Heinz Niemann Entwicklung Pieschens vom Dorf zu einem der größten Arbeiter viertel der Stadt Dresden Dresden hat, wie die meisten unserer Großstädte, seine entscheidenden und formprägenden Wachstumsimpulse im Zusammenhang mit der vollen Ausprägung des Kapitalismus der freien Konkurrenz und dessen Hinüberwachsen in das imperialistische Entwicklungsstadium erhal ten. Zu Unrecht wird diese Etappe stürmischer ökonomischer, politischer und sozialer Verände rungen häufig als eine vor allem durch spontane und zum Teil chaotische Wachstumsprozesse gekennzeichnete Periode charakterisiert. Damit wird man zwar der Tatsache gerecht, daß die gesellschaftlichen wie die territorialen Veränderungen dieser Zeit im Grunde das Resultat des Kampfes mannigfacher antagonistischer Widersprüche sind, bei dem die tendenzielle Gesamtentwicklung sich über eine große Zahl von sehr differenzierten und auch gegenläufi gen Teillösungen nur in einem längeren Prozeß durchsetzt. Andererseits erschwert eine solche einseitige Darstellung das Verständnis dafür, daß das bürgerliche Staatswesen, um das Gesamt interesse der Klasse vertreten zu können, in erheblichem Maße ordnend, schlichtend und vor ausschauend in das Geschehen eingreifen mußte. Das dabei die Lebensbedingungen des über wiegenden Teils der Stadtbewohner nur insofern eine Rolle spielten, als sie für politische Sta bilität und allgemeine Prosperität zu berücksichtigen waren, ändert an der grundsätzlichen progressiven Funktion der Stadtverwaltung in dieser Periode nichts. Überblickt man den grandiosen Aufschwung Dresdens von einer mittleren Residenzstadt zu Beginn der industriellen Revolution zur viertgrößten Stadt des Deutschen Reiches um die Jahrhundertwende, ist es zweckmäßig, diesen Prozeß unter besonderer Berücksichtigung der staatlichen Regulierungsmaßnahmen in drei Etappen zu untergliedern. Die Etappe von 1832 bis 1861 Mit der Einführung der Städteordnung 1832 wurde den Städten eine weitgehende Selbstver waltung übergeben, die - gepaart mit Reformen in der Verwaltung, der Justiz sowie dem Finanz- und Schulwesen - die allgemeine bürgerliche Umwälzung einleitete. Die Siedlungsentwicklung war weiterhin durch die Existenz des Bannmeilenrechts bestimmt, welches die Niederlassung von zunftgebundenen Gewerbestandorten nur innerhalb der Stadt grenzen gestattete. Die Konsequenz davon war eine schroffe Abgrenzung der bis dahin flä chenmäßig nur unbedeutend über die ehemaligen Festungsgrenzen hinauskommenen Stadt gegen ihr dörfliches Umland. Noch 1853 wird die „Ansiedlung ärmerer Volksklassen, deren polizeiliche Überwachung erforderlich ist. .außerhalb des bebauten Stadtgebietes unter sagt.' Die Standortverteilung der gewerblichen Produktion innerhalb der Stadt unterlag keinen besonderen Vorschriften. Nur besonders störende (Rauch, Lärm, Geruch), gefährdende oder