Suche löschen...
Sächsische Elbzeitung : 30.12.1925
- Erscheinungsdatum
- 1925-12-30
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1787841065-192512301
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1787841065-19251230
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1787841065-19251230
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungSächsische Elbzeitung
- Jahr1925
- Monat1925-12
- Tag1925-12-30
- Monat1925-12
- Jahr1925
- Titel
- Sächsische Elbzeitung : 30.12.1925
- Autor
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Punsch und Bowlen. Getränke für de» Ne n j a h r s c m p f a u g. Wer sich eine» Silvcsterpnnsch leiste» ivill, braucht sich trotz der schlechte» Zeiten »iit de» Schillerschen vier Elementen „innig gesellt" nicht zn begnüge». Dies ist die klassische Grundform, doch sic läßt sich »och immer aus- banc». Z» dci» Hausrezept eines frühere» Hofes, das d»rch Indiskretion schon vor Jahren bekannt wnrde, kann >»a» kam» raten, den» die vier Flasche» Rheinwein, die hier zu feinstem alten Nnm nnd vier Psnnd Zucker treten, miis- ien vcu ältesten Jahrgängen besten Wachstums ange boren, also sogenannte „Spitzen" sei». Aber de» Lieb- lingspunsch der alte» § ch w a b c u k ö u i g e, der ei»e Flasche gute» Weißweins >»it drei Schoppe» Wasser ver- viinnt, vies Gemisch mit Zucker süßt nnv mit Orange nnd Zitrone würzt, darf sich der bürgerliche Haushalt vielleicht auch heule uoch gönnen. Aus den nordischen Punsch, nicht den fertig ans Flaschen abgezogenen schwedischen, muß mau heute wohl verzichte», vc»» vier Flasche» Bur gunder zn je einer Flasche Portwein und Kognak mit Zitrone und Zncker laufen doch wohl zu stark ins Geld. Sehr empfehlenswert und praktisch leicht ausführbar siud die Teepunsche, die mit Tee als Grundlage vom ein fachste» bis zum verwickeltste» emporstcigc». Hierher ge- büre» auch die »»schwer Z» variierende» Grogs »»d Glühweine, auch die Frnchtpunschc auf Him- beer- oder Erdbeersaft sind nicht zu verachten. Die Bowle», zumal die heiße» »»d die America» Drucks, wäre» hier anzuschlicßen. Freilich, die hochge- stimmte» Zeite» sind vorüber, da »ach erledigtem Diuer der weißgekleidete Mixer avtrat u»d die Gäste mit Flip »iid Cocktail, mit Sovrs u»d der »ur de» mättttliche» Kehle» z»gcmtttctc» Prärieanstcr bediente. Aber ei» bc- scheidcner Numsour, ein Rotivcincobbler, ein Whisky- sling sind noch immer geläufig und bescheidene Börse» könne» sich das leiste». Was die Bowle» angeht, so lese» sich die Zubereitungen des Herrn Munke-Punke, des Meisters im Bowlenbraucn, mit ihrer Häufung seltener Kreszenzen und kostspieliger Liköre, hcu'e wie ein Märchen- buch. Aber Saisonbowlcu oder kalte Euten, gewürzt etwa mit Sellerie, Pomeranzen oder Ananas, oder dec alle, jeder Hansfra» noch immer vertraute „Bischof" möge« unsere entwöhnte Kehle darüber trösten, daß wir uns Feinheiten größere» Maßstabes versage» müsse». Tages-Ehronik O Der Tod auf der Jagd. Bei einer Wildschwcinjagd in Lütge »Hage» (Pommern) Warde der 13 jährige Sohn eines Försters von einem 16 jährigen Gymnasiasten fahrlässig erschossen. — Der Vattineistcr Weidinger aus Nürnberg stürzte auf der Jagd so unglücklich, daß sich beide Läufe seiner Jagdflinte entluden nnd er durch Schreckschüsse in de» Unterleib getötet wurde. O Hinrichtung. Im Regensburger Gefäuguishos wnrde der wegen Ermordung seines unehelichen Kindes zum Tode verurteilte Metzger Berthold durch de» Scharf richter Reichardt aus München hingerichtct. Berthold hatte auf die Gnadcusrist vo» 21 Stunden verzichtet. O Platens Grab in, Syrakus. Auf einen Schritt, de» die Platen-Gesellschaft bei der italienischen Negierung zum Zwecke der Erhaltung des Grabes A u g u st vo n Platens in Syrakns tat, Hal der Ministerpräsident Mussolini in einem Schreiben au deu Präsidenten der Gesellschaft, Hans von Hülse», milgcleilt, das; er Au- weisuttg z»r Restaurierung der Grabstätte dieses Dichters geben werde, dessen Name in Italien unvergessen sei. O 36 HaremSdame» vergiftet. Wie aus K o n st a n t i - uopcl gemeldet wird, hat Achram-Bei, ciuer der vornehmsteu und reichsten türkischen Aristokraten, in den letzte» Tage» ei» gräßliches Altental verübt. Er wollte trotz wiederholter Vorstell»»ge» der Behörde», sci»c» Harem anfzalösc», diesem Befehl »icht Folge leiste». Am 20. Dezember legte Achram-Bei Galakleider a» n»d ver sammelte alle ebevfalls festlich geschmückte» Dame» seines Harems »m sich. Bei dem Diner schüttete er ei» strenges orietttalisches Gist i» die Speise». Am andere» Morgen wurde» alle 36 Haremsdame» samt Achram Bei tot auf gesunde». O Heftige Kältewelle i» Amerika. Der Oste» »»d der mittlere Weste» der Bereinigte» Staate» sind vo» einer heftigen Kältewelle ersaßt worden, die in Chikago nnd Newyork bereits verschiedene Todesfälle infolge Erfrierens zur Folge gehabt hat. Im Staate Minnesota fiel das Thermometer bis auf 34 G r a d C c l s i u s u » 1 e r N » l l, im Staate Newyork an der kanadischen Grenze ans 28 Grad unter Null. Selbst Washington erlebte eine Tcmpcratnr von minus 1l> Grad Celsius. Noch bitterere Kälte wird für die nächsten Tage vorausgesagt. De» Bergwcrks- distrikt Pe»»sylva»ie», wo der große Kohle»strcik immer »och a»da»ert, trifft die Kälte besonders hart. Unter der Bevölkerung herrscht stelleuwcise Mangel an Lebens mitteln, Kleidung und Heizung. Die Meteorologen sagen ciu Audanern des kalten Wetters für mehrere Tage voraus. O 406 Hunde in Zwei Tagen getötet. In Berlin ist ver Andrang der Hnndcbesitzer, die infolge der Er höhung der H u n d c st e n c r im kommenden Viertel jahr ans >7,50 Mark im Tiersehntzvcreiu ihre Hunde töten ließen, derart stark geworden, daß das Heim geschlossen werden mußte, da die Wärter die Arbeit »icht mehr be wältige» ko»»tc». Bis jetzt si»d iu zwei Tage» ru»d 400 H»»dc getötet worden. O Durch lochendes Wasser verbrüht. Das zweijährige Söhnchen Joachim des Holzarbeiters Staron in Cladow im Kreise Landsberg a. d. Warthe siel in einen Tops mit lochendem Wasser, den seine Mutter in der Stube auf die Erde gestellt hatte. Tas Kind verbrühte sich derartig am Unterleib, daß cs bald nach seiner Einlieferung ins Krankenhaus starb. O Wiederherstellung des Mainzer DvmS. Die Kosten der Wiederherstellung des stark gefährdeten Mainzer Doms belaufen sich auf insgesamt 1 700 000 Mark, die von Reich, Staat und Gemeinde gemeinsam aufgebracht werden. Die Stadt Mainz selbst hat einen Betrag von 50 000 Mark zu den Baukosten zugestcuert. O Folgenschwere Explosion von Feuerwerk. In einen; kleinen italienischen Dorf wurdcm wie aus No»; gemeldet wird, vier Frauen bei»; Transport von Papierbomben getötet. — Auch in der Umgebung von Salerno ereignete» sich zivei schwere U»glückssälle mit Papierbombcn, die für die Verküttdlmg des Festtages bestimmt Ware». Eine Person wurde getötet, ciuer anderen mußte ein Arm ab- genommen werden. O Riesige Bankttotcufälschung. In K ; oatisch No - vagradiöka wurde im Bahnhofsrcstauraut ein Koffer mit 760 000 Stück gefälschter Dinarbanknoten beschlag nahmt. Die Fälscher entkamen. Bunte Tageschronik. Franksuri n. M. Aus seinem Schlosse Philippsthal bei Hirjchscld ist, 70 Jahre all, Laudgras Ern st z u Hessen, das Hnupl der laudgräsllchcu Linie Hessen Philippsthal, ge storben. Mit ihm stirbt die Linie, eine Nebenlinie der früheren kurfürstlichen Hauplliuie Kassel, aus. Lüdenscheid. Die Maschinenfabrik Karl Klinker u. Co. brannte vollständig nieder. Das Feuer griff mit rasender Schnelligkeit um sich. Moskau. Der russische Dichter Sergius Jessenin Hal tu Leningrad Selbstmord Vernbl. Börse und Handel. Amtliche Berliner Notierungen vom 20. Dezember. * Börsenbericht. Die Börse war stark verstimmt über die Ergebnislosigkeit der bisherigen Rnhrlrnstvcrhandlungen und die Kursrückgänge aus dem Monlanmarkl übertrugen sich auch ans die übrigen Marktgebiete. Auch der Markl der inländische» Anleihe» war stark verstimmt, Kriegsanleihe ging ans 0,102 zu rück. Am Geldmarkt war tägliches Geld zu 8—10 ZÄ, monat- liches Geld zu 9,50—11 erhältlich. * Devisenbörse. Dollar 4,19—4,21: c n g l. P f n n d 20,!F bis 20,39; holl. Gulden 168,74—169,10; Danz. 80,70 bis 80,90; franz. Frank 15,53—15,57; bclg 19,02—19,06; schweiz. 81.14—81.31: Italien l v K ronc 112,61 112,89; d a n. 103,71 iui,M; „ o r w c g. 85,01 bis 85,23; t s ch c ch. 12,11 12,15; ö st c r r. Schilling 59,23 bis 59,37: p o l n. Zlot n knicht amtlich) 49,13—48,37. Berlin, 29. Dezember. Nachdem der Verlauf des Chicagoer ^^cmmnncs ;mon lummer geworoeu Ivar, bracbte Liver pool niedrigere Notierungen. Das blieb hier nicht ohne Ein fluß, zumal das Angebot vom JMande, wenn auch für Weizen laum größer als bisher, doch eher williger Ivar. Lieferung Tdsouderö per Märllicferung nachgiebiger. Bou Roggen zeiglc sich mehr Provinzmalcrial, wenn auch teilweise noch zu Forderungen, die hier nicht zn erzielen waren. Lieferung gab im Preise etwas nach bei ruhigem Bcrkehr. Gerste blieb still, aber behauptet. Für Hascr bestand manche Nachfrage, in die sich Platz-, Konsum- und Inlandsbedarf teilten. Das Mehl < geschaft war durch die seitherige Hochbewcguug angeregt, wurde aber bald ruhig. F u t l e r a r t i t c l still. Getreide uud Olsaalcn per 1000 Kilogramm, sonst per 100 Kilo gramm in Reichsmark. Wetz., mark 29. 12. 246-252 28. 12. 250-256 Wetzkl.s.Brl j 29. 12. j 28. I2. 41,5-11,811.5-11,8 vommerschei 246-252 250-256 Nogkl. s. Brl. 10-10,2 10-10,2 Rogg., mark. 148-155 152-159 Raps —— pommerschcr 148-155 152-159 Leinsaat - — westprcnß. — — Btktor.-Erbs. 26-33 26-33 Braugerste 187-214 187-214 kl. Speiseerbs. 22-24 22-24 Futtergerstc 156-170 156-170 Fnttercrbsc» 19,5-20.5 19,5-20,5 Hafer, mär! 163-174 164-175 Peluschken 18-19 18-19 pommerschcr Ackerbohnen 21-22 21-22 wcßprcuß. —- — Wicken 21-23 21-23 Weizenmehl Luptn., blaue 12-12,5 12-12,5 p. 100Nil. sr. Lupin., gelbe 12-14,5 12-14,5 Bln. br. lull. Seradclla — — Sack (sctiist. Rapskuchen 15-15,2 15-15.2 Mrk. N. Not.) 33,2-36,5 33,5-37 Leinkuchen 23.6-23,8 23,6-23,8 Noggenmehl Trockenschtzl. 8,3-8,5 8,5-8,7 p. 100 Nil. sr. Sova-Schrot 21,2-21,5 21,3-21,5 Bln. '-r. tnkl. Loi;ml.30/70 7,7-7,8 7.7-7.S tnkl. Sack 22,7-24,7 23,2-25,2 Kartosselfl. 14,9-15,5 >4,9-15,5 Spiel und Sport. 8». Dritter Stndtckampf im Bolköturnc» Berlin—Ham burg—Leipzig. Die Städtckämpsc im Kunsttuructz, die zwischen den drei Großstädten Berlin, Hamburg und Leipzig seit ciuer Reihe vou Jahren bestehen und sich einer großen Beliebtheit erfreuen, im besonderen aber für die ! Pflege des Kunstturnens von großem Nutzen und für die große Deutsche Turucrschaft äußerst werbekräftig sind, , haben die Leitnngen dieser Städte dazu veranlaßt, der- j artige Kämpfe auch im Volkstnrnen durchzufiihren. In ! der alten Hansestadt Hambnrg soll im nächsten Jahre die Kampfstättc sein, wo am 29. August 1926 der dritte Städtekampf in de» volkstümliche» Übungen vor sich gehen wird. Der Wettkampf setzt sich aus folgenden Übungen zusammen: Läufe über 100, 400, 800, 1500 und 3000 Meter, Hochspruug, WcUsprung, Stabhochsprung, Kngelstoß (7)4 Kilo), Stcinstoß (15 Kilo), Spcerwurf und Schlcudcrballwnrf, 4X100 Mclcr-Staffellanf. Jede Stadt stellt zn jedem Wettbewerb zwei Teilnehmer. Die Gesamt stärke der Mannschaft ist ans 16 Turner sestgescht. 8». DaS Newyorkcr Sechstagerennen als gutes Geschäft : Das letzte Ncwyorker Sechstagerennen hat de» Veran staltern eine Reineinnahme von 400 000 Dollar (rund 1,6 Millionen Marl) cingebracht. Es scheint also, daß sich die Sache, trotz der hohen Hoiwrare an die Fahrer und aller sonstigen Unkosten, doch lohlck. Aus dem GenchissaaL. t K Verurteilter Kircheuränber. Der 2ljährige Zuschneider i Hugo Brandt, der in der Küslcrci der Mallhäuskirche in ! Steglitz einen Geldschraukciubrnch verübt hat, wurde von; j Schöffengericht Schöneberg unler Zubilligung mildernder Um stände zu fünf Jahren Gcsänguis und fünf Jahren Ehrverlust ! verurteilt. 8 Selbstmordversuch vor Gericht. I» Hamburg wurde der 20jährige Seemann Rudolf Leinhos wegen Erpressung zu zehn Monaten Gefängnis verurteilt. Als er abgcführl werden sollte, griff er in die Tasche nnd jagte sich eine Kugel iu die linke Brustscitc. In hossnungsloscm Zustande wurde er in ein Krankenhaus übcrgcführt. Berliner FestseliM. (Vou unserem ständigen Mitarbeiter.) Berlin, 29. Dezember. Die Atempause zwischen den Festen kommt gerade recht, »m die verdorbenen Mägen zu beruhigen nnd den Kater auszukuricreu. Berlin Hal allerhand verzehrt in de» vier Weihnachtstagen. Vier Feiertage — de»n de» heilige» Abend »ins; man füglich daz»rechncn, an dem jnng nnd alt schon die Grundlage zn schaffen pflegt für die allge meine Magenverstimmung, die nun einmal das Wahr- Zeichen des Weihnachlsfestes ist, so gut wie der Lichter- banm. Mehr als eine halbe Million Gänse, so hat man errechnet, sind diesmal in Groß-Berlin anfgegessen wor den. Eine riesenhafte Ziffer, und die Vorstellung ist un- gehenerlich, daß eine Gänseherde vo» solcher Ans- dehnuug lebendig auf einem Platze zusammengetrieben wäre. Aber die Ziffer ist gar nicht mehr so erschreckend, wem; man sie auf die Kopfzahl der Berliner Einwohner umlegt; daun trifft auf je acht Personen eine einzige Gaus, und das ist doch herzlich wenig. Schon daraus kaun mau scheu, wieviele sich die traditiousgeheiligte Weihnachtsgaus diesmal haben versagen müssen. Doch die halbe Million ist den Weg aller Gänse gegangen. Mit ihr Armeen von Pnten, Fasanen, Hasen, Rehen, Hirschen und Wildschweinen. Dazn noch die Güterziige voll Gemüse nnd Obst ans aller Herren Länder, die Tansende von Zentnern Mehl, Zucker, Butter uud die Millionen Eier, Lie in die Stollen nnd Napfkuchen und Striezeln verbacken worden sind! Es ging ein gutes Geschäft iu deu letzten Tagen vor Len; Fest, und dennoch — Berlins Weihnachtskonsum, wenn er auch iu diesem wirtschaftlich schlechtesten aller Winter seit Kriegsausbruch größer war als das Jahrzehnt zuvor, den V o r k r i e g s st a n d hat er nicht erreicht. Un trügliche Statistiken beweisen cs und der Angenschein täuscht, wie so oft. Am weiteste« ist der Verbrauch au W e i h n a ch t s b ä n m e n zurückgeblieben. Zn „nor- , malen Zeiten" durfte man auf Berliu, nach seinem jetzigen I Umfang gerechnet, mehr als eine Million Weihnachts- , bäume zählen. Heuer sind cs gerade halb so viel gewesen.^ Vou den Erfahrungen des Vorjahres belehrt, wo die schönsten Vänmc nm Pfennige wcggegcbcn oder als Brennholz verwertet werden müßten, hatten die Händler bedeutend geringere Posten ungefähren, und diese erlebten nun ein wechsclvollcs Schicksal. Zuerst wäre» die Preise ungewöhnlich hoch. Niemand wollte kaufen, jeder glaubte, die Händler bekämen es schließlich doch mit der Angst zu tnn, wenn die Lager unmittelbar vor dem Fest noch voll wären, und so ging ein allgemeines Nannen dnrch Berlin: „Ich kaufe diesmal erst am letzleu Tage, dann sind sie billig." Die Rechnung stimmte — beinahe. Am Vortag konnte man an allen Straßenecken zu überraschend niedri gen Preisen die schönsten Stämmchen bekommen. Aber am 24. Dezember schlug die Konjunktur wieder um. Wer bis- her uoch nicht gekauft hatte, jetzt mußte er den Veniel ziehen; nnd unter der plötzlichen Nachfrage schnellten die Preise in phantastische Höhen. Für verkrüppelte Dinger wurden vier, fünf Mark gefordert nnd bezahlt. Edel- tannen waren nalürlich unerschwinglich geworden. Und schließlich in den Nachmittagsstunden war überhaupt kein Tauueuzweig mehr zu scheu, geschweige denn ein ganzer Baum! Doch ein Christbanm mußte her. Also ans zur Stadtbahn nnd Hinans in die Wälder der Vororte! In die am nächsten gelegenen Schonungen bei Karlshorst ergossen sich Mcnschenströme und hieben, schnitten, sägte» ab, was ihnen gefiel. Da half kein Drohen der Forst- bcamten; bis die Sipo erschien, war anch schon die ganze Schonung verwüstet und ausgeplündert. Es hat eben anch des gntgedrilltcu und geduldigen Berliners Lang- mnt eine Grenze, wenn es um die heiligsten Güter geht. Lichterbaum nnd Festbrateu müssen sein; wenn nicht nm Geld, dann eben mit Gewalt! Weihnachten liegt kaum hinter uns und schon geht es mit Hingabe an die Vorbereitung des nächsten Festes, S i l v c st e r nnd Neujahr! Silvester ist alljährlich der Höhepunkt der Berliner Ausgelassenheit. Begnügt »rau sich anderswo mit ein paar Böllerschüssen, mit ein ivenig Älcigießcu und Puuschtrinken, so gestaltet der Ber- uner oie>e Nach» zu einem Nnmmel, ver ihm den Fasching des Müncheners, den Karneval des Rheinländers ersetzen muß, deu er ja nicht hat. Seit ein paar Wochen schon haben alle Lokale, von der kleinsten Kneipe bis zum größten Kasfecpalast, die vertrauten Einladungen zur Silvester feier an die Spiegelscheiben gehängt, und jeder mag nach den gebotenen Attraktionen nnd nach dem Inhalt seines Geldbeutels wählen. Denn an Silvester geht „man" natürlich ans. Freilich kann man auch zu Hause feieru, aber dauu muß eiu möglichst großer Verwandte»- »nd Freundeskreis versammelt werden, damit Stimmung in die Bnde kommt. Was der Ansturm des Weihnachtsfcstes uoch in der Brieftasche gelassen hat, das mnß mm heraus und in Silvesterartikel umgesetzt werde». Die Bretter bude», die auf de» Straße» »»d Plätze» ebe» noch Christ baumschmuck, Wachskerze» »»d Weihuachtsflckter feil- hielteu, biete» »»» Feucrwerk, Bleifigme», Juxzigarren, Zauberbecher, Konfetti, Papierschlange», Wachsnasen, Papiermntzcn »nd tausenderlei Karncvalskram zum Kauf, den» Silvester ist Narrenlag. Vor allem Feuerwerk muß sei». Jeder Berliner Junge hat sich ein paar Grosche» zusammengespart oder vo» Vater, Mutter uud sämtliche» Verwandle» ziisammengebettelt, »m Frösche und Kanonen- schläge loslassc» zn können. Reicht es gar zn Raketen, desto besser! Diese werden dann am Gartenzaun oder am Kücheubalko» nufgereiht uud: pssch — bum —ah! zum Neid der NacbbarSjuugeu uud zur Wut des Hauswirts labgebrannt. Da natürlich auch die Erwachsenen mit sfeuerwcrkeu, wird allerhand losgcknallt in dieser Nacht. Mir die höheren Semester bleibt aber Feuerwerk, Blei- Aießcu, Jux uiid Scherz »ur Beigabe; Hauptsache ist der ^Alkohol. Weiß der Berliner schon das ganze graue Jahr über einen gute» mid namentlich scharfen Tropfe» Fehr zn schätzen, so versteht es sich von selbst, daß in der Nenjahrsnacht der Alkohol erst recht in Strömen fließe» ^nnß. Ohne — mindestens! — einen Schwips kein Sil- jpesterl Das soll dazn helfen, von der trüben Bilanz des Plten Jahres Abschied zn nehmen nnv die in der rauhen Wirklichkeit ebenso unerfreulichen Aussichten auf das kom mende rosig verklärt zu sehen iu einem punschselig ge- ^gmmelte» „Prost Neujahr!"? Ernsteken.
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder