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Sächsische Elbzeitung : 24.10.1936
- Erscheinungsdatum
- 1936-10-24
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1787841065-193610242
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1787841065-19361024
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1787841065-19361024
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungSächsische Elbzeitung
- Jahr1936
- Monat1936-10
- Tag1936-10-24
- Monat1936-10
- Jahr1936
- Titel
- Sächsische Elbzeitung : 24.10.1936
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Im Schlafzimmer stand schon seit Jahrzehnten die koinmodc ans Kirschboi,„stwlz. Kein Aiöbcl von üppigen Lasten, kein Prnnltverk von hohe», Preis, nur ein Erbstück. Hans, junger Herr in, Hanse, trat eines Morgens vor tc Kommode, sah die Wurmlöcher und Nisse, schüttelte den llops. „Wie denkst dn, Marthe? Steht der alte Kasten licht im Weste? Wir wollen ihn verkaufen, das; der Nanni fei wird fiir einen würdigen Schrank." „Wem wollen wir die Kommode verkaufen, lieber Hus?" „Vielleicht dem Alträucher?" Man bestellte solch einen Händler ins Haus; und dtser Mann, ein Kenner offenbar, kratzte sich spöttelnd am Or. „Gute Leute, das Ding Hal keinen Kunstwert, alles istgrob and mürbe — was in' ich noch damit? Brcnn- hoz, nichts weiter!" Er giltst, nnd das jnnste Ehepaar vertiefle seine Er- kcninis, wie falsch cs sei, das schwingende Leben mit «ltm Kram zn befrachten. Ja, hätte die Kommode nnr etins Schnitzwcrk getragen, sei cs an den Schlössern, sei es in den'Kanten. Aber so? Der Wurm nagte iin Brett Ivi die Motte im Kleid. „Wir können die Kommode auch verschenken, Hans!" „Wem sollten wir sie schenken, Marthe?" „Einem, der sic noch brauchen möchte!" ^Denkst du?" Mau bat arme Leute ins Hans; und als ihrer vier gcsist hatten, ein krankes Möbel mache die andern auch noch krank, darum sei oic Kommode keine willkommene Gab, schämte sich das Ehepaar, die Armen nicht bereichert zu hbcn, cs sei denn um eine Enttäuschung. ^o waren wohl acht nnd zehn Tage vergangen, die Konvwdc stand immer noch im Schlafzimmer, geduckt und scheit als warte sie aus ein Almosen oder auf de« Henker. Da -g Hans entschlossen den Nock aus, rollte die Hemd- Frau Marthe mi« raschem Zugriff hinderte. „Was willst dn, Hans?" „Brennholz hak- kcn, Marthe!" „Doch nicht im Schlafzimmer!" Dann erst kam beiden zn Sinn, das; sic keine Möglichkeit har ten, das Holz zn verbrennen, weil die Wohnung nicht Herd nnd Ofen besah, son dern nur Heiz körper nnd Gas flammen . . . Immer noch stand die alte Kommode in; Schlafzimmer, wartend und ost anch seufzend, so schien cs wenig stens, da sich im Düster der Nacht znweilen ein Knacken und Kni stern vernehmen ließ. Hans und Marthe hörten es, pochenden Gewissens sogar. „Wohin mit dem Kasten?" fragte man einander, so das; sich Glock ein Uhr Mitternacht der Ehemann zn einer Entscheidung anfrasste. „Ich löse das Nätscl, Marthe!" Di, junge Frau rieb sich die Augen, als Hans das grelle Licht einschaltete, um es dann schleunigst wieder zu löschen. „Es mus; finster bleiben, Marthe!" „Barnm mus; es finster bleiben, Hans?" „Daft mich niemand sieht. Daß mich keiner bemerkt. Denn ich trage jetzt die Kommode hinunter auf die Strafte. Kommt der Müllkutscher nnd nimmt sie mit, ist es fein. Lässt ec sie aber stehen, werden wir sie verleugnen so lange, bis sie verschwanden ist, denn ewig darf sie nicht auf der Strafte liegen." Hans nahm das schwere Möbel auf die Schulter, und seine Fran ging voran, behutsam, leise, auf Zehenspitzen, mit der Kerze von Stiege zn Stiege über die Treppe leuchtend, auch Türen haltend und für Schonung der Wände sorgend. Unten, wo sie das Hans von innen öffnete, blieb Hans eine Weile im Hinterhalt. Marthe spähte vorsichtig über die Strafte, einmal links, einmal rechts — rauh zog der Wind, die Laternen zuckten mit spärlichem Leuchten. „Hails, komm schnell!" Also erreichte die Kommode das Freie, zum erstenmal seit des Urahns Tagen. Und das Möbel wurde abgcsetzt, langsam, keine Latte durfte knistern — in der Tat gelang -er Streich wie bei zünftigen Dieben, die nächtlicherweile ««gehört nnd nngesehcn eine Beute sichern müssen. Flinker als Eidechsen schlüpften die Missetäter ins Haus zurück. Und hastiger als junge Hündchen sprangen sie die Treppe hinaus, Stufe um Stufe, bis zum dritten Stock — geborgen! Auf der Diele umarmte Hans seine Marthe, der eine küsste den andern, der andre hielt dein einen den Finger auf die Lippen: Nur nicht zn laut, nur nicht zu übermütig! Von den Türmen glockte cs zwci Uhr in der Nacht. Das Ehepaar schlief mit tiefen; Genub, die schwerste Sorge war ja hinausgetragen und hinuntergeschleppt, es knisterte nicht mehr in der Kammer. Da scheuchte ein Lärm die Schlafenden ans. Und weil -er Lärm vom Geschrei vieler Mensche« kam, die ihre rüden Worte wie Steine an die Fenster warfen, kroch Hans trunkenen Kopses aus den Federn, strich die Gar -armc, auf, packte die Art, indes ihn Hani nahm daö schwere Möbel auf Kc Schulter und seine Fra« ging vor. mit der Kerze leuchtend. dine weg, spähte hinaus. Heilige Allmacht, schwere Not, der Müllkutscher hatte die Kommode keiucswcgs in der Frühe mitgenommen, nein, das alte Möbel stand jetzt in der Strafte, mitten aus dem Pflaster des Fahrdamms! Böse Schulbubcu turnten in die Schubladen, bald wälzte man die Kommode ans den Kopf, bald flog sic über die Seiten. Dieser Fuhrmann lies; die Peitschenkordel nm die Holzfüfte knallen, jener Gassenjunge bespuckte die Kirsch- bauntbrettcr, und ringsum viel Gelächter und Tumul;, als ein Hund vom Kohlenwagen sprang, an; armen Möbel das Bein z« heben . . . Hans drückte die Stirn ans Fensterglas, das; sie Küh lung finde. Und Marthe, keines lauten Staunens mächtig, hörte jedes Poltern, jedes Stöhnen — Hilferufe schienen cs, Klagen einer gequälten Kreatur, eines geschundenen Opfers, das dort sein Marthrium erlebte . . . Da schob der Ehemann die Gardine wieder vor. Sprechen wollte er, aber die Zunge stak wie ein Pflock in; Ganmen. Also schluckte sich die Stimme frei. „Wie ist dir zumut', Marthe?" „Warum — fragst — du Hans?" „Bist so bleich, so — ernst." Schon liefen die Tränen, und die beiden Menschen sanken aus Stuhl und Bett, zitternd, als wäre etwas ge storben, was letzter Liebe würdig war oder, was noch grausamer quälte: als hätten sie sich schuldig gemacht mit der Vollstreckung eines Urteils an einem Schuldlosen. „Schnell, öffne das Fensterl Feder sagte es den; andern, mit nassem Blick, mit er stickter Stimme. Und sic öffneten das Fenster, der Morgen blies kühl, ans der Strafte aber stand ein Beamter der Polizei, im gezückten Notizblock alles nufzuschreibcn, was sich ereignet hatte. Die Kommode klagte neben ihm wie ein Kind, das überfahren wurde, klagte scheu nud wankend, als habe sich endlich ein Erbarmen gefunden. Frau Marthes Herz trat Hari gegen die Brust, im Gesicht des Maunes gor das Fieber. „Eigentlich hätten wir die Kommode behalten müssen, Marthclchcn!" Hans wurde zärltich, als könnte er etwas sühnen mit solchem Eiser. Also sprach er noch dies: „Schau, Marthcl chcn, wenn sic auch alt uud mürbe war: das da unten aber hat sie nicht verdient! Es ist mir, als hätten wir ohne Not ein Lamm vor die Wölfe geworfen. Oder als hätten wir ein Kind ausgesetzt, weil es keine Schönheit war. Vielleicht erwartet uns eine Strafe. In der untersten Schublade hat Muttcl immer ihr Wolltuch aufgehoben. Mutter fror ja leicht. Säugst ist sic tot. Und in der Schub lade lagen immer meine Windeln. Muttcl hat sic mir oft gezeigt. Musst nicht weinen, Marthclchcn, ich erzähle ja nur." „Warum erzählst du das alles so spät, Haus?" ,„Mir fällt cs jetzt erst ein, Marthel!" Die schönste Frau der Wett Von HanS Bethge. Zeichnung: Grunwald — M. Der Henker kam, nm ihr das Brand mal auszudrülkcn. blauen Augen schied der Glanz des Himmels eiugesaugen zu sein. Sie wohnte auf der rechten Seite des Arnos. In der Umge bung ihres Pa lastes entstanden viele neue Häu ser, da alles in ihrer Nähe woh nen wollte. Die Fischer, die aus der linken Seite des Flusses hau sten, zogen aus die rechte Seite hinüber, «m ihr nahe zu sein. Die jungen Ade ligen der Stadt wetteiferten voll Ehrgeiz «m ihre Liebe. Sie liebte keinen. Ein Jüng ling ans der Es gab keinen Zweifel, daft sie die Schönste war. Ganz Florenz lag ihr zu Füftcn. Man verehrte sie nicht, man vergötterte sic. Florenz war in; Mittelalter von keiner gefühlsseligen Zeit beherrscht, im Gegenteil, die Sitten jener Zeit waren rauh. Aber hier zerschmolz alle Nauhcit wie Schnee vor der Sonne, der schönen Nosaura Moutalboni gegenüber gab es nur Liebe und Hingebung, und auch der ungeschlif fenste Bursche wurde, wenu er sie sah, vou einem groftcn, strahlenden Gefühl der Liebe durchflutet, so das; er sich selber nicht mehr kannte und selig vor ihr nicdcrsank wie vor einer Göttin. Nosaura bezauberte alle. Zeigte sie sich auf den; Bal kon ihres Palastes, so blieben die Leute in Scharen stehen, nm staunend zu ihr emporzublicken. Schritt sic durch die Strafte», so wogte die Menge wie eine lange Schleppe hinter ihr her. Wo sie einkaufte, da kauften auch die ande ren ein, wenn sic lächelte, war alles beglückt, zeigte sie eine Miene der Trauer, so waren alle, die sic sahen, in schwer mütiger Stimmung. Sic hatte goldblondes Haar. Wenn sie es löste, flu tete cs wie ein goldener Mantel um sie her. Sie ging fast immer in Brokat. Sie war schlank wie eine junge Zh- prcssc, in ihren „Hast die arme Kommode verhungern lasten. Jawohl, solche Gedanken und Erinnerungen hätten sie ernährt, hät ten sie blanker und jünger gehalten. Sic musste ja frieren, sic musste ja kuisteru uud seufzen, weil nnscre Sorgfalt sie nicht mehr erwärmte." „Stille, Marthclchcn, ganz stille. Schau, der Wacht meister dräugt die Leute zurück. Gott, wie sie gasfcu, wie sie kichern! Nun geht er von Hans z» Haus, keiner will etwas wissen ... ." Als cs regnete nach einer halben Stunde, klirrte die Klingel. Durch das Milchglas der Wohuuugstür war der Tschako des Polizcibeamteu zu erkcuueu. Sicher, nun drohte das Verhäuguis, uncutriuubar uud gerecht, Hans öffnete, die Angst pochte im Blm. Und der Beamte, dessen Uniform tropfte, keuchte iu deu Flur: „Herr, die alte Kom mode da unten — „Ich weift es, Herr Wachtmeister!" „Helfen Sic mir, die andern »vollen nicht. Stellen Sie das Ding für einige Tage unter, bis »vir den Besitzer gefunden haben!" Hans ging stumm mit dem Beamten; in der Schlaf- kamnier atmete Fran Marthe tief ans. Und als die Kom mode wieder an ihrem Ort stand, beschmutzt und geschttn- AlS die Kvmmvdc »vicdcr an ihrem Ort stand, strichen vier Hände darüber hin. Zeichnungen l2): Grnnwald — M. den, strichen vier Hände darüber hin wie über das Haar eines verlorenen Kindes . . . Ein andrer Besitzer wurde »licht gesunden. Wohl hatte Hans noch Wochen zn tnn, das wnndc Möbel mit allerlei Werkzeug zu heilen, bis es wieder versöhnt im Lack neuer Würde uud Ehre praugte. Im Frühling »vard dieser Ehe ein Kind. Da nahm die unterste Lade willig ein Wolltuch auf für die nährende Mittler, nnd oben rollte man die Windeln hinein, als wäre dieser Ort der sinnvollste für derlei zarte Nottvendig- keit. Und immer, wenn die Kommode ihr Schlicftfach schloft, geschah dies wie bei einem Antlitz, das den Mund mit verzeihenden» Schweigen in lächelnde Falten legt . .. Familie der Strozzi, der Stolz seiner Eltern, warf sich vcrzweiflungsvoll in den Arno, da er von Nosaura nicht erhört wurde. Den jungen Lorenzo della Spina fand man eines Nachts mit erstarrten Gliedern ihrem Palaste gegenüber tot auf der Strafte — er hatte Gift genommen, da Nosaura den machtvollen Ansturm seiner Gefühle zu- rückwics. Eine Zeitlang schien cs, als ob sic dem jungen Andrea di Credi freundlich gesinnt »var. Er selbst schwelgte schon in Träume»» des Glücks. Da kehrte er eines Tages von einem Nitt nach Settignano nicht zurück. Man fand ihn erstochen in einem Pinienwald. Seine Neider hatten ihn getötet. Es gab Ehemänner, die ihr Hab und Gnt verschwen deten, sie kauften Edelsteine und Perlen oder nahmen auch die Schmucksachen ihrer eigenen Frauen nnd schickten sie Nosanra Montalboni zn in der Hoffnnng, sie auf diese Weise zn gewinnen. Es gab junge Leute, denen das väterliche Erbe nichts bedeutete, »venu cs galt, es für Nosaura fortzuwerscn. Es war alles umsonst. Nosanra erhörte nie»nand. Sie brachte ganz Florenz in Verwir rung. Die Eltern irregcführler Söhne klagten sie vor Ge richt an, daft sic zn schön sei. Das Gericht wies die An klage als unmöglich zurück. Dann aber kam etwas, »vas ihrem Dasein in Florenz ein jähes Ende bereitete. Etwas Fürchterliches. Giovanni, einer der angesehensten Männer ans der berühmte»» Fa milie der Pazzi, »var seit langem Säckelvcrwalter der Stadt. Er genoft das nnbedingic Vertrauen aller Floren tiner. Eines Tages stellte sich heraus, daft er den grössten Teil des städtischen Geldes vernnlrent hatte nm Nosan- ras »Villen. Giovanni erhängte sich, als cs ruchbar wurde. Nuu zögerte das Gericht nicht länger, Nosanra vor die Schranken zn rufen. Man verurteilte sie zu einem ein gebrannten Schandmal ans den Schultern nnd zur Ver bannung aus Florenz. Die Richter hielten krampfhaft die Hände vors Gesicht, als das Urteil verkündet wurde, da mit sic nicht schwankend würden, wenn sie sie anblickteil. Aus dem schöne», weite» Platz vor dem Stadthaus stellte mau Nosaura au de» Prauger. Mai» verhüllte ihr Gesicht mit einer schwarzen Maske, damit das Volk sie nicht befreite, bestochen durch ihre Schönheit. Der Henker kam, um ihr das Brandmal aufzndrückcn. Er rift ihr das Kleid vom Nacken, hob das glühende Eisen — >»nd lieh es schnell wieder sinken, ganz ergriffen von der vollende ten Schvnbest ihrer weiften Schulter. Er neigte sich, nnd statt des glühenden Eisens drückte er einen glühenden Knft ans ihre blumenhafte Hanl. Er »vcigertc sich anch in Znknnft, Nosanra zu brennen. Er musste seine Weige rung mit dem Tode büften. Es fand sich niemand, der gewagt hätte, das Eisen gegen sie zn erheben. Man schaffte sie, immer die schwarze Maske vor dem Antlitz, ans einem Wagen zur Stadt hinaus. Die Fahrt durch die Straften von Florenz glich einem Trinmphzug. Alles winkte ihr seligen Auges zu, die Jünglinge folgte« dem Wage»» in flammender Erregung nnd sangen Liebes lieder. Mai» brachte sic in die Nähe von Siena, »vo sie auf einen» Landgut bei Verwandten Wohnung nahm. Sic durfte nicht nach Florenz zurück. Man hatte Angst vor ihrer Schönheit.
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