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546 Allgemeines Journal der Uhrmacherkunst. Nr. 22. Die hier beschriebene Buchführung umfasst also ausser dem notwendigen Beparaturenbuch das Lager-, Verkaufs-, Tage-, Haupt-, Fakturen- und Monatsbuch; kürzer, dabei aber ge nügend sicher, wird diese kaum einzuriehten sein. Alb. Hüttig. 7— J ; - ■ -L Allgemeine Uhrmacher-Versammlung zu Hannover. Seid einig! einig! einig! . Dringender und stärker denn je ertönt dieser Buf unter den Kollegen von Nord und Süd, von Ost und West. Jetzt endlich, gezwungen durch die bittere Notwendigkeit, beginnt man zu fühlen, dass in dem Zeitalter des Zusammenschlusses der Einzelne machtlos ist und nur die Menge Gehör findet. Steht auch noch immer ein grösser Teil müssig abseits, ihre Teil- nahmlosigkeit und Schlaffheit mit der bequemen Ausrede: „Es nützt ja doch nichts!“ beschönigend, so ist es doch recht erfreulich zu sehen, dass aus den Beihen der Müssigen sich immer mehr Hände und Köpfe zur Mitarbeit anbieten. Aus allen Nachbar städten Hannovers waren am 3. November Kollegen erschienen, um teilzunehmen an der Versammlung, welche durch die Uhr- macher-Zwangs-Innung einberufen war. Leider, es ist betrübend, dass wir es sagen müssen, waren von den Uhrmachern der Stadt Hannover nur etwas mehr als die Hälfte erschienen. Diese Er scheinung ist um so bedauerlicher, als hier nur das Opfer eines Sonntag-Nachmittags gebracht zu werden brauchte. Wann wird endlich die Zeit kommen, wo auch diese Teilnahmlosen zur Ein sicht kommen, dass auch sie ihr Scherflein beitragen müssen zur Förderung ihrer Standes-Interessen? Wielange noch werden sie träge am Wege stehen? Um 4 Uhr eröffnete Herr G. Jasch die Versammlung, und wurde derselbe zum Leiter, und Herr P. Bentsch zum Schrift führer gewählt.- ;In herzlichen Worten begrüsste Herr Jasch die, zahlr-eieh'eFSchienenen Kollegen, und besonders Herrn Bobert Fifceyjp&mg^Leipzig, . Vorsitzender des Oentral-Verbandes der Deutschen Uhrmacher, Herrn Obermeister Harry Plate-Hannover, HerrnfiDr. IBocke, Syndikus der Handelskammer zu Hannover, Herrn Dr. Wienbeck, Sekretär der Handwerkskammer zu Hannover, Herrn Chefredakteur Wilh. Schultz-Berlin und Herrn Bedakteur W. König-Halle a. S. Der Bedner gab dann in kurzen Zügen einen Ueberblick der Verhältnisse, welche die Veranlassung gaben, eine grosse Versammlung einzuberufen. Nur eine persönliche Aussprache kann eine Besserung unserer Lage herbeiführen. Herr Obermeister Plate überbringt die Grüsse des Hand werker- und Gewerbekammertages und wünscht, dass die Ver handlung zum Vorteil und Nutzen des Gewerbes dienen möge. Herr Dr. Bocke gibt seiner Freude Ausdruck, dass man ihn berufen hat. Er ist der Einladung um so lieber gefolgt, da ihn die Verhältnisse unseres Berufes besonders interessieren. Herr Dr. Wienbeck schliesst sich den Ausführungen seines Vorredners an. Herr Bob. Freygang-Leipzig dankt für die Einladung und überbringt die Grüsse des Oentral-Verbandes. Da Punkt 1 und 2 der Tagesordnung: Wie verbessern wir unsere Lage, und wie soll sich der Uhrmacher seine Beparaturen bezahlen lassen? nicht gut getrennt behandelt werden können, verbreitet er sich in längeren Ausführungen über dieses Thema. Die Uhr macher im vorigen Jahrhundert standen in gesellschaftlicher Beziehung viel höher, wie es heute der Fall ist. Die Arbeiten wurden damals noch höher bewertet; es wurde, trotzdem man nicht so intensiv arbeitete wie heute, mehr verdient. Erst mit der Einführung der Gewerbefreiheit ging es mit unserem Stande abwärts. Die Gründung des „Oentral-Verbandes der Deutschen Uhrmacher“ im Jahre 1876 hat manches gebessert und nament lich den Niedergang gehemmt. — Im Frühjahr dieses Jahres ging nun vom Berliner Verein die Anregung zur Besserung unserer Lage aus. Schnell griff die Bewegung um sich, und überall beginnt man sich aufzuraffen, umi gemeinsam an der Besserung unserer Lage zu arbeiten. Ueberall sehen -wir heute Zusammen schluss, von dem einfachsten Arbeiter an bis zu dem Gross industriellen. Ich erinnere nur an die Trusts. Nur der Uhr macher will es nicht begreifen, dass der Einzelne machtlos ist und nur die Masse eine Macht darstellt. Dann aber mag der Uhrmacher für seine Standesinteressen nichts ausgeben. Welche Opferfreudigkeit in anderen Berufen herrscht, dafür nur ein Beispiel: In Leipzig schlossen sich kürzlich die Scheuerfrauen zusammen; dieselben zahlen für die Vertretung ihrer Interessen wöchentlich 20 Pfg.! Es wird endlich Zeit, dass wir uns auch fester und fester zusammenschliessen; das sind wir in erster Linie auch unseren Familien schuldig! — Bei der Berechnung unserer Arbeit berücksichtigen wir zu wenig, dass mit der Ausübung unseres Gewerbes Kosten verknüpft sind. Wir müssen uns daran gewöhnen, alle Unkosten in Bechnung zu stellen. Der Handel wird uns durch Zwischenhändler, Warenhäuser, Abzahlgeschäfte u. s. w. geschmälert und entzogen. Mehr und mehr' müssen wir uns auf unsere Arbeit stützen; liefern wir dieselbe tadellos, lassen wir sie uns aber auch gut bezahlen. — Wenn Sie nun aber heute etwas beschliessen, handeln Sie auch danach! (Lebhafter Beifall.) Herr Dr. Bocke führt den Bückgang des Uhrmachergewerbes besonders auf die Ueberproduktion zurück. Weiter beleuchtet er die Bücksichtslosigkeit des Publikums. Er empfiehlt als dringend notwendig: Zusammenschluss gegen verschiedene Kreise von Fabrikanten und Zusammenschluss gegen die Abnehmer. Auch die Fachzeitungen müssen gelesen werden, damit die Anregungen aus den Versammlungen weiter gepflegt werden. Ein Gedanken austausch ist unbedingt nötig und die Bedaktionen sind für jede Anregung sehr dankbar. Herr Chefredakteur Wilh. Schultz überbringt die besten Grüsse und Wünsche des Bundes. Gegen die Ueberproduktion sind wir machtlos. Die Hauptschuld an den bestehenden Verhältnissen tragen wir selbst, und an uns liegt es, ob es besser wird. Herr Dr. Wienbeck weist in seinen sehr interessanten und mit lebhaftem Beifall aufgenommenen Ausführungen darauf hin, dass die Uhrmacher, im Gegensatz zu den anderen Handwerkern, es zu wenig verständen, sich in den Vordergrund zu drängen. Bei den Gewerbekammern hört man sehr wenig von den Wünschen der Uhrmacher. Die Gewerbekammern freuen sich, wenn sie in Anspruch genommen werden und helfen gern, so weit es in ihrer Macht liegt. Die Angaben, wieviel Gewerbe treibende einer Klasse, wieviel Händler und Warenhäuser es in einem Bezirk gibt, werden von den anderen Gewerben der Handwerkskammer täglich auf den Tisch gelegt; nur der Uhr macher fühlt sich zu stolz und zieht sich zurück. Es muss fest gestellt werden, wieviel Uhrmacher sich überhaupt in einem Bezirk ernähren können, damit dem leichtsinnigen Selbständig- maehen der Gehilfen Einhalt geboten wird. . — Bei der Fest legung bestimmter Preise muss man sehr vorsichtig sein, da die Verhältnisse sehr verschieden sind. Bei den Friseuren sind z. B. die Geschäfte je nach der Lage in einzelne Bezirke geteilt und jeder Bezirk hat dann seine besonderen Preise. Vor allem aber muss dafür gesorgt werden, dass das Standesbewusstsein erwacht. Herr Bob. Frey gang betont, dass der Central-Verband schon versucht hat, auf die Fabrikanten einzuwirken. Wenn aber etwas erreicht werden soll, so müssen alle mithelfen. Ferner warnt er, Preise festzulegen, da dadurch nur das Gegenteil er reicht wird. Es muss jedem selbst überlassen bleiben, auf welche Weise die Preise höher zu bringen sind. - Herr Eisfeld-Göttingen schlägt vor, die Beparaturpreise für Uhren aus Versandhäusern besonders hoch zu schrauben. Herr Dr. Wienbeck weist darauf hin, dass auch jeder andere Stand unter unlauterer Beklame zu leiden habe, z. B. die Aerzte. Erfolgt dann auch eine Bestrafung, so trifft dieselbe nur einen Einzelnen und es wird wenig erreicht. Er empfiehlt immer wieder, sich die Presse nutzbar zu machen und an die Oeffent- lichkeit zu treten. Das könne z. B. durch Fachausstellungen geschehen, wo man zeigen kann, was geleistet wird. Herr Bedakteur W. König weist darauf hin, dass durch die ganz unnötige, Geheimniskrämerei das Misstrauen des Publikums genährt werde. Man soll den Kunden offen gegenübertreten und denselben durch eine detaillierte Bechnung vor Augen führen, dass zur Herstellung einer Uhr eine Menge Arbeit nötig ist.