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Lichtenstein-Callnberger Tageblatt : 02.12.1892
- Erscheinungsdatum
- 1892-12-02
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1776437853-189212027
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1776437853-18921202
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1776437853-18921202
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLichtenstein-Callnberger Tageblatt
- Jahr1892
- Monat1892-12
- Tag1892-12-02
- Monat1892-12
- Jahr1892
- Titel
- Lichtenstein-Callnberger Tageblatt : 02.12.1892
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«och ein Kreis von Gästen, als die Ladenglocke er tönt und ein anscheinend gut gekleideter Mann ein tritt. Man hält ihn vom Nebenzimmer aus für einen neuen Gast und erwartet, daß er näher tritt. Statt dessen ergreift er hastig eine Torte und sucht damit das Weite zu gewinnen. Der Wirt und ein paar Gäste stürzten sofort nach. Halt auf! ertönt es durch die nächtliche Stille, aber niemand wußte, in welcher Richtung der Spitzbube im Dunkel der Nacht sich eigentlich entfernt hatte. Kein Geräusch von Tritten war zu vernehmen, so daß der raffinierte Dieb sogar in Voraussicht dieses Umstandes sich mit Tuch- oder Filzschuhen bekleidet haben mußte. Man war eine Zeit lang nachher geneigt, den Zwischenfall für einen schlechten Witz zu halten. Die nachträglich aber aufgefundene Spur der zwischen den Händen des Diebes zerlaufenen halbflüssigen Tortenspeise hat gelehrt, daß es auf einen Diebstahl abgesehen war und daß der feinschmeckerische Spitz bube durch ein paar nahe gelegene Straßen ins Freie hinaus entwischt war. 8 Berlin, 30. Nov. Prozeß Ahlwardt. In der heutigen Sitzung erklärte der Angeklagte, in der Kommandantenstraße bestehe ein Löwe-Komitee, das den Zweck haben soll, diejenigen Personen aus Berlin hinauszubringen, die von der Angelegenheit Kenntnis hätten, damit sie hier nichts aussagen könnten. Das Komitee habe seinen Sitz in der Buchhandlung von Groningen, deren Inhaber Nayser und Groningen seien. Diese Herren mußten unter ihrem Eide den Aufenthalt des Zeugen Kutscher Krehain's angeben. Der Gerichtshof beschloß, von Groningen und einen in der Reinicker Dorfstraße wohnenden Arbeiter Spangenberg zu laden, der, wie der Angeklagte behauptet, über das Komitee aussagen könnte. Der Angeklagte führte dann in längerer Auseinandersetzung aus, wie er zu der Abfassung der Broschüre gekommen sei. Er geht dann über zu schildern, welchen Anfeindungen und Verfolgungen er ausgesetzt gewesen sei. Dem Bürgermeister Weber seien von einem Komitee, an dessen Spitze Bleich- röder und der Apotheker Köhn ständen, 70,000 M. angeboten wurden, um die Broschüre zu unterdrücken. Die Büchsenmacher Röhner, Klette und Holz sagen gleichlautend aus. Jeder von ihnen habe sich mit Erlaubnis des Meisters Buri aus der Löwe'schen Fabrik aus den Ausschußteilen ein Gewehr ange fertigt. Der Direktor Isidor Löwe bekundet, daß er von der Mitnahme der drei Gewehre durchaus keine Kenntnis gehabt habe. Major Harnig giebt Auskunft über die Anfertigung der Gewehre. Das Urteil dieses Zeugen entspricht dem Gutachten des sächsischen Kriegsministeriums, welches verlesen wird und die Gewehre als durchaus kriegstüchtig und denen aus der Königl. Fabrik gleichwertig hinstellt. 8 Wie des Lebens Herrlichkeit im Wechsel des Schicksals verblaßt, zeigte ein früherer Berliner Reserveoffizier, der am Sonnabend in Sträfltngs- kleidung dem Untersuchungsrichter in Moabit vorge führt wurde. Er ist in seinem Aeußeren so herab- gekommen, daß er nicht mehr in eigener Kleidung vorgeführt werden konnte, und deshalb, wie gesagt, zur Vorführung Gefangenenkleidung anlegen mußte. Seine Verhaftung ist wegen Diebstahls erfolgt. ß Hamburg, 29. Nov. Das hiesige Schiff „Colmar", welches von Itzehoe mit Zucker nach Dün kirchen unterwegs war, ist auf Borkum gescheitert. Der Kapitän und 5 Mann von der Besatzung sind gerettet. Der Rest wird vermißt. Z C u x h a v e n, 30. Nov. Ein großer Dampfer mit englischer Flagge ist gestern nachmittag an der Elbemündung untergegangen. Ueber den Verbleib der Mannschaft ist nichts bekannt. Avelings Schuld. Roman von Marten Martens. Nachdruck verboten. (Fortsetzung.) Der alte Mann kicherte. „Etwas!" meinte er, wie er in den Wagen stieg, „wir geben auch noch gar nichtS auf. Nur eine dumme Knabenphantasie. Fahr zu, Joost! Zur Stadt!" Sehr gesprächig waren sie unterwegs nicht. Der Barsn fing gelegentlich von landwirtschaftlichen Dingen an, ohne jedoch seinen Begleiter zum Mitreden bewegen zu können. Der Dorfdoktor in seinem Glg begegnete ihnen. Er nahm den Hut ab und schüttelte vorwurfslos den Kopf. „Alter Esel!" meinte der Baron. Als sie in die Stadt kamen, wies der Baron seinen Neffen an, hierhin und dorthin zu lenken, bis sie endlich vor dem hohen Portal eines großen, düsteren Gebäudes mit vergitterten Fenstern anhielten. Joost blickte in die Höhe. „Du weißt, wo wir sind," meinte der Baron. „Ja," sagte Joost. „Gut, so komm' mit." Sie stiegen aus. Ein Pförtner mit ingrimmigen Zügeln riegelte die schwere Thür auf. Er schien den Baron zu kennen und führte sie in ein Wartezimmer. Joost sah sich in stummen Staunen um. Wollte ihn fein Onkel hier abliefern ? Thörheit! Der Gedanke war zu dumm. Aehnlich sah die Sache dem Alten freilich; indeß nach Allem war Joost kein Kind, und er kannte die Gesetze des Landes. Der alte Herr nahm Ueberzieher und Shawl ab. Joost merkte mit 8 Geestemünde, 28. Nov. Ein kolossaler Haifisch wurde hier heute durch den Fischdampfer „Nymphe" von der Firma Wieting, Bremerhaven, eingebracht. Das Tier war dem Dampfer auf seinem Fange ins Netz gegangen. Das Exemplar, das in solcher Größe sehr selten gefangen wird, mißt reich lich drei Meter und hat ein Gewicht von nahezu neun Zentnern. Das Tier wurde von einer hiesigen Firma, die solche Meeresungetüme im Binnenlande zur Schau stellt, angekauft. 8 Koblenz, 28. Nov. Im Dorfe Brey bei Koblenz erwürgte eine irrsinnige Frau das Kind ihrer Schwester und stürzte sich dann zum Fenster hinaus. 8 Köln a. Rh., 30. Nov. Die „Köln. Ztg." meldet aus Petersburg, es solle nunmehr jedem aus ländischen Blatte, das binnen Jahresfrist 200 oder mehr russische Schwärzungen erfährt, der Postdcbit für Rußland entzogen werden. Deshalb wurden für 1893 verboten die „Kreuzztg.", die „Berl. Neuesten Nachr.", der „Hamb. Korresp.", die „Franks. Ztg." und die „Neue Freie Presse". ** Unter den zur Deckung des voraussichtlich eintretenden Einnahme-Ausfalls in den russischen Finanzen beabsichtigten Maßnahmen befindet sich eine einmalige Wehr st euer, welche in der Höhe von 3 Rubel unter Zulassung bestimmter Ausnahmen von allen Personen erhoben werden soll, die von dem ak tiven Heeresdienst befreit sind. Der jährliche Ertrag der Steuer wird auf anderthalb Millionen Rubel veranschlagt. ** Verschiedene Blätter schreiben, Carnot hätte beschlossen, vor der Konstituierung des neuen Kabi netts eine Botschaft an das Parlament zu richten, in welcher die Nation über die Folgen der Panamafrage in parlamentarischer Hinsicht beruhigt und gleichzeitig erklärt wird, die Schuldigen würden, wenn sie auch noch so hochstehend seien, ihrer Strafe nicht ent gehen, doch dürfe man den Ernst der Panamafrage nicht übertreiben; das könnte zu Agitationen, welche 1889 die Republik bedrohten, ermutigen. Die Parla mentarische Korruption habe und werde in Frankreich nie existieren können. "Brüssel, 29. Nov. Der „Courrier de Bruxelles" veröffentlicht Nachrichten betreffend der Avtuklaverei-Expedition, welche etwa am 10. Sep tember von dem Araber Raschid nach den Stanley- Fällen überbracht wurden. Hiernach wären Kapitän Jacques und seine Begleiter von den Arabern nieder gemetzelt worden. Kapitän Bia, welcher auf einer Forschungsreise nach Katanga begriffen gewesen fei, hätte mit seinen Gefährten dasselbe Schicksal erlitten. Die aufständischen Araber besäßen 17,000 Gewehre. Die Richtigkeit der Nachrichten wird hier stark ange zweifelt. " Rom, 29. Nov. In Mailand wurden vor einer aus hohen Militärs bestehenden Kommission Versuche mit einem neuerfundenen Belociped gemacht, mit welchem ein Teil der Infanterie für Rekognos- zierungszwecke ausgerüstet werden soll; das Veloci- ped ist zerlegbar und wird von den Soldaten selbst getragen. Der Erfinder ist ein Offizier namens Pinto. — Die Beerdigung des Marineministers San Bon bot ein prächtiges Schauspiel, ganz Rom war auf den Beinen, die Garnison bildete Spalier, am Trauer zuge nahmen zahlreiche eigens nach Rom berufene Marinetruppen teil. " Wien, 30. Nov. Ein angeblich aus Sachsen heimgekehrter czechsischer Arbeiter wurde in dem Grenz orte Gradwitz wegen versuchter Einschmuggelung von 70 Dynamitpatronen verhaftet. ** Türkei. Die Mitschuldigen der von Atha nasios geführten macedonischen Räuberbande haben den Gutsbesitzer Chaireddin Bay entführt, eine tür. erneutem Staunen, daß er sich ordentlich herausge. putzt hatte, einen reinen Hemdkragen trug und den neuesten seiner altmodischen Röcke angezogen hatte. Der abenteuerliche Instinkt, der in allen schläft, er wachte in Joost's Brust. Der Besuch fing an, ihm interessant zu werden. Ein sehr freundlicher Herr trat zu ihnen ein und begrüßte den Baron. Kommen Sie auch wieder einmal zu uns? Ließen sich lange nicht sehen, aber treffen uns noch immer wohl und munter an. Es gehtuns eigentlich hier allen nicht schlecht. Alles in allem genommen möchte ich fast sagen, es giebt im ganzen Königreich keine glücklichere Gemeinschaft als unsere Anstalt mit ihren vierzehnhundert Seelen". So schwatzte er weiter, bis eine saubere Frau in dunklem Kleid auf der Thürschwelle erschien. Er übergab den Baron die Führung dieser Person und begleitete sodann die beiden Herren hinaus. Joost passierte nun einen dunklen, langen Flur gang mit Thüren auf beiden Seiten. Aus allen Ecken hörte er seltsame Geräusche, dumpfe Püffe, garstiges Lachen und gelegentlich einen unterdrückten Aufschrei. Diese Töne hatten so unnatürliches, daß er ein paar mal zusammenschauerte. Auf der Treppe begegneten ihnen zwei Männer mit blöden, stieren Gesichtern in einer Art Gefängnistracht. Einer von ihnen lachte leicht auf. Endlich schloß die Führerin die siebente oder achte Thür, die sie passierten, auf und führte die Gäste in einen kleinen Vorraum. Dann hob sie einen grünen Vorhang hoch und meldete mit lauter und scharfer Stimme an: „Die Frau Gräfin empfängt". kische Militärabteilung, welche die Räuber verfolgte, tötete drei derselben, während die übrigen mit dem Gefangenen entkamen. "Amerika. In Montreal wur de eine von SOM Personen besuchte Versammlung zur Besprech ung der Zukunft Canadas abgehalten. Verschiedene Redner schlugen die Erklärung der Unabhängigkeit Cmadas vor, andere befürworteten die politische Bereinigung mit den Vereinigten Staaten oder engeren Anschluß an das Reich. Schließlich wurden der Versammlung vier Vorschläge unterbreitet. Die Abstimmung ergab 1614 Stimmen für die Unab hängigkeitserklärung, 992 für die Einverleibung Canadas in die Vereinigten Staaten, 364 für die Aufrechterhaltung des Status quo, 27 für engeren Anschluß an England. Deutscher Reichstag. Sitzung vom 30. Novbr. Präsident v. Levetzow macht Mitteilung von dem Empfang des Präsidiums durch den Kaiser und die Kaiserin. Auf der Tagesordnung: Erste Beratung des Reichrhaushaltsetats für 1893/94 in Verbindung mit dem Anleihegesetz und dem Kolonialetat. Schatzsekretär v. Maltzahn-Gültz: Das Etatsjahr 1891/92 ergab einen Ueberschuß von vier Millionen, der in den neuen Etat mit eingestellt ist. Es ist dies ein besseres Ergebnis, als vor einem Jahr gehofft werden konnte. Den Einzelstaaten konnten 52 Millionen mehr überwiesen werden. Das Jahr 1892/93 dürfte mit einem Fehlbeträge von sechs Millionen abschließen. Die Mehrausgaben sind auf 16^/z Millionen, die Mehreinnahmen auf 10^/g Mil lionen zu schätzen. Von den Mehrausgaben ent fallen 15?/s Millionen auf die Verwaltung des Reichsheeres, eine Folge insbesondere der gesteigerten Preise für Getreide rc. Die Ueberweisungen an die Bundesstaaten dürften sich 1?/s Millionen höher be laufen. Von den Zöllen und der Tabaksteuer ist auf eine Mehrüberweisung von 11 Millionen, von der Branntweinsteuer eine Minderüberweisung von 3^/z Millionen, von den Stempelabgaben eine Minder- Überweisung von 6 Millionen zu rechnen. Diese Berechnung sei indeß sehr unsicher, da man die Ge staltung der Zölle in diesem Winterhalbjahre noch nicht übersehen könne. Der neue Etat nehme eine Er höhung der Matrikularbeiträge um 35 Millionen in Aussicht, während die Ueberweisungen an die Bundes staaten um 1^/s Millionen niedriger veranschlagt sind. Die Bundesstaaten werden also um 36—37 Millionen schlechter gestellt als in dem laufenden Etat. Bei dieser Sachlage war die größte Sparsam leit dringend geboten, insbesondere mußte auf eins systematische Weiterführung der Erhöhungen der Be amtenbesoldungen verzichtet werden. Unmöglich ist cs auch, die Erhöhung der fortdauernden Ausgaben infolge des Gesetzes über die Friedenspräsenzstärke auf die Matrikularbeiträge zu übernehmen; es ist deshalb auf eine Erhöhung von Reichssteuern Bedacht genommen worden. Die bezüglichen Vorlagen sind dem Bundesräte zugegangen: Erhöhung der Brau steuer, Verdoppelung des Stempels für Börsen geschäfte und Erhöhung der Branntweinsteuer. Er bitte, den Etat und die übrigen finanziellen Vorlagen eine eingehende und wohlwollende Prüfung zu teil werden zu lassen. Abg. Fritzen (Zentr.): Die allgemeine wirt schaftliche Lage ergiebt ein trübes Bild, der Export leidet unter rigorosen Zollbestimmungen und unter ungünstigen Währungsverhältniffen. Noch schlimmer ergeht es dem Kleingewerbe. Die Schritte zur Heb ung des Handwerks dürften nicht lange aufgeschöben werden. Erfreulich ist, daß der Bundesrat dem Ge- Joost folgte seinem Onkel und befand sich in einem geräumigen, freundlichen Gemach, vor dessen Fenster — jetzt schneebedeckt — die großen Zweige eines BaumeS sich ausbreiteten, die dem Zimmer einigermaßen Licht und Aussicht benahmen. Unan genehm berührte auch der Anblick der schweren Gitter stangen davor. Sonst war der Raum aber recht freundlich, mit bunten Sesseln und Vorhängen und mit Vogelkäfigen aller Größen mehr als nötig aus gestattet. In der Mitte der Stube stand eine kleine alte Dame mit einer steifen gelben Locke an jeder Seite des Gesichts in rotem, ausgeschnittenem Atlaskleid. Sie knixte tief. Joost merkte, daß, während die beiden Locken goldgelb waren, das Haar unter dem Aufsatze von schwarzer Spitze silberweiß war. „Ich freue mich, Sie zu sehen, Herr Baron", hob sie lächelnd an. „Sie haben mich lange nicht mehr mit einem Besuche beehrt. Ich war schon ganz auf Sie böse". Die Augen des alten Herrn schienen mehr als je zu glotzen. Sein Gesicht war purpurrot, seine buschigen Braunen zuckten nervös. „Es freut mich, daß Frau von Montelimart meiner gedacht", sagte er. Die Dame schüttelte die Hand. „Verzeihung" sagte sie, „aber ich bitte: Gräfin von Montelimart. Ich glaube hier auf meinen Titel halten zu müssen. Aber wollen Sie sich nicht setzen, Baron" ? (Fortsetzung folgt.)
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