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Erzgebirgischer Volksfreund : 01.10.1938
- Erscheinungsdatum
- 1938-10-01
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1735709689-193810018
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1735709689-19381001
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1735709689-19381001
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Bemerkung
- Druckfehler: 2. Beiblatt enthält falsches Ausgabedatum
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungErzgebirgischer Volksfreund
- Jahr1938
- Monat1938-10
- Tag1938-10-01
- Monat1938-10
- Jahr1938
- Titel
- Erzgebirgischer Volksfreund : 01.10.1938
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Erzgebirgischer Dolksfreund Verlag: T. M. Täi lner, Aue. 3. Veiblalt. Sudetendeutsche VLlder. Wolfgang Schwabe. in der Welt! UckeckieiLke I^arorleure von einst: tauchender SpaZiergang war »wer »en »aS Sie zählen -u meinen schönsten Erinnerungen, die Sahre, die ich drüben im deutschen Sudetenland verbrachte. Im Paradies von Böhmen, wie man ohne Uebertreibung die sonnige Elblandschast um Aussig und Leitmeritz nennt. - Heut mag die» Wort wie bitterer Hohn klingen, aber damals waren die Zeiten noch andere als jetzt. Das alte, liebe Leitmeritz feierte gerade sein 700jährige» Bestehen als Stadt, als ich im Frühling 1927 hinüberkam, um dort mein erstes bescheidenes Amt anzutreten. Man feierte mit deutscher Gründlichkeit, vom Monat Mai bis in den späten Herbst hinein, und es ist mir unvergeßlich, welch tiefen Eindruck es auf mich machte, gerade in der Überreichen Zahl der Veranstaltungen das deutsche Leben im Böhmerland in seiner bunten Mannigfaltigkeit kennenzulernen. Als in den Gruppen des großzügig veran. statteten Festzuges unter den geschichtlichen Erinnerungen der von jeher bedeutenden Stadt auch die Austreibung der Prote stanten aus dem im 16. Jahrhundert rein evangelischen Leit meritz dargestellt wurde, ahnte man nicht, daß kaum ein Jahr zehnt später wiederum über die Grenzen des sächsischen Nach barlandes die Flüchtlingsnot und das Elend von Hau» und Hof vertriebener Volksgenossen fluten würde. Die Wett schien ftiedlich geworden zu sein. Freilich, wer tiefer schaute, der spürte auch in den zwanziger Jahren hinter der nach außen hin sichtbaren sorglosen Leichtlebigkeit dieses in seiner schönen Heimat besonders gesegneten Völkchens das heimliche Seufzen nach Freiheit, die tiefe Sehnsucht, aus der Fremde slawischen Volkstums nach Hause zu kommen zur großen Mutter Deutsch- land. Und wir ärgerten uns, wenn leider allzu oft die ruck- sackbepackten Besucher aus dem benachbarten Sachsenland Sonntags herüberkamen und mit sprachlosem Erstaunen fest- stellten, daß eigentlich dort in Böhmen die Leute ganz gut deutsch verstünden. Man schien so ungefähr in der Erwartung gekommen zu sein, jenseits von Tetschen und Bodenbach in einen fremden Erdteil zu kommen. Auch darin haben die Zeiten sich geändert. Gott sei Dank! Seit Deutschland und Adolf Hitler zwei Namen für dieselbe Sache geworden sind, weiß im Sachsenland jedes Kind, daß dies Land Hinterm Erz gebirge deutsch ist seit Urväterzeiten. Und was mir damals auf meinen täglichen Fahrten durchs Land bewußt wurde, daß dieses deutsche Volkstum draußen auf Vorposten, im steten harten Ringen um seine Selbstbehauptung den Dank und die Liebe aller Deutschen verdient, weil es wie eine schützende Mauer um des Reiches Grenzen stand und weil es gerade in den Jahren der deutschen Schmach sein Volkstum hochhielt und nicht sich an den welschen Geist verlor, das ist in den gegenwärtigen Sturmtagen Erkenntnis unseres ganzen Volkes geworden und heilige Verpflichtung zu brüderlich helfender Tat. Man ist dort drüben früher wach geworden als wir im Mutterland. Wir heben uns als wertvollen Besitz das kleine schon etwas verblichene Bildchen des Führers auf, das drüben vor zehn Jahren schon junge Freunde begeistert aus Bayern mitbrachten, als hierzulande der brave Bürger noch von Völkerfreundschaft und Weltfrieden träumte und sich dabei immer tiefer das Fell über die Ohren ziehen ließ. In meiner Dildermappe liegt eine Aufnahme, die das alte Leitmeritz mit all seinen Türmen zeigt, überragt von dem hoch ragenden Radobil im Westen, das liebliche Bild in einem stillen Wasserarm des Elbstromes sich spiegelnd. Es hat mich immer an- ein Aquarell erinnert, auf dem Albrecht Dürer die Mauern und Türme seiner Vaterstadt Nürnberg festgehalten hat. Und es ist ja auch der gleiche Geist, der hier in den Bauten der schönen Elbestadt sich ausprägt. Deutscher Kunst- sinn und Bürgerfleiß hat hier schon im Mittelalter sich ein stolzes Denkmal errichtet. Auf dem geräumigen Marktplatz, der es an Größe wohl mit dem Augustusplatz in Leipzig aufnehmen kann, grüßt uns das alte Rathaus mit seiner stolzen Roland- statue. Gegenüber die große Stadtkirche mit ihrem an die deutschen Bauten in Prag erinnernden wuchtigen Turm und ihren vier wunderlichen Dachreitern. Das eigenartige Kelch- Haus, in dem jahrhundertelang an dem noch erhaltenen höl- zernen Tisch in dem kelchförmigen Türmchen die Sitzungen des Leitmeritzer Rates stattfanden, erinnert zwar durch sein Symbol an hussitische Traditionen, ist aber immer deutsch ge- wesen und soll es bleiben. Unter dem völlig unterkellerten geräumigen Stadtplatz, der an den Markttagen in einen ein- zigen großen Gemüse- und Obstgarten in bunter Farbenfülle verwandelt ist, hat einst im Dreißigjährigen Krieg die ganze Bewohnerschaft der Stadt Zuflucht vor den feindlichen Schwe- den gefunden. Aus etwas späterer Zeit stammt die prunkvoll erbaute doppeltürmige Jesuitenkirche mit ihrem Priester- seminar, unter der der Tunnel der Eisenbahn Dresden—Prag hindurchführt, desgleichen der über der Elbe hoch auf dem Berge gelegene Dom mit seiner prachtvollen Orgel, der unter seinen zahlreichen Altären einen mit einem Bilde des sächst- schen Meisters Lukas Kranach aufweist. Abseits vom Dom, jedoch durch einen hohen Torbogen mit ihm verbunden, erhebt sich wie ein Wächter auf der ginne der im vorigen Jahrhundert erbaute Turm. Ihm zu Füßen liegt der stille Domhof, grün- umsponnen, daneben die prächtige bischöfliche Residenz, die in ihrem Innern wertvolle Kunstschätze birgt. Endlich ist eine große Anzahl kleinerer Kirchen, Kapellen und Klöster zu nennen, ferner auf dem Stadtplatz die alte Mariensäule, die einst zur Pestzeit der Muttergottes auf Grund eines Gelübdes errichtet wurde. Die Stadt liegt auf äußerstem Vorposten hart an der Sprachgrenze zwischen deutschem und slawischem Volkstum. In der jenseits der Elbe liegenden von Wällen und Käse- matten umgebenen Festung Theresienstadt, in der einst Gaw rilow Princip, der Mörder von Serajewo, starb, hört man nur tschechische Laute. Im Norden erheben sich die grünen Hänge des böhmischen Mittelgebirge», dessen Lieblichkeit von jeher die Maler angelockt hat. Hier hat unser sächsischer Lands ¬ al» Ttschwein zu schätzen wußten. Wir blicken vom Ludwig- Richter-Weg bet Sebusein hinauf zu dem winzigen Dubitzer Kirchlein, dessen Romantik nicht nur die Künstler, sondern auch manche» Brautpaar anzieht, da» auf diesem paradie sischen Flecken Erde seinen Weg in den Lenz de» Leben» be ginnt. Wer mit dem verwöhnten Auge de» Genießers die Landschaft erleben will, macht für billige» Geld vom Leit meritz bis Aussig die Fahrt mit dem Dampfschiff. Der Wasser- weg durch das „Böhmische Tor" am Steilabsturz des Drei kreuzberge» vorübA läßt alle fremde Schönheit vergessen. O du schöne Welt, wie bist du so weit! Gern möchte ich weiter erzählen, möchte Bild um Bild -eigen aus dem Buche reicher, glücklicher Erinnerung meiner Lehr- und Wanderjahre, die gerade für den, der draußen als Seelsorger im täglichen Dienst an der Erhaltung und Pflege deutschen Volkstums stand, besonders ertragreich waren. Da» deutsche Leben in Kirche und Schule, das gründliche Studium von Land und Leuten auf den regelmäßigen Fahrten und Wanderungen durch einen weitverzweigten Bezirk, der frohe Aufbau und der ernste Kampf, das wunderbare Getragensein von der rührenden Dankbarkeit lieber deutscher Menschen, denen die Verbindung mit dem Mutterland von jeder Her zensbedürfnis war, wo soll ich anfangen, wo aufhörenl Lange liegen die erlebnisreichen Jahre schon zurück. Sie werden mir allezeit übersonnt bleiben. Jetzt tritt das persönliche Er innern zurück hinter der ernsten Sorge um liebe Angehörige, die wir drüben in Bedrängnis wissen, hinter dem täglichen Erfülltsein von dem erschütternden und doch so großen Ge schehen, in dem alle deutschen Herzen miteinander und für- einander schlagen. Wer unter seinen Ahnen Männer und Frauen weiß, die in vergangenen Jahrhunderten um des Glaubens willen sudetendeutsches Leid herüber in die deutsche Heimat trugen, der hat dies Land lieb und weiß sich ihm ver pflichtet. Gott schütze dich, sudetendeutsches Land! Wir allo ersehnen mit heißem Herzen den Tag, da du wieder unser sein wirst und aus den Herzen notgequälter und kämpf- bewährter deutscher Menschen der Dank und die Freude auf- klingen soll: Deutschland, Deutschland über alles, über alles Obwohl hier von den Tschechen die Rede ist, die damals unter dem, Namen der Hussiten übel gemig berüchtigt waren, obwohl hier also von dem Huß die Rede ist, den sie schon ver brannt hatten, von Johann ZiSka zudem, dessen Fell sie schon über ihr« Streittrommel gespannt hatten,, so ist doch Hannes Hübsch die Hauptperson, bloß Hannes Hübsch, der ein Knecht des Herrn Tobias Joachim von Drewitz auf Alt-Drewitz war und als ein Hirte des Gutes und der Gemeinde gebraucht wurde. «r. rso. 1./L. Oktober 1938. mann Ludwig Richter die romantische Schönheit der deutschen Heimat entdeckt, Mr die die deutschen Künstler jener Zett, vom Glan- italienischer Sonne geblendet, noch kein Auge hattten. Wer kennt nicht die berühmte Ueberfahrt am Schreckenstein! Es klingt uns heute kaum glaublich, daß die- ft» Bild in einem damaligen Kunstkalender nur mit der irre- führenden Unterschrift „Gardasee mit Burg Sirmione" aus genommen wurde, weil ein noch nicht artbewußtes Kunst- empfinden einfach das Gottesgeschenk der schönen deutschen Landschaft noch nicht kannte. Auf der Burgruine, -u deren Füßen jetzt ein mächtiges Stauwerk den Elbestrom in einen weiten See verwandelt, findet sich auch eine Erinnerungstafel mit dem Namen des anderen großen sächsischen Meisters, der bis in unsere Tage hinein der deutschen Kunst die Richtung wies: Richard Wagner. Hier oben hat er die ersten Entwürfe zu seinem Tannhäuser geschaffen. Unbeschreiblich ist die Blütenpracht eine» Frühlings im Elbetal. Man kann es nicht verstehen, daß ein Deutscher in fremde Lande reist, einen richtigen Frühling zu erleben, wenn man dies liebliche Bild einmal geschaut hat: der ganze im Sonnenglanz lachende Gottesgarten in duftigen Blütenschnee eingetaucht, aus dem sich die grünen kuppelförmigen Berge mit ihren uralten Burgnestern und Ruinen erheben. Wir stehen auf hoher Warte am Aarhorst, von der man zwischen den zahllosen Bergen und Hügeln zwanzigmal das leuchtende Silberband des Elbstromes hindurchleuchten sieht. Oder wir schauen von dem stolzen Lobosch bei dem freundlichen Städt chen Lobosttz hinunter auf das geschichtlich berühmte Schlacht: seid aus der Zeit des alten Fritz. Wir wandern vom Mille- schauer, dem König unter den Bergen des Mittelgebirges, durch das romantische Wopparner Tal mit seinen sieben Mühlen hinüber zu dem weinfrohen Dörflein Czernosek, dessen guten Tropfen bereits im Mittelalter die Könige Eng lands — schon damals für das Böhmerland interessiert — dann steht er mitsamt seinem Hunde Wächter am" vierten Tage danach wieder auf und fragt sich erstaunt, was denn gewesen und wohin ihm die schöne Herde geraten wäre. Die Flöte hatte er Heu unter sich liegen. , Die beiden Prokope gaben vor dem rauchenden Kloster Olwa, nachdem sie eS auf Gold, Silber und Scharlach ausgeraubt hatten, den dringenden Befehl zur Umkehr. Hinter Danzig lag doch nur die See. Sie hatten genug und hatten nun auf einmal Angst und Bange um alles. Sie wollten nun nur erst wieder zu Hause sein. Dann sollte das Leben losgehen. Und well dies verständliche Gefühl bei allen Tschechen, Räubern und Huffiten allgemein wurde, so wurde es ein heftiges Rennen nach Hause. Sie konnten nicht mehr bergen» als sie in Schultersäcken, auf Karren und Wagen geborgen hatten. Darum legten sie keinen Wert darauf, einen anderen als den geraden Weg nach Hause einzuschlagen. Aber dieser gerade Weg von Oliva nach Prag führte über Alt-Drewitz, Warnik und Groß-Kamin. So kam eS, daß Hannes Hübsch seine Flöte nahm und Wächter, den treuen Hund. Weil Herr Tobias Jochen in der Hofburg wellte, onme er ihn nicht fragen. ES ging im aus- gebrannten und ausgeplünderten Dorf und Gut auch ein wenig bunt her. So holte Hannes Hübsch sich selber ein übrig ge bliebenes Pferd aus dem Stall und umritt in großem Bogen oen Raub der heimkehrenden Tschechen. Es war aber Hannes Hübschens Gewohnheit, daß er sich eine jede Zeit mit Schal- meienspiel vertriebe. Er dachte sich eigentlich nichts dabei. Denn so ist das nicht, daß ein brandenburgisch-pommerscher, neumätki- scher Dickschädel sich sofort etwas dabei denke. Sein Rindvieh es, das sich zuerst etwas dabei dachte. Solch ein Rindvieh war natürlich gewöhnt, getrieben zu werden, und zufrieden, wenn eS satt wurde und wiederkäute. Darum nur waren sie den fremden Stimmen gefolgt. Aber das war nun zu Ende, voll kommen zu Ende war das, nun sie die bekannte Flöte wieder hörten. Eine war es >a natürlich, die zuerst den Kopf hob, eine K»ch, die sehnsüchtig hinausbrüllte. Die Tschechen hielten die Dinge ja nicht auseinander. Sie qrelten auch die Kühe von Alt-Drewitz nicht von denen ausein- ander, die sie irgendwo sonst gestohlen halten. Darum teilte sich die Unruhe der Tiere, die hier heimisch waren und zu Hannes Hübschens kunstbegeisterter Gemeinde gehörten, der ganz, Schar mit, Kühen und Bullen, Pferden und Kleinvieh. Dl brüllte, blökte, meckert« und wieherte. Die beiden Prokope ver stärkten die Wachen, aber Hannes Hübsch ließ seine Flöte er schallen. Es war natürlich eine zuerst, die den Schwanz wie eine Fahne steil reckte. Eine Kuh galoppierte an. Dann raste die gesamte Herde. Sie halten den Kopf tief gesenkt, die schäumen den Bullen. Sie machten die prächtigsten Sätze, die gestreckten Leiber der Pferde, über jedes Hindernis hinweg. Sie lachten über jeden Befehl und verlachten jede Ordnung, die meckernden Ziegen. In einer Wolke von Staub brausten sie über die Straßen und die Felder, di« wolligen Schafe. Und wenn irgend ein Gewappneter da noch stand, der nicht über den Haufen ge worfen war, den unterwühlten die Sauen. Es war nichts zum Verwundern dabei. Schließlich fand alles wieder seinen Stall in Alt-Drewitz, Warnik und Groß- Kamin. Und es stand nachher manches drin, was vorher nicht dringeständen hatte. An Hannes Hübsch dachte deshalb keiner. Aber eS stand schließlich auch manch ein Wagen in mancher Hof- stelle, der vorher mcht dagestanden hatte, und war beladen mit stelle, der vorher mcht dagestanden hatte, und war beladen mit Bettzeug und Aliargerären, Weinfässern und Kinderwiegen, aber zumeist mit vielem Geld. Keine Sorge, sowohl der Herr Tobias Jochen von Drewitz als auch der Kurfürst kamen recht zeitig dahinter. „„ ' Denn die Tschechen hatten es nach solcher Affäre ganz be sonders eilig, weiterzukommen. ES war nicht mehr alles so bei ihnen, wie eS gewesen war, als sie den rauchenden Spaziergang begannen. Mit einem so verdatterten Hausen hatten selbst die beiden Prokope keine Lust mehr, auf die deutschen Ritter oder den Kurfürsten zu warten. Flöten konnte Hannes Hübsch, daß es eine Freude und Seligkeit für feden war, der ihn flöten hörte. Das waren ledoch zuineist seine Kühe und die eingestreuten Schafe, eine andächtige Gemeinde, von der man also nicht meinen darf, daß sie weniger musikalisch empfand als die übrigen Bewohner von Alt-Drewitz, Warnik und Groß-Kamin. An der Oder und an der Warthe, bevor sie in die Oder mündet, befinden sich Alt-Drewitz, Warnik und Groß-Kamin. Und daß dies alles auf dem graden Wege zwischen Prag, allwo die Tschechen zu Hause waren und Johannes Huß ihnen gepredigt hatte, und dem Kloster Oliva lag, das auf diesem rauchenden Spaziergang der Hussiten in Flammen aufging, sollte die Gemeinde der Zwei- und Vierbeinigen betrüblich merken. Die Tschechen hatten sich nämlich einem traurigen Irr- tum hingegeben. Huß hatte noch, was er predigte, als ein frommer Mensch gemeint. Aber die Tschechen konnten >a die Dinge nicht auseinanderhatten. Sie vermengten die himm lische mit ihren irdischen Angelegenheiten. Was für ihr« bren nenden Väter und Propheten geistliche Hoffnung gewesen, tauchte ihnen in die rauschenden Erwartungen ihres Blutes unter. Hie Tschech — dort Daitsch! wurde ihr Feldgeschrei. Und als sie daran erst ihr Vergnügen gefunden, auch den Burg- grafen Friedrich von Nürnberg, der nunmehr in der Nachbar- schäft von Alt-Drewitz und Groß-Kamin Markgraf von Brandenburg geworden war, erklecklich, auf sein Haupt ge schlagen hatten, brachten sie noch das in das Gemenge ihres Daseins hinein, was einem jeden Menschen das Nächstliegende ist, den eigenen Besitz nämlich und Hab und Gut und Reich tum und Schätze, die die Motten und der Rost fressen. Diese Hussiten meinten nun, -daß Gold in allen Erdenfällen gut wäre, auch wenn eS eigentlich einem anderen gehörte, und daß Vieh in Wahrheit Besitz wär«, wenn man von Haus, Beruf und Leidenschaft einmal Bauer wär«, auch wenn dieses Vieh gewohnt ist, auf Hannes Hübschens Stimme und Flötenspiel zu hören. Denn Hannes Hübsch blieS seinen Kühen die Flöt« zum Morgengruß und sang ihnen den Abendsegen. Er war auch mitsamt seiner andächtig wiederkäuenden Gemeinde ins Spiel der Schalmei versunken, als die Tschechen, die einmal wieder auf Raub und Rauch ms Deutsche Reich spazieren gegangen waren, über ihn herfielen und ihn jämmerlich verprügelten. Sie schlugen ihn zusamt seinem Hunde, dem treuen Wächter, -reivierlel tot und ließen beide liegen. Aber das Vieh führte» sie von dannen. — Der Herr Tobias Jochen von Drewitz auf Alt-Drewitz ritt zu der Zeit im Dlenste seines Herrn, des Kurfürsten, Markgrafen und Burggrafen Friedrich, den die Hussiten ja bereits geprügelt hatten, in die kaiserliche Hofburg zu Wien ein. Aber die Tschechen nahmen ebenso die Herden von Groß- Kamin, Warnik und Zorndorf. Sie setzten ihren rauchenden Spaziergang fort, bis sie vor dem Kloster Oliva, das der Danzig liegt, angekommen waren, nunmehr aber so sch! mit Schätzen beladen und so zahlreich an Rindvieh und Schaf- böcken geworden waren, daß dem großen und dem kleinen Prokop, ihren Heerführern, angst und bange wurde. Vor dem Heer der preußischen Ordensritter, die schon bei Tannenberg ihre Schläge eingeheimst hatten, fürchteten sie sich so wenig wie vor dem Kurfürsten Friedrich und dem Herrn Tobias Jochen von Drewitz. An Hannes Hübsch dachten sie 'nicht. Aber wenn ein richtiger brandenburgisch-pommerscher, neumärkischer Dickschädel zu drei Vierteilen toraeschlagen ist,
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