11 Volker Ruhland Böhmische Exulanten in Kursachsen und der Dreißigjährige Krieg Der Dreißigjährige Krieg besitzt in der Geschichte des Abendlandes, in der deutschen, aber auch in der sächsischen Geschichte, mehr als andere historische Epochen, immerwährende Aktualität. Er war und bleibt Appell an das historische Gewissen. Der Dreißigjährige Krieg war die erste große, einen ganzen Kontinent umfassende kriegerische Auseinandersetzung der Weltgeschichte, von den Zeitgenossen als »europäisches Kriegstheater«, »Kriegsballett« oder »großer Krieg« bezeichnet. Sein Kriegsschauplatz, der »Hortus bellicus« (Kriegsgarten), war das territorial zersplitterte Heilige Römische Reich deutscher Nation. Im deutschen Sprachraum und in den böhmischen Ländern wütete er besonders blutig, aber das Geschehen im mitteleuropäischen Gebiet war mit der großen europäischen Politik zu einem fast unentwirrbaren Knäuel von Widersprüchen verbunden. Auf deutschem Boden ging es um die Fortsetzung des religiös verbrämten »Fürstenkrakeels«. Hier Fürstenmacht — dort Kaisertum, war die eine Front des deutschen Bürgerkrieges, hier Union - dort Liga, dazwischen neutrale Ausgleichskräfte. Fragen von welthistorischem Rang wurden zwischen ihnen nicht ausgetragen, aber diese reichsinternen Auseinandersetzungen waren eingebettet in ein Knäuel weiträumig verfilzter Interessen, bei denen es um weit mehr ging, als den deutschen Fürstenkrakeel für diese oder jene Seite zu entscheiden. Hier standen weltpolitische Interessen auf dem Spiel. Der Grundwiderspruch zwischen der aufsteigenden bürgerlichen Gesellschaft und den Feudal gewalten zeigte sich nach wie vor in der Gestalt des Gegensatzes zwischen der Republik der Vereinigten Niederlande und dem spanischen Feudalabsolutismus. Nach einem jahrzehnte langen Krieg mit einem zwölfjährigen Waffenstillstand als Atempause schritt 1621 der Hort der feudalen Reaktion, Spanien, erneut zum Kampf gegen die junge Republik. Die Festigung des ersten bürgerlich-republikanischen Staatswesens in den nördlichen Niederlanden war eine Entscheidung von weltgeschichtlichem Rang. Eine ebenso weitreichende Entscheidung war zu treffen zwischen dem überlebten kaiserlich universalen, von den Habsburgern praktizierten Weg, und dem national-staatlichen Weg, der vor allem von dem zunächst progressiven Absolutismus in Frankreich vertreten wurde. Zwar war Kaiser Karl V. Traum von einem Habsburgischen Universalreich, in dem die Sonne nie untergeht, mit der Teilung des Habsburgerreiches 1556 gescheitert, aber die spanischen und die österreichischen Habsburger stellten immer noch gemeinsam eine Weltmacht dar.