevölkerung einen Beweis dafür, daß die Kriegslage sich nicht wesentlich ge ändert haben kann. Das Mißtrauen gegen die amtlichen Nachrichten ist daher im Wachsen. Während die amtliche Kriegsbericht erstaltung großen Zweifeln begegnet, finden die tollsten Gerüchte über das Erscheinen der Deutschen vor Paris allgemeinen Glauben und rufen jeden Augenblick Angst hervor. An der zunehmenden Kriegsmüdigkeit der Pariser Bevölkerung kann nicht mehr gezweifelt werden, und Präsident Poincars hat dies dieser Tage an sich selbst erfahren, als er wieder auf kurze Zeit Paris besuchte. Denn die Bevölkerung bereitete ihm einen auffallend kühlen Empfang: die Ankunft, die Anwesen heit und die Abreise des Staatsoberhauptes wurden von den Parisern kaum beachtet. 6s braust ein Kuf. 1Sf Erzählung von Max Arendt-Denart. lFortletzung.) Er fah nicht, wie sich in die herabsinkende Dämmerung des Abends die lodernden Brandmale zerschossener Häuser gleich Riesen fackeln erhoben. Er war ganz erfüllt von seinem Haß. Erst als er die Stimme des Hausknechts vernahm, der seinen Groschen heischte, kam er wieder in die Wirklichkeit zurück. Er reichte dem Klemens einen Zehner und trat dann hinaus auf die kleine Plattform des Turmes, die in ein rotschimmerndes Licht getaucht war, das teilweise die scheidende Sonne über den Bogesenkamm herübersandte, dessen Hauptanteil aber die Feuergarben be stritten, die aus Neuendorf und Nieder-Neuen dorf gen Himmel züngelten. Die Plattform schien leer. Aber plötzlich stockte des Buch wal dbauern Herz. Da an der Brüstung lehnte der Mann, mit dem sich sein ganzes Sinnen auf dem Wege hier herauf beschäftigt hatte. Dort stand sein Todfeind und blickte hinaus in das Dämmern, aus dem sich wie bei einem grausigen Feuer werk die brennenden Gehöfte abhoben und das hier und da durch ein Au blitzen der Kanonen und Gewehre erhellt wurde, ohne daß jemand hätte sagen können, wo die Ge schütze und die Schützen eigentlich standen. Martin Wehrlin atmete tief auf. Er war allein mit dem Manne, den er haßte, aus liejstem Herzen und mit ganzer leidenschaft licher Seele haßte. Nun konnte er endlich mit ihm rechten. Neuerdings kommt eine neue Sorge hinzu: die Entwicklung der Dinge auf dem Balkan. Nach den neuesten, trotz strenger Zensur be kannt gewordenen Nachrichten erwartet man einen Angriff Bulgariens auf Serbien als un mittelbar bevorstehend. Einen derartigen Kampf könnte aber Bulgarien nicht aufnehmen ohne vorherige Verabredungen mit Rumänien. Diese könnten sich aber nur gegen den Drei verband richten, und damit würde die letzte Hoffnung der Franzosen auf den Ausbruch eines rumänisch-österreichischen Krieges in sich zusammenslürzen. So kommt es, daß niemand mehr in der Stadt des Lichts, die jetzt ohne Licht ist, von dem Marsche nach Berlin, daß aber jedermann von seiner Sehnsucht nach Frieden redet. verschiedene Uriegsnachrichten. Joffres Siegeszuversicht. Als der französische Generalissimus Joffre vom Präsidenten Poincarö im Hauptquartier empfangen wurde, erklärte er: „Ich habe die Ehre, Ihnen binnen vierzehn Tagen einen großen französischen Sieg versprechen zu können." — Man kann in Ruhe zwei Wochen abwarten: solche Voraus sagen von Siegen pflegen gewöhnlich nicht in Erfüllung zu gehen. * Rustland ist unzufrieden mit den Verbündeten. Die .Frankfurter Zeitung' meldet als Stock holm: In Rußland verbreitet sich w ach fen- des Mißtrauen gegenüber den West Mächten, denen man vorwirft, sie ließen die Russen im entscheidenden Augenblick im Stich und überließen ihnen alle schweren Opfer allein. An maßgebender russischer Stelle herrscht große Enttäuschung darüber, daß sich die Verbündeten in Frankreich während der blutigen Kämpfe in Polen einfach ruhig ver hielten, wodurch allein es den Deutschen er möglicht wurde, bedeutende Truppenmaffen vom Westen nach dem Osten zu schicken. — Der Militärkritiker des Schweizer .Journal de Gensoe' erklärt, die Kämpfe in Polen entwickelten sichzuungunsten der Russen. Bei dem deutschen Oberkommando herrsche eine erstaunliche Beweglichkeit, die durch das ausge zeichnete strategische Eisenbahnnetz begünstigt werde. Man habe den Eindruck, daß sich auf diesem Schauplatz die Führung der Truppen frei von Schulformen halte und von hohem strategischenGeiste beseelt fei. — Türkische Blätter berichten, daß, wie Flüchtlinge aus der Bukowina erzählten, die russischen Truppen neun Ort schaften geplündert und deren Be- wohnerntedergemetzelt haben. * Die Kosten des englischen Einfalls in Togo. Den .Times' zufolge kostete die Expe dition zur Eroberung des Togo landes und zur Zerstörung der drahtlosen Station Kamina ungefähr 60000 Pfund. Die Gesetzgebende Versammlung der Goldküste be schloß, die Kosten auf sich zu nehmen. — Nach einer Meldung des Reuterschen Bureaus hat General Botha eine Mitteilung veröffentlicht, in der es heißt: „Der Auf stand der Buren ist jetzt so gut wie be endet. Die hervorragendsten Führer sind tot oder gefangen: nur kleine, zerstreute Banden bleiben noch übrig. Während wir über die Schuldigen die gerechte Strafe ver hängen, müssen wir eine Rachepolitik vermeiden. Unsere nächste Aufgabe ist es, Maritz und Kemp entgegenzutreten, die auf deutsches Gebiet entwichen sind und uns von dort her mit einem Einfall bedrohen." Der Aufruhr in Indien. Nach Berichten, die aus Persien in Kon stantinopel eintrafen, zeigt sich in ganz Indien bereits die Wirkung des Heiligen Krieges. Revolutionäre Aufrufe werden besonders in die Kasernen eingeschmuggelt. In Bombay kam es zu Soldatenunruhen, bei denen 80 Mann standrechtlich erschossen wurden. Bei der Abfahrt von Transvortdampfern mit indischen Truppen nach Europa kam es zu Tumulten: das Militär ging gegen die aus Mohammedanern der besseren Stände be stehende Menge mit dem Baionett vor. Dis Attentate auf englische Beamte mehren sich. — Auch in der übrigen mohammedanischen Welt machen sich die Wirkungen des Heiligen Krieges bemerkbar. Die S e n u s s i haben die ägypttscheGrenze überschritten. Im Sudan stehen über 40 000 Mann im Felde, die gegen die Engländer ziehen. Der Emir von Afghanistan ist in Indien eingefallen, und der unversöhnliche Feind der Türkei, Jman Iahija, der, mit eng lischem Gelde unterstützt, 20 Jahre gegen die Türken in der arabischen Provinz Jemen kämpfte, hat sich gegen die bei Aden stehenden Engländer gewandt. Vie Zeeschlacht am Uap Horn. Ganz Deutschland ist in tiefe Trauer durch die Nachricht versetzt worden, daß unsere Kreuzer „Scharnhorst", „Gneisenau" und „Leipzig" nach heftigem Kampfe bei den Falklands-Inseln (an der Ostküste Süd amerikas) gesunken find. Naturgemäß können zurzeit Einzelheiten aus deutscher Quelle nicht berichtet werden. Es liegen indessen einige Privatmeldungen vor. So wird aus Amster dam berichtet: Der Londoner Korrespondent des ,Telegraaf' meldet: Schon seit einiger Zeit hörte man Gerüchte, daß die deutschen Kreuzer in die Eugc getrieben feien, und daß sic sich vermutlich iu der Nähe des Kap Horu (Südspitze Amerikas) ver borgen hielten. Ms sie gestern (am 8. d. Mts.) das Kap umfuhren, begegneten sie dem englischen Geschwader. Mau glaubt, daß die „Scharnhorst" mit der ganzen Mannschaft untergcgangen ist, während von den Besatzungen der „Gneisenau" und „Leipzig" mehrere Mann gerettet wurden. Aus Rotterdam wird ergänzend ge meldet: Das deutsche Geschwader, be stehend aus den Schiffen „Scharnhorst", „Gneisenau", „Leipzig", „Nürn berg" und „Dresden", fuhr hinter dem führenden Flaggschiff „Scharnhorst". So bald der Feind in Sicht war, wurde die Gefechtslinie mit Ostkurs formiert, um freie Bahn zu haben. Von den überlegenen eng lischen Streitkräften wurde die „Scharnhorst" jedoch von der „Gneisenau", die etwas zurückgeblieben war, getrennt und beide Schiffe sodann durch die feindliche Übermacht außer Gefecht gesetzt. Die kleinen deutschen Kreuzer „Leipzigs „Nürnberg" und „Dresden" suchten darauf unter Entwicklung der größten Schnelligkeit zu entkommen, doch wurde die „Leipzig" von feindlichen Schiffen abgeschnitten und gleichfalls vernichtet. So sehr uns und unsere Bundesgenossen die Nachricht von dem Verluste der drei Kreuzer in Betrübnis versetzt, so wenig kann sie uns überraschen: denn wir mutzten damit rechnen, daß unser wackeres Geschwader, da es von ungeheuren feindlichen Kräften verfolgt wurde, ohne daß es einen Stützpunkt, einen Hasen oder Docks zur Verfügung hatte, später oder früher erliegen mutzte. Berichten doch englische Blätter, daß 88 Schiffe aufgeboten worden ivaren, um die fünf Kreuzer aufzu bringen. Wenn die Engländer ihre Verlaste als außerordentlich gering angeden, so ist dazu zu bemerken, daß wir das nicht kon trollieren können. Die Erfahrung lehrt uns aber, daß die englische Admiralität die Ver luste der Flotte schamhaft zu verschweigen pflegt. Hat sie doch noch heute nicht-den Untergang des „Audacious" bekannt gegeben. In unsere herzliche Trauer, in Lie uns der Heldentod so vieler braver deutscher Seeleute versetzt, mischt sich aber auch freudiger Stolz: denn die Schiffe, die jetzt der feindlichen Übermacht japanischer und englischer (wahr scheinlich auch australischer) Schiffe erlegen find, Haben ihre Pflicht und Schuldigkeit vollauf getan. Sie find für das Vaterland in den Tod gegangen, wie sie ihm gedient haben: als Helden. Den wackeren Matrosen, Offi zieren und Kommandanten ist ein ewiges un vergängliches Denkmal im Herzen des deut schen Boltes gesetzt, und wenn einst dis Ge schichte dieses fürchterlichen Ringens geschrieben wird, so werden leuchtend die Namen aller hervorgehoben sein, die jern an Amerikas Küste den Heldentod fanden. — ckt. f§euer englilcker Völkerrecktsdrucd. Ein englischer Anschlag auf die Neutralität der Schweiz. England, das bekanntlich seine Teilnahme an diesem Kriege damit begründet, daß es die Neutralität der kleinen Staaten schützen müsse, zeigt den Neutralen mit jedem Tage deut licher, was sie von dem Jnselreich zu er warten haben. Besonders kann die Schweiz ein Lied davon singen, da man ja weiß, daß noch immer der englische Plan besteht, unter Bruch der Schweizer Neutralität in das Elsaß vom Süden und Südosten her einzudringen. Bezeichnend ist ein Vorkommnis, dessen „Held" derselbe Mister Grant Duff, der als englischer Gesandter in der Schweiz die Unverfrorenheit besessen hat, vom Kirchturm in Romanshorn aus Spionage gegen Friedrichshafen zu treiben. Der .Frankfurter Zeitung' ging von vertrauenswürdiger Seite folgender englisch geschriebener Brief eines Amerikaners zu, der übersetzt lautet: Lieber Freund! Ja, ich weiß alles über jene stürmische Szene zwischen Grant Duff und M. Da Sie offensichtlich von der. Angelegen heit schon unterrichtet sind und da mir niemand Verschwiegenheit auferlegt hah so habe ich keine Bedenken, Ihnen zu sagen, was ich darüber weiß. Grant Duff in seiner Eigenschaft a!s Gesandter Seiner Britischen Majestät, außer ordentlicher und bevollmächtigter Minister zu Bern, verlangte vom Herrn Bundesrat M., dem kommenden Präsidenten der Schweiz, daß die auf dem St. G ottha rd stationierten mili tärischen Behörd en gestatten sollten, daß die Franzosen oder die Engländer fun kentelegraphische Arbeiten an dem radiotelegräphischen Turm und Apparat der Schweizer Regierung aus dem St. Gotthard für die Dauer des gegenwärtigen Krieges über nehmen, um ihn für Kriegszwecke zu be nutzen. Dieser vorgeschlagene Bruch der Neu tralität erregte die Wut des Herrn M. (obwohl M. ein italienischer Schweizer aus dem Kanton Tessin und keineswegs deütsch- landfreundlich ist). M. sagte Grant Duff, daß er diesen Vorschlag als eine B eleid igung der Schweiz ansehe und daß er nichts mehr mit ihm zu tun haben wolle, solange der eng lische Minister in der Schweiz bleibe. M. ver anlaßte ferner den Schweizer Bundesrat, an den Schweizer Gesandten in England zu tele graphieren, die englische Regierung zu benach richtigen, daß die Schweiz angesichts dieses Vorkommnisses bitte, Grant-Duff -abzuberufen. und durch einen geeigneteren diplomatischen Gesandten zu ersetzen. Außer mir wurden die iolgenden Herren von diesem Zwisckienfall durch M. in seiner Wut unterrichtet., (Hier folgen Namen von vier Schweizern und einem Deut-- ichen.) Das ist alles, was ich darüber weiß. Ihr getreuer X. Y. Dieser Brief rührt von einem zurzeit ist Zürich lebenden Amerikaner an einen Freund her. Die beständigen Versuche Englands, sich mit Hohn über alle Grundgesetze des Völker rechtes hinwegzusetzen, können uns nicht mehr überraschen. Hier aber dürste nun ein Fall vorliegen, über dessen Folgen fich die englische, Wegelagererpolitik doch wohl nicht ganz klar war. Sollte es nach diesem Vorkommnis, das Englands Unverfrorenheit in ihrer ganzen Brutalität enthüllt, noch einen neutralen Staat geben, der .sich über das, was er von dem Jnselreiche zu erwarten hat, nicht klar ist ? . Den ehrlich und gerade denkenden Männern, die das Geschick der Schweiz lenken, hat diese Unverschämtheit die Röte des Zornes in die Stirn getrieben, und bei dem üben erwähnten Verlangen des Bundesrats M. nach Abbe-- rufung des ehrenwerten Misters Grant Duff mag ein Gefühl der Scham darüber, zum diplomatischen Handel mit solcherlei' Gesell schaft verurteilt zu. sein, mitgesprochen haben. Uns aber,, die wir in der ganzen Weit als Neuiralitätsverletzer gebrandmarkt werden sollen, weil wir unseren Gegnern die schon erhobene Waffe im Augenblick höchster Gefahr aus der Hand gewunden haben, uns kann es nur recht fein, wenn auf diese Weise der Geist der englischen Politik immer wieder offenbar wird. Der Einsame an der Brüstung wandte sich umhals er hinter sich Schritte hörte. Sie standen sich einen Augenblick gegenüber, Auge in Auge, ohne ein Wort zu sprechen. Endlich sagte der Buchwaldbauer: „Gelt, Ferchhammer, mich hast nit sehen wollen hier in der Einsamkeit, jetzt, wo du daran bist, dein Konto mit dem Himmel durch gute Werke in deinem Hof zu be gleichen? Gelt, an mich hast nit mehr ge dacht, Ferchhammer, und daß ich gerade kommen würd', wo du giaubst durch schein bare Werke der christlichen Nächstenliebe den Himmel zu betrügen und deine Seele vor dir selber zu rechtfertigen? Gelt, auf mich hast nit mehr gewartet?" Anton Ferchdammer stand hoch ausge richtet und sah dem Sprecher unverwandt in die Augen. „Ich wüßte nicht, Martin Wehrlin, was ich in meiner Seele für andere Vorwürfe hätte wie wohl jeder Mensch. Ich wüßte auch nicht, was ich von dir hier oben mehr jürchten sollte als drunten im Tale. Wir alle stehen in Gottes Hand, und wer kein Feigling ist, der ist hier oben vor Martin Wehrlin so sicher, wie in seinem eigenen Heim." Die Ruhe des Einödbauern brachte den andern um den Rest seiner Besinnung. Es war, als ob der geheime Groll der ganzen Jahre sich heute mit elementarer Gewalt ent laden müßte. Mit einem Satz war er neben seinem Feinde und hatte ihn mit raschem Griff an der Gurgel gepackt. „Wehr' dich jetzt, Anton Ferchhammer," keuchte er, „denn wenn es schon keine irdische Gerechtig keit gibt» so wA ich ihr ins Handwerk psuschen. Wehr' dich, Anton Ferchhammer, denn bei meiner Seel', einer von uns beiden kann nur den Turm verlassen. Dem andern sein' Ruh' ist unten in der Tiefe, wo bald genug Freund und Feind liegen werden." Anton Ferchhammer hatte in instinktiver Abwehr seine Hände um die Arme des Buch waldbauern gelegt, der ihn wie in eiserner Umklammerung hielt. Ein kurzes lautloses Ringen, in dem man nur das Keuchen des Buchwaldbauern und das fortwährende Dröhnen der Geschütze hörte. Plötzlich aber ließ Martin Wehrlin seine Hände sinken. „Und doch bist mit dem Bösen im Bunde," schrie er verzweifelt auf. „Da, schau hin, das ist mein Haus, aus dem jetzt die Flammen schlagen." Und wie von Furien gepeitscht, stürmte Martin Wehrlin den Weg zurück, den er soeben haßerfüllt gegangen war. Der Ein ödbauer stand noch einige Augenblicke unter dem Eindruck des iürchterltchen Haßaus- druches seines unversöhnlichen Feindes. Als aber sein Auge die Flammengarben traf, die aus dem Gehöft Martin Wehrlins schlugen, da war auch dieses Leid wieder vergessen, das ihm der Felnd zugefügt hatte, und unter einem unwiderstehlichen Zwange folgte er dem Buchwaldbauern. Das Mitleid, die Hibs- bereitschaft, die Liebs hatten über alle Be denken gesiegt. Als Anton Ferchhammer vom Aussichts turm herab auf die Straße trat, lud das Glöcklein der Kirche in Grabow zum Gottes dienst. Der Priester hatte es sich nicht nehmen lasten» trotz Ler offenbaren Gefahr, in die er sich begab, in der Kirche seine Ge treuen um sich, zu scharen, um mit ihnen ein kurzes Gebet zu fprechen. Er befahl dis Seelen seiner Gemeinden in die Hände des Höchsten. Das Glöcklein läutete nun den frommen Betern auf dem Heimwege. Die abendliche Straße lag lautlos. Kein froher Kinderjubel wie sonst, kein Wagen ratterte über das holprige Pflaster, kein Ge plauder arbeitsmüder Menschen klang herüber und hinüber. Sie hasteten nur alle vorwärts, um schnell ins Haus zu kommen, wo sie sich im Kartoffelkeller versteckten, oder aber hinter festen Steinbauten Schutz suchten vor dem immer heftiger werdenden Granatfeuer. Da überfiel den starken Mann Bangigkeit. Nicht vor der Gefahr fürchtete er fich, sondern vor all dem Leid, das nun sein Auge in den nächsten Stunden sehen würde. Aus einer Seitengasse, die von Neutornet in die Wiesen am Hange führte, kamen zwei Männer. Anton Ferchhammsr kannte sie wohl. Es waren Großbauern, die nur zum Teil Pächter in Hohenlindow waren, deren Besitztum ähnlich wie das seinig-e in die Nachbarbezirke Hineinreichle. Sie plauderten laut und eifrig, als ob sie die ernste Zett nicht kümmerte, und es war dem Einödbauern ein leiser Trost, daß die Menschen bet aller Gefahr, die sie um drohte, ..nicht wußten, wie nahe sie auch ihnen war. „Uns werde se nix tue!" hörte er gerade einen von ihnen sagen, „wir sind immer für Frankreich gewesen!" Da kam tn gewaltigem Bogen eine Granate
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