30 Ludwig Richter, Graupen in Nordböhmen; Graphit. Um 1838 In den überaus reizvollen Skizzen, die nachträglich noch aquarelliert wurden, findet sich bereits die zarte, weiche Art der Modellierung, die für die Reifezeit des Künstlers typisch ist. Mit dem »Aufsteigenden Gewitter am Schreckenstein bei Außig« von 1835 stellte Richter jene Gegend, die zu seiner Wandlung so entscheidend beigetragen hatte, erstmals auch in einem größeren Gemälde dar. Anknüpfend an das fünf Jahre zuvor entstandene »Gewitter am Monte Serone« bildet es gleichsam den Übergang von den italienischen zu den deutschen Landschaf ten. Es erfüllt sich nunmehr, was der Künstler schon in Italien theoretisch angestrebt hatte, daß nämlich die »Figuren die Idee der Landschaft erläutern und dem Bilde seinen eigentümlichen Ge halt geben«. 14) Trotzdem haftet dem Gemälde noch etwas vom Pathos seiner italienischen Land schaften an. Erst mit der »St. Annenkirche zu Graupen« ist im Jahre 1836 die Hinwendung zur heimatlichen Umgebung endgültig vollzogen. Hier gestaltete Richter ein Idyll von liebenswür diger Schlichtheit, das in seiner Grundstimmung bereits den späteren Holzschnittillustrationen entspricht. Das symbolträchtige Motiv des Berges, das im Schaffen Caspar David Friedrichs eine so zentrale Rolle spielt, hat in dieser spätromantisch-biedermeierlichen Kunst seine tiefere Bedeutung verloren. So wird der höchste Gipfel des Böhmischen Mittelgebirges - der Mille schauer - auf Richters Gemälde an den Rand verwiesen, wo er zwischen zwei Baumwipfeln gerade noch zu sehen ist. Neben dem Gemälde der »St. Annenkirche...« entstand auch eine Reihe Zeichnungen, denen Motive aus der Gegend um Graupen und Mariaschein zugrunde liegen. Ein Blatt zeigt den Blick von Graupen über die Ruine der Rosenburg hinweg zum Böhmischen Mittelgebirge.