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Sächsische Elbzeitung : 17.03.1894
- Erscheinungsdatum
- 1894-03-17
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1787841065-189403170
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1787841065-18940317
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1787841065-18940317
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungSächsische Elbzeitung
- Jahr1894
- Monat1894-03
- Tag1894-03-17
- Monat1894-03
- Jahr1894
- Titel
- Sächsische Elbzeitung : 17.03.1894
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der Bäume stellte und zu dem erleuchteten Giebelfenster aufsah. Andere Gedanken als sonst bewegten ihn. Wie alle Morgen war er auch heute mit wüstem Kopf im Kruge aufgewacht. Seine Augen brannten und seine Glieder flogen in nervösem Zittern. Wie gewöhnlich stürzte er als erstes Getränk, um sich wieder anzuregen, einen Schnaps hinunter, daun trat er vor die Hintcrthüre und blickte auf den Hof. Lina, das Dienstmädchen des Kruges, war am Brunen beschäftigt. „Was ist Dir, Lina? fragte er, „hast ja rotgeweinte Augen." „Ihr wisst ja," erzählte sie schluchzend, „ich hatte mich mit Franz Merkel eingelassen. Nun ist er gegangen und hat sich mit einem Stadlmädchen versprochen. Das drückt das Herz ab." „Und ivns wirst Du thun?" fragte er mit leidig, hatte ihn doch ein ähnliches Geschick getroffen. „Was ich thun werde? — Tragen werde ich es mit Geduld. War ja meine Schuld. Weshalb that ich's gegen den Willen seiner und meiner Eltern?" „Du hast aber ältere Rechte an ihn?" „Ich weist aber, dast er die andere lieb hat und mit ihr glücklich ist. Auch ich habe ihn lieb — soll ich wider sein Glück sein? Er soll glücklich sein!" „Und Du?" „Ach wisst Ihr," sagte sie, indem die Thränen von neuem ihre Augen füllten, „Arbeit ist das beste Mittel. Wenn man sich müde arbeitet, hat der Kopf nicht Lust, sonst was zu deukeu." Karl wandte sich ab und war nachdenklich geworden. Dast ein armes Tagelöhnerkind ihm solche Lektion gab! Auf einmal, mit einer plötzlichen Gefühls schwenkung, wie sie leidenschaftlichen Naturen eigen ist, kam er sich so erbärmlich und schwäch lich vor. Hatte er dann noch ein Recht auf Katha rina? Sie war eines anderen Weib, und er pochte auf ein Recht, dast er nie besessen, quälte sich und sie. Und darüber zerrüttete er sein Leben im kindischen Trotz. Wie feige, im Trunk Betäubung zu suchen, statt in ehr lichem Kampf sich selbst zu bezwingen I Was ivar das Leben in den letzten Monaten ge wesen? — Mit Macht drängten diese Gedanken auf ihn ein. Es ekelte ihn vor sich selbst. Ob sie ihn, den anderen auch liebte? Ob sie mit ihm glücklich war? — Und ob sie es nicht war, auch dann hatte er kein Reicht, in eines anderen Rechte einzugreifen. Trug sie ihr Geschick mit Ergebung — sollte er minder- stark sein? — Er wollte ein grosses Herz haben, er wollte sie aufgeben in jedem Fall. Nur wissen wollte er, ob sie ihn liebte. Nun blickte er zum Hellen Fenster auf. Da traten Fritz und Katharina in daö Zimmer. Er hatte seinen Arm um sie gelegt und sie blickte mit inniger Liebe zu ihm auf. Wohl zuckte es in bitterein Weh durch Karl's Herz, aber er klammerte sich mit Ge walt an das Wort Lina's: „Sie soll glücklich sein!" Er hatte genug gesehen und hätte gehen können. Aber er konnte sein Auge nicht von dem Bild traulichen Familienlebens wenden. Und er? — Und er? Standhaft kämpfte er den aufsteigenden Groll nieder: Sie soll glück lich sein. Da verliest Fritz das Zimmer und das Haus. Noch eine Weile stand Karl in tiefem Sinnen, da trat Katharina zum Fenster und öffnete eö. Entsetzt fuhr sie zurück, Karl's ge- spenstcrbleicheö Gesicht trat aus dem Dunkel hervor. Er schwang sich auf daö Fensterbrett. „Katharina," flüsterte er, „ich komme im Guten. Sage, sage schnell: Liebst Du ihn? So gebe ich Dich frei!" „Ja," hauchte sie und schloß das Fenster. Sie sah noch, während er zum Boden glitt, seine dunklen Augen voll schmerzlicher Liebe auf sich gerichtet und hörte einen tiefen Seufzer. Minna war in dem Augenblick an den Gartcnzaun getreten, wo Karl vom Fenster brett absprang und hörte noch wie das Fenster klang. Der Müller war nicht zu Hause, und die Frau hatte den Karl bei sich, liest ihn nun heimlich zum Fenster hinaus? Sollte es auch bei der Frau nicht so ganz richtig sein? Sie schüttelte ernst und verwundert den Kopf. — * * Karl verliest Arnsfelde mit dem festen Vorsatz, durch ehrliche Arbeit ein ordentlicher Mensch zu werden. Es war aber nur ein plötzlicher Impuls, dem er folgte; er gefiel sich einmal in der Nolle des grossmütig Entsagenden. Kein fester, stetiger Wille beherrschte ihn, er liest sich von plötzlichen Anfassungen leiten, die ihn mit der ganzen Heftigkeit seines leidenschaftlichen Em pfindens ergriffen, aber nur eine zeitlang fcst- hiclten, um ihn dann oft in das Extrem fallen zu lassen. Er war wie ein unruhig flackerndes Licht — jetzt von diesem Luftzug, jetzt von jenem bewegt — stets aber in demselben leiden schaftlichen Brennen. Nun sollte er mit seinem Vorsatz noch gar schlechte Erfahrungen machen, um so weniger konnte er Stand halten. Niemand wollte ihn haben, wo er sich auch zur Arbeit anbot. Zur Winterszeit war wenig zu thun — und der „wüste Karl"? Den wollte keiner im Haufe haben, selbst die nicht, > die mit ihm zusammen gezecht und über seine Späße am lautesten gelacht hatten. Karl's Herz schwoll in Bitterkeit. Wie schwer ist der Weg zum Guten! Man sündigt nicht ungestraft, die Sünde hält ihren Diener fest. Sollte er zu seinem Vater gehen? Nein, das wollte und konnte er nicht. Mit Katharina glaubte er sich in seinem Herzen ausgesöhnt. Umsomehr verhärtete sich sein Herz in Trotz und Groll gegen den, welcher ihm sein Glück entrissen, gegen seinen Vater. Und müßte er bettelnd durch das Land gehen und in dem Vaterhaus wär' ihm ein reicher Tisch gedeckt, er würde vorübergehen, ohne anzuklopfen. Dem Vater gegenüber glaubte er sich ge wiß in seinem Recht, da wollte er seine Schuld nicht einsehen und bekennen. Und weil er sich nicht beugen mochte, blieb ihm der Weg zur Umkehr, der Weg zum Guten verschlossen. Sein Trotz stand ihm im Wege. Mittellos und hilflos wie er war, ging er dahin, wo er in den letzten Monaten nur zu bereitwillig Hilfe empfangen, zu Itzig Levysohn. Der sollte ihm Geld geben, dast er etwas Ordentliches anfaugen könnte. Doch der Jude, der ihm so lange — aus reiner Freundschaft! — seine Geldtasche offen gehalten, fing an, Umstände zu machen. Er beobachtete Karl mit lauerndem Blick und zuckte die Achseln. „Hundertundfünfzig Thaler sinds bar und blank." — Karl erschrak bei der Höhe der Summe, gedankenlos hatte er daö Geld hin- genommen, unterschrieben ohne gelesen zu haben. „Wollen Sie nachrechnen, Herr Huber? Hier stcht'ö schwarz auf weiß. Hundertundfünfzig! Eine schöne Summe, ein kleines Vermögen! Sehen Sie, Herr Huber, wenn Ihnen zustöstt was Menschliches — wer kannü wissen? — so sitz ich da mit meiner Armut. Bringen Sie mir über die Summe eine Unterschrift von 'nem guten Namen — hier auf dies Wechsel- pnpicrchcn und wir reden weiter vom Geschäft. Anders nicht, anders kann ich's nicht." Karl drang in ihn mit Bitten, doch der Händler wollte von keiner Freundschaft mehr etwas wissen. „Die Unterschrift von Ihrem Vater, oder — ist nicht der Müller Richter Ihr guter Freund?" fragte er lauernd. — „Anders ist nichts zu machen". „So gebt den Wisch her! Will sehen, was sich machen lässt!" Karl wankte hinaus. Was war aus Karl, dem schmucken, kräftigen und stolzen Bauern sohn geworden? — Eine schwankende, elende Gestalt mit unsicherem Gang und zitternden Gliedern. Seine Haare, die er früher so keck gescheitelt trug, hingen wirr in die bleiche Stirn, ein müdes, unstetes Feuer brannte in seinem sonst so lebendigen Äuge. Auf sein Gesicht hatte wüste Leidenschaft ihren Stempel gedrückt. Wohin nun? Er sah sich zurückgeschleudert auf den Weg, den er zu verlassen strebte, auf den Weg des Verderbens. — Gut, so wollte er ihn gehen. — Des abends säst er wieder im Arnüfelder Krug, trank und lärmte, toller noch als früher. Er war nach Arnsfelde gekommen, zu ver suchen, ob er nicht von einem seiner Bekannten die verlangte Unterschrift besorgen konnte. Ueberall war er mit Entschuldigungen, mehr oder minder höflich, abgewieseu. Verbittert ging er in den Krug, — da gingö doch lustig her! Ueber Karl mar wieder ganz der böse Geist wüster Leidenschaft gekommen. Seinem ver bitterten Herzen Luft zu machen, liest er seiner scharfen Zunge die Zügel schiessen. Unbemerkt war Fritz Richter eingetreten. Die Beiden hatten sich nur einmal gesehen. Auf der Landstraße war Fritz an seinen Jugend- gespiclen herangctreten und hatte ihm freundlich die Hand hingestreckt. „Karl, hast Du unsere alte Freundschaft vergessen? Hier gieb die Handl" Da hatte Karl ihm mit finsteren Blick die Hand hingehalten, doch nur Faust geballt und gegen ihn geschüttelt. Fritz hatte gedacht, er wäre betrunken und hatte sich abgewandt. Beide waren sich seitdem aus dem Wege ge gangen. — Eben erzählte Karl eine Schnurre, welche hart wider die Ehre einer achtbaren Frau des Nachbardorfes lief. Die Umstehenden brachen in lautes Lachen aus. Da trat Fritz in den Kreis, Hellen, edlen Zorn auf der offenen Stirn und in den treuen blauen Augen. „Schämt Ihr Euch nicht," sagte er ernst, „über solche Zoten zu lachen? Ist Euch die Ehre der Frauen und Mütter unserer Heimat nicht mehr heilig?" Es war einen Moment kirchenstill ge worden im Kreise. Daun lachte Karl toll und wüst auf: „Schaut einei den Mehlkäfer!" rief er höhnend. „Bildet sich wohl hier zum Prediger aus! Du, aber die Priester tragen ein schwarzes Kleid! Und der grad' will über Frauenehre uns predigen! Eö ist zum Totlachen!"
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