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Lichtenstein-Callnberger Tageblatt : 07.08.1892
- Erscheinungsdatum
- 1892-08-07
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1776437853-189208074
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1776437853-18920807
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1776437853-18920807
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLichtenstein-Callnberger Tageblatt
- Jahr1892
- Monat1892-08
- Tag1892-08-07
- Monat1892-08
- Jahr1892
- Titel
- Lichtenstein-Callnberger Tageblatt : 07.08.1892
- Autor
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Der Fremde griff in seine Tasche, nahm ein verschlossenes Kouvert heraus und überreichte dasselbe Klara mit den Worten: „Sie werden Ihrem Herrn Vater einen sehr großen Dienst erweisen, wenn Sie die Güte haben wollen, ihm diese Karte zu über reichen." Klara nahm das Kouvert entgegen und begab sich nach dem Zimmer ihres Vater«. Zufälligerweise hatte dieser seine Thür nicht verschlossen und Klara trat ohne Weiteres ein. In dem Augenblick stand aber auch bereits der Fremde hinter ihr und blieb an der halbgeöffneten Thür, durch welche Klara verschwunden war, erwart ungsvoll stehen. „Ha, ich bin verloren!" hörte er plötzlich den Ausruf Flammbach's. Im Nu stieß er die Thür auf und trat in das Gemach. Beide Männer standen eine Moment laut los einander gegenüber. Da begann der Fremde: „Mein Name ist Alfred Walter, genannt Erich Kaspari, und bin ge kommen, meinen Schwager Heinrich Flammbach an die Stunde zu erinnern, in welcher wir uns das letzte Mal gesehen und gesprochen haben." Kaufmann Flammbach sank stöhnend auf seinen Stuhl zurück. „Was willst Du von mir?" stöhnte endlich Flammbach. „Das sollst Du bald erfahren. Zuerstsage mir, was macht meine Tochter Betty?" Flammbach bedeckte sein Antlitz mit beiden Händen und schwieg. Da trat Kaspari in unverkennbarer Angst auf den gebrochenen Mann zu, rüttelte ihn an der Schulter und rief: „Du antwortest mir nicht? Was hast Du mit meinem Kinde gethan?" „Sie ist fort!" klang es dumpf über die Lippen Flammbach's. „Seit wann hat meine Tochter Dein Haus ver lassen ?" „Seit acht Tagen." „Und Du hast die Zeit über redlich für das Kind gesorgt." „Was ich gethan habe, habeich aus freien Stücken gethan. Hierüber brauche ich Dir keine Rechenschaft abzugeben!" erwiderte Flammbach. „Gut, wir werden ja sehen, wer jetzt von uns beiden der Stärkere ist! Du wirst Dich wohl noch erinnern, was ich Dir bei meinem Scheiden in's Gesicht gesagt habe! Ich wiederhole diese Worte, daß Du ein Verbrecher bist, und ich füge hinzu, daß nun die Beweise in meinen Händen sind, welche Dich vor den Richter führen und Dich Deiner Schuld zeihen werden. Um meines Kindes willen und in Anbetracht, daß ich des geraubten Gutes nun nicht mehr bedarf, will ich Gnade für Recht ergehen lassen und einen Vertrag mit Dir abschließen. Vor allen Dingen schaffst Du mir mein Kind zurück. Ich gebe Dir drei Tage Zeit. Mit Ablauf des dritten Tages bin ich wieder hier. Führst Du mir Betty in die Arme, dann bin ich bereit, mit Dir zu unterhandeln. Ist das nicht der Fall, dann ist mein nächster Weg das Gericht. Auf Wiedersehen in drei Tagen". Mit festem Schritt verließ Erich Kaspari das Gemach. Flammbach starrte ihm einige Sekunden nach und sank dann bewußtlos in den Sessel zurück. Erich Kaspari eilte sofort nach diesem Auftritt auf den Bahnhof und fuhr mit dem nächsten Zug nach Leipzig. Eine innere Stimme sagte ihm, Faß er dort möglicherweise Auskunft über sein Kind er langen könne, und wie wir ja gesehen, hatte ihn diese Stimme nicht betrogen, die Hand der Vor sehung war es, welche ihn den Weg führte. Als der erste Freudenrausch des Wiedersehens vorüber war, da begann nun der glückliche Vater seine Er lebnisse während der fünf Jahre zu erzählen. Als ein armer, fast hoffnungsloser Mann war ich hinüber nach Amerika gekommen. Das Vertrauen, in der neuen Welt mehr Glück zu haben, als er bisher, hatte ihn durchaus nicht beseelt. Doch das Glück, das ihm in Europa stets den Rücken gekehrt, wendete sich ihm drüben ohne große Mühe mit seiner ganzen Huld zu. Kurz, Erich Kaspari war als ein reicher, sehr reicher Mann zurückgekehrt. Betty erzählte hierauf das Aufsinden des Testa ments, sowie auch die Vernichtung desselben. Kaspari war leichenblaß geworden und blickte lange schweigend vor sich nieder, als Betty geendet hatte und schüttelte zuweilen mit dem Kopfe. „Vergieb, Väterchen, sieh', was hätten wir davon, jetzt einen Mann ins Verderben zu stürzen, welcher der Vater meines geliebten Paul ist!" „Ja, um Ihretwillen, Paul, will ich vergeben, was Ihr Vater nicht nur an mir, sondern auch an meinem guten Weibe gesündigt hat! Es sei denn, ich vergebe ihm seine Schuld unter der Bedingung, daß er sich mit Ihnen versöhnt!" „O, das werde ich schon besorgen!" rief Betty mit leuchtenden Augen, „ich weiß, daß Herr Flamm bach schon längst — längst nach Paul sich gedehnt hat und daß er auch die letzten Jahre sein Vergehen tief bereut hat. O, mein Gott, ich bin so glücklich und ich sehe bereits im Geiste uns alle friedlich vereint daheim in Deinem Vaterhause, mein lieber Paul!" „Gott gebe es, Betty!" flüsterte dieser und zog die Geliebte an sein Herz. Nun berichtete Erich Kaspari seinen Auftritt in Chemnitz mit Paul's Vater. Dadurch wurde Betty von einer solchen Unruhe ergriffen, daß sie nicht eher mit Bitten und Flehen nachlteß, bis die beiden Männer, Kaspari und Flamm bach, endlich einwilligten, bereits morgen zusammen nach Chemnitz zu fahren und das Versöhnuugswerk zu beginnen, und auch auszuführen. Am anderen Tage reiste Kaspari mit Paul und Betty nach Chemnitz. Es war ja der dritte Tag, an welchem Kaspari sein Wiedererscheinen bei feinem Schwager Kaufmann Flammbach angefetzt hatte. Gehen wir ihnen auch diesmal voran und fchauen, was sich dort im Hause Flammbach ereignet hatte. Wir missen, daß Klara das Gespräch Kaspari's mit ihrem Vater belauscht hatte. Sie wußte nun wohl, daß es ihrem Vater nicht möglich sein würde, Betty herbei zu schaffen, erkannte aber auch aus dem energischen Auftreten Kaspari's, daß dieser ebenfalls mit seiner Drohung Ernst machen würde. Was schon längst vorbereitet war, mußte nun schleunigst ausgeführt werden. Sie eilte deshalb auch bald hinab zu Weidenbach und blieb daselbst längere Zeit. Die ganze Nacht hindurch hörte Grete Geräusch in dem Schlafgemach ihrer Herrin. Am andern Morgen, als sie in das Zimmer Klara's trat, teilte ihr diese mit, daß sie gegen Abend auf einige Tage zu verreisen gedenke, und daß sie ihr, nämlich der Dienerin, drei Tage Urlaub er teilen wolle. Grete, welche die Eigenschaft aller Kammermäd chen besaß, war schon längst hinter die Schliche und Geheimnisse ihrer Herrin gekommen. Sie wußte genau, was es mit dieser Reise zu bedeuten hatte. „Gnädiges Fräulein," begann sie, „ehe Sie ver reisen, möchte ich Sie doch noch an ein Versprechen erinnern, welches Sie mir gegeben haben." „Und welches wäre das ?" fragte erstaunt Klara. „Sie versprachen, mich für meine Verschwiegen heit zu belohnen; ich habe bis jetzt, wie Sie ja selbst wissen, noch kein Wort von Ihren geheimen Zusammenkünften mit Herrn Weidenbach verraten, aber Sie haben nicht Wort gehalten, so daß ich nun um das Versprochene bitte." „Du bist unverschämt, Du konntest doch warten, bis ich wieder zurückkomme!" Ein verschmitztes Lächeln war die Antwort des Kammermädchens. Klara ging zu ihrem Sekretär und überreichte dann dem Mädchen einige Goldstücke. Doch dieses schüttelte mit dem Kopfe und er widerte: „Gnädiges Fräulein, glauben Sie damit meine Verschwiegenheit bezahlt zu haben?" „Wie — das ist nicht genug?" „Für das Wächteramt, das ich ausgeübt habe, wäre es vielleicht genug; aber ich weiß noch etwas anderes, ich sah eine weiße Gestalt in einer Nacht nach dem Schlafkämmerchen Fräulein Bettys gehen, ich sah, wie die weiße Gestalt eine Flüssigkeit — „Grete!" schrie Klara und rang nach Fassung. „Ich will ja schweigen, gnädigesFräuleinaber —" „Was verlangst Du — fordere:" stöhnte Klara. „Ich will nicht fordern, gnädiges Fräulein, Sie werden wohl selbst wissen, wie viel mein Schweigen wert ist!" „O, Du schwörst mir, daß Du kein Wort von dem sagst, was Du gehört hast!" „Ich will verschwiegen sein, wie das Grab!" „Schwöre, schwöre es bei Deinem Seelenheil!" Mit den Worten warf Klara dem Mädchen die gefüllte Börse Hile. „Ick schwöre!" erwiderte Grete. Kraftlos sank Klara auf den Sessel zurück, während G ete die Börse zu sich steckte und das Zim mer verließ. Es waren entsetzliche Stunden, welche Klara verlebte. Ihr Vater ließ sich nicht sehen, er blieb verschlossen in seinem Zimmer. Die Angst, daß Grete ihr Geheimnis entdecken könnte, quälte sie fürchterlich. Endlich, endlich war der Tag vorüber, endlich die Nacht hereingebrochen. Bald darauf erschien Weidenbach im Zimmer. Klara warf sich ihm in größter Aufregung an die Brust und rief: „Eile, eile, Weidenbach, daß wir aus diesem Hause kommen!" „Ist alles bereit!" „Ja, ja, hier in dem Koffer befindet sich, was wir bedürfen!" „Und was hast Du zu Grete gesagt?" „Alles besorgt — alles besorgt, komm, komm, mir brennt der Boden unter den Füßen, fort, fort!" „Und der Brief an Deinem Vater?" „Ist schon besorgt, dort liegt er". „Nun, so komm!" Klara ergriff den Arm ihres Geliebten, dieser nahm den Koffer und beide schlichen aus dem Hause, stiegen in die vor der Thür haltende Droschke und fuhren nach dem Bahnhof. Grete hatte das Haus noch nicht verlassen, wie Klara vermeinte. Sie war die Einzige, welche die beiden Personen scheiden sah. „Was soll ich thun?" murmelte sie. „Ob ich's ; dem Herrn mitteile? — Ach was, dazu ist morgen auch noch Zeit! Mir ist's recht, mag kommen, was r da will, ich gehe morgen auch meiner Wege!" Dieser Morgen war gekommen. e Grete stand ebenfalls schon länger als eine i L-tunde reisefertig in ihrem Zimmer. - Es schien, als ob das Mädchen einen inneren i Kampf zu kämpfen hattte. k Sie konnte durchaus zu kejnem festen Entschlusse gelangen. > Da, e« war bereits Mittag geworden, erschien , ein Kommis aus dem Geschäft und verlangte den i Herrn Prinzipal zu sprechen. Grete wies ihn nach dem Zimmer Flammbachs. > Erst auf mehrmaliges Klopfen wurde demKom- t mis geöffnet. i „Was bringen Sie mir?" fragte Flammbach den l über das Aussehen seines Prinzipals heftig erschrockenen , Jüngling. s „Herr Mammbach, Herr Kassierer Weidenbach > ist bis jetzt noch nicht im Komptor erschienen". „Und weiter haben Sie nichts zu melden? So gehen Sie hin nach der Wohnung, vielleicht ist er krank geworden!" Mit den Worten kehrte ihm Flammbach den Rücken. Der junge Herr eilte von dannen. „Ist der Herr zu sprechen?" fragte Grete schüchtern, die ihm entgegentrat. „Ich habe ihn gesprochen !" war die Antwort des Kommis, während er immer weiter eilte. Grete atmete auf und schritt nach dem Zimmer des Kaufherrn. Die Thür war noch nicht geschlossen. Zögernd und bebend trat sie ein. Flammbach schritt im Zimmer auf und ab, sein Antlitz war bleich wie der Tod. Endlich faßte sich das Mädchen ein Herz und begann: „Herr Flammbach, ich habe Ihnen etwas mit zuteilen". Der Mann erschrak. „Was willst Du?" fuhr er sie an. „Herr Flammbach, das gnädige Fräulein ist verreist!" „Was, Klara — verreist?" „Es liegt ein Brief an Sie in ihrem Zimmer". Der Mann stieß das Mädchen auf die Seite und eilte nach dem Gemach seiner Tochter. Er ergriff den Brief, öffnete ihn und las mit bebenden Lippen: „Es ist keine Rettung mehr mög lich, Du mußt Deinen Feinden unterliegen! Ich habe aber nicht Lust, die Schmach und Schande mit Dir zu teilen, ebensowenig macht es mir Vergnügen, den Triumph der Schauspielersippschaft zu erleben, des halb greife ich dem Schicksal vor und eigne mir zu, was mir von Rechtswegen als Deiner einzigen Erbin zukvmmt! Wenn Du diese Zeilen liest, bin ich bereits mit Weidenbach auf hoher See! Lebewohl! Klara". Da stand er nun, der unglückselige Mann. Das edle Kind hatte er verstoßen und dafür eine Schlange an seinem Busen genährt. „Gott, Du bist gerecht!" stammelte er und wankte zurück nach seinem Zimmer. Bald darauf erschienen zwei Beamte aus dem Komptoir und meldeten, daß Herr Weidenbach auch in seiner Wohnung nicht zu finden sei. Gleichzeitig waren auch Wechsel eingegangen, welche bezahlt werden mußten und der Buchhalter erbat sich den Schlüssel zur Kasse. Ohne ein Wort zu sagen, warf Flammbach dem Buchhalter den Schlüssel entgegen. Als sich die beiden jungen Männer entfernt hatten, blieb er mitten im Zimmer stehen und lauschte mit gespannter Erwartung. Es dauerte auch nicht lange, so kam der Buch halter zurück und stammelte mit schreckensbleichem Antlitz: „Die Kasse ist leer, Herr Prinzipal!" „Haha, ich wußte es!" rief Flammbach. „Was sind für Betrüge eingegangen die Tage?" fragte er dann mit heiserer Stimme. „So viel ich weiß, sind zwei große Zahlungen eingegangen, unter andern auch von dem Hause R. u. Co. in Hamburg". „Hah!" stöhnte Flammbach und Preßte seine Hand an die glühende Stirn, „es ist gut, gehen Sie, ich komme selbst hinab!" stammelte er. „Jetzt war er allein. „Ich bin verloren, mein Kind hat mich zum Bettler gemacht! — Bestohlen, so wie ich auch die arme Marie bestohlen habe! Alfred wird mich dem Gericht überweisen! — Verbrecher — Bankrotteur!" „Nein, noch giebts einen Weg, um diesem allem zu entgehen!" — Mit wankenden Knieen schritt der Kaufherr zu seinem Sekretär, öffnete denselben und ergriff ein schwarzes Kästchen. Wie zitterten seine Hände, als er dasselbe auf schloß. Mit verzerrtem Antlitz, das die Höllenqualen kennzeichnete, welche der Mann litt, schaute er hinab in das geöffnete Kästchen. „Mut, Flammbach, Mut!" rief er plötzlich. Ein rascher Griff und seine Hände hielten die Mordwaffe, welche in dem Kästchen verborgen war. (Schluß folgt.) Redaktion, Druck und Verlag von Carl Matthes in Lichtenstein (Markt 179).
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