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Lichtenstein-Callnberger Tageblatt : 22.12.1918
- Erscheinungsdatum
- 1918-12-22
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1776437853-191812226
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1776437853-19181222
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1776437853-19181222
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLichtenstein-Callnberger Tageblatt
- Jahr1918
- Monat1918-12
- Tag1918-12-22
- Monat1918-12
- Jahr1918
- Titel
- Lichtenstein-Callnberger Tageblatt : 22.12.1918
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Nr. 297. Sonntag, den 22. Dezember 1918. „Meine" Kirche. Bon P. M. G. End c. Im folgenden soll nicht davon die Rede sein, wie jeder gemütvolle Mensch sich einen Platz zu stiller Andacht zn schaffen pflegt, den er „seine" Kirche nennt: Der eine einen stillen Winkel im Wald, der andere eine Bank in den An lagen oder auf dem Friedhof ein einsames Grad, der dritte ein Lieblingsbuch. Sondern von der richtigen Turmkirche laßt uns reden, von, Kirchcngebäude inmitten der Stadt, das jetzt bastelst den einen ein Aergernis, den andern eine Tor heit. Und doch, wenn sie auch pur wenigen alles, vielen immerhin etwas ist, sollte sie jcd e m so viel sein können, daß er gerne von ihr sagt: „meine" Kirche. Wir hören von den leeren Kirchen reden und denken an die Sonntage unmittelbar, vor oder nach den großen Festtagen, wo nicht mehr Leute da sind, als in ein Schul- zimmer gehen. Da wäre es wirklich angebracht, den Gottes dienst in einem großen Zimmer zu halten, statt den ganzen Kirchenappnrat mit Orgel, Chor, Heizung in Bewegung zn setzen. Ungerecht freilich ist es, so zu tun, als wären die Kirchen immer so leer. Wer zur Mette, Chnstvesper, zu Ostern, am Gründonnerstag, am Totenfest in der Kirche war, der weiß, daß es auch überfüllte Gottesdienste gibt. Mau muß sich eigentlich wundern, daß es in der Zeit der massen haften Unterhaltungen und Ablenkungen, der Kinos, Bor träge und Bersammlungc» noch so viel Leute in die Kirche zieht. Der Schreiber dieser Zeilen besitzt ein Bild aus dem Jahre 1807, das den Kirchenbesuch damaliger Zeit schildert: ausgezählt neun Leute sieht man da um den Prediger ver sammelt, von denen noch zwei schlafen, zwei sich unterhalten und einer höchst gelangweilt drein schaut. Und das in einer Zeit, wo noch nicht wie heute hunderterlei Abhaltung den Gottesdiensten Konkurrenz machte. Wahrscheinlich würden heute die kirchlichen Veranstaltungen noch vielmehr Zulaus finden, wenn sie mit allen Künsten der Reklame von sich reden machten (wie es üdrigcns in Amerika nnd England geschieht), statt sich bescheiden in einem Winkel des Blattes unter „Kirchennachnchtcu" anznkündigen. Aber schade ist es, daß die Kirche, der schönste nnd meist auch größte Festsaal der Stadt, so wenig ausgenützt wird! Es gibt kaum ein Bild, das sich an Schönheit und Glanz mit dem unsrer erleuchteten Kirche vergleichen läßt: der Al- tarplatz im Schmuck der feldgrauen Bekleidungen mit ihren leuchtenden Ornamenten, Schwert, Rose und Krone, dazu der festliche Teppich, auf dem Altar die blinkenden Kelche und Kannen, der Wändeschmuck in satten Farben ansge malt, und alles erstrahlend im vollen Lichte des edelgeformten Kronleuchters — wen das nicht ganz allein schon freudig stimmt, der hat für Schönheit kein Gefühl und ist zn be dauern. Und nun, wie wenig machen wir von der freudig stim menden Kraft des schönen Raumes Gebrauch! Cs war die Rede von zahllosen Bortrügen und Versammlungen, die der Kirche Konkurrenz machen. Warum verlegen wir denn nicht selbst Bortrüge und Bersammlnngen, die sich dazu eignen, in die Kirche? Und es gibt welche, die sich dazu eignen. Wa rum sollen Fragen der Erziehung und des Religionsunter richts, der Geschichtsbetrachtung und der Kunst, aber auch solche der Hygiene, der Tuberkolose- und Säuglingsfürsorge, kurz Angelegenheiten der allgemeinen Menschenliebe nicht in der Kirche besprochen werden? Ist das eine Entweihung? „Hier ist nichts anderes denn Gottes Haus" — ja, sind denn das keine Angelegenheiten göttlichen Auftrags? „Mein Haus ist ein Bethaus" - ja, wird es denn durch solche Verhandlungen zur Mördergrube gemacht? Der Protestant kennt kein geweihtes Heiligtum. Ueberall weht Gottes Hauch, ganz gewiß aber da, wo man fleißig ist, dem Gebot der Liebe zu dienen. An Beispielen fehlt es nicht. Wollen be gnadete Jünger der Musik etwas besonders Edles bieten, so veranstalten sie ein „Kirchenkonzert." Und sie tun recht da ran. Es wäre schade um unser herrliches Orgelinstrument, dürfte es seine ganze Kraft nnr bei ein paar Kirchenmusiken an den großen Festen entfalten. Sängerscharen, herbei! Weckt die schlafenden Orgeln auf! Jeden Monat eine schöne musikalische Vesper! Aber auch für „weltliche" Versamm lungen und Vorträge fehlt es nicht an Beispielen. Denkt an unsere Luthervortrüge vorm Jahr, uw der Pro fessor, der Kantor, der Oberlehrer im schwarzen Rock am Pulte stand und sprach vor dicht gefüllten, Hause — kein Mensch empfand cs als Entweihung! Die erste deutsche N a t i o n a l v e r s a m mlung zu Frankfurt tagte in der Paulskirche; sie wurde allerdings damals schon nicht mehr zu Gottesdiensten benutzt. Aber der große internationale S o z i a l i st c n k o n g r e ß zu Basel, ein halbes Jahr vor dem Kriege, ward mit einer Riesenversammlung im Münster, also im Dom, eröffnet, wobei die großen Sozialistenfüyrer Iaures, Keir Hardie und Viktor Adler das Wort ergriffen. In Chemnitz aber werden demnächst auf Veranlassung des Arbeiter- und S o l d a t e n r a t e s die Kirchen zu großen „weltlichen" Begrüßungsfeiern für die heimkchrenden Krieger zur Verfügung gestellt! Könnten nur in Lichtenstein die heimkehrenden Soldaten festlicher empfangen, als wenn in der mit T a n n engr ü n n nd Fa h n e n ges ch m ü ck - t e n K i r ch e Stadtrat nnd Arbeiterrat, Pfarrer, Dichter nnd Sänger sic feierlich begrüßten? Das gäbe einen Festklnng, der in den Gemütern der Hcimgekehrten nicht so bald ver gessen würde! „Meine" Kirche — unter der Ueberschrift sollte aber von ganz persönlichen Beziehungen geredet werden, die sich jeder zu „seiner" Kirche schaffen kann. Eine edle Frau machte dem Schreiber dieser Zeilen kürzlich darauf aufmerksam, ivie in der katholischen Kirche der Einzelne in enge Beziehung mit seiner Kirche dadurch tritt, daß ihm Gelegenheit geboten ist, durch Gaben oder S ch m ü ck n n g vor den Hnligcn- fignren und den verschiedenen Altären lind Kapellchen seine persönliche Dankbarkeit und Berehrnng zu bezeugen. Wir kennen keinen Heiligcndienst. Aber das Bedürfnis, „seiner" Kirche sich persönlich dankbar zu zeigen, lebt auch im from men Protestanten. Er stiftet ein Fenster, einen Kclch, ein Stück Altarbckleidung, eine neue Glocke, Kinder sammeln, uni ein Andenken an ihre Kvnfirmandenzeit zu hinterlassen. Aber das alles kostet Geld, meist sogar ziemlich viel. Den noch wäre es möglich, solch persönliche Liebe zn „meiner" Kirche noch in weit ausgedehnterem Maße zu üben. Kürz lich fand sich eines Adventsonntags das große Kruzisir unsrer Kirche mit einer Tannenranke umwunden: bald daraus hat ten freundliche Hände ein ähnliches Gewinde an der Kanzel angebracht. Welch einfacher Schmnck nnd wie weihnachtlich wirkte er doch gleich! Warum nicht Aehnliches öfters? Jeden Sonntag? Ein Stra u ß auf dem Altar, ein zweiter, ein dritter? Ans Waldesgrün im Winter, aus Herbstlaub, aus Frühlingsblumen, Schneeglöckchen, je nach der Jahreszeit? Was hindert, mich in der protestantischen Kirche K erze n anzuzünden zu Ehren eines Verstorbenen, etwa ein paar Kcrzen-Lcuchter, die einen Monat lang Sonntags entzündet werden? Die findige Liebe wird noch mancherlei wissen, womit Persönliches in unsere sonst so unpersönlichen prote stantischen Kirchen Hineinkommen kann, lind wer daran mithilst, hat dann seinen besonderen stillen Gottesdienst, dcr ihm allein gehört, und sein besonderes liebes Band zu „seiner" Kirche. Unser Rückmarsch im Osten. Berlin, 20. Dezember. Reval ist geräumt- In einem großen Teil der . Ostfront dringen im offe nen Hohn auf alle Erklärungen und Verträge regu läre Sowjettruppen nach und versuchen, die Bevöl kerung zu dirigieren. — In der Ukraine wurden un sere Truppen bei Sarny Schitomir, Berditsch und JMterinodan in 'Kämpfe verwickelt, da die Bol schewisten den Abtransport verhinderten. Unsere Truppen waren bei ganz ge-ingen eigenen. Verlu sten überall siegreich Bei Schitomir nahmen wiE -den Bolschewiki IS Erschöße ab. Die- Stimmung un serer Truppen ist gut. — Von der Heeresgruppe Mackensen sind außer der ll. Armee Teile der 213. Division, der 226. Division, der 7. Landw.-Mv n der 16. Lnndw.-Division in Deutschland angekom-- men.
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