23 - Obwohl auf der Flur der Gemeinde Pieschen insgesamt 11 Fabriken ausgewiesen sind, sind ihre Betriebsgrößen so, daß der Status eines Handwerksbetriebes nur unwesentlich über schritten wird. Zusammen mit den über 50 kleinen Handwerksbetrieben prägt also der ausge sprochene Kleinbetrieb mit einem sehr breiten Produktionsprofil das Bild der in der Gemeinde lokalisierten gewerblichen Produktion. - Der dienstleistende und Handelssektor ist sehr vielseitig strukturiert und wird häufig als kleiner Nebenerwerb durch Frauen betrieben. Ende der achtziger Jahre verzeichnet das Adreßbuch 106 Unternehmungen des Handels und der Dienstleistungen verschiedenster Spezialisie rung, 25 Gärtner, 41 Produktenhändler (Lebensmittel), 31 Schuhmacher, 20 Restauratio nen und Gasthöfe. Faßt man die Angaben zur Sozial- und Wirtschaftsstruktur der Gemeinde Pieschen um 1890 zusammen, ergeben sich folgende wesentlichen Schlußfolgerungen: 1. Pieschen ist von der Funktion her vor allem Wohnort der Arbeiterklasse. Mit zunehmen der Größe des Ortes siedelt sich ein vielseitiges kleinkapitalistisches Gewerbe an, welches in Kombination mit der relativ hohen Zahl von Angestellten besonders der Eisenbahn zu einem spürbaren Faktor des öffentlichen Lebens in der Gemeinde wird. 2. Die Pieschener Arbeiterklasse ist nicht nur gewerblich vorgebildet und in einem sehr brei ten und anspruchsvollen Produktionsspektrum eingesetzt, sie ist vor allem in den Zentren der Dresdener Großindustrie tätig. Hier erwächst aus den Erfordernissen der hochorgani sierten modernen Produktion die Fähigkeit der Arbeitenden selbst, sich zu organisieren und gegenüber dem Großunternehmer als ernstzunehmende Kraft aufzutreten. 3. Die besonderen Lebensbedingungen der Pieschener lassen gegenseitige Hilfe und Vorsorge gegenüber Notfällen zu einem Alltagserfordernis werden. Die Vereinigung der Kräfte auch hier in Organisationen verschiedener Art ist als natürliche Selbstbehauptungsreaktion eine wichtige Quelle geschichtlicher Traditionen großstädtischer Arbeiterviertel. Vor dem Hintergrund dieser allgemeinen Abteilungen gewinnen die Leistungen der Piesche ner in der Organisation der Arbeiterselbsthilfe, die auf manchen Gebieten beispielgebend für Dresden waren, eine besondere Bedeutung. Noch in den siebziger Jahren wird der Wohltätigkeitsverein „Sächsische Fechtschule“ gegrün det, der mit einem Jahresbeitrag von 50 Pfennigen zwar nicht übermäßig leistungsfähig ist, mit seinen 600 Mitgliedern als ausgesprochener Massenverein aber den Gedanken der gegenseiti gen Hilfe wirksam weitertragen kann. In ähnlicher Weise - allerdings mehr den Charakter eine Versicherung tragend - wirkte der „Kranken Unterstützungs- und Begräbnis-Verein“ zu Pieschen und Umgebung, der bereits 1870 gegründet wurde. Mit seinen monatlichen Beiträgen von 0,70 bzw. 1,04 Mark stieß er allerdings bereits an Grenzen der Teilnahme gerade durch jene, für die der Krankheitsfall einer Katastrophe gleichzusetzen war. Zur größten Vereinigung entwickelte sich aber der 1882 gegründete Konsum-Verein Pie schen. Es ist der erste seiner Art im Dresdener Raum überhaupt und weist 1910 als noch selb ständiger Verein 6 000 Mitglieder aus. 37 Aus einer Untersuchung über die Vermögensverhält nisse und Inventarien von Dresdener Arbeiterhaushalten im Jahre 1903 geht sehr deutlich her vor, daß die Einlagen und Rabattzahlungen im Haushaltkalkül eine bedeutende Position ein genommen haben. 38