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58 frühesten Schauspielern gehörte. In der Aufführung von Hasenclevers »Der Sohn« hatte Licho die Rolle des tyrannischen Vaters übernommen, des Geheimrats, der seinen überschwenglichen Sohn als »Landstreicher auf der Straße des Gefühls« verhöhnt und den Achtzehnjährigen mit der Reitpeitsche traktiert. Das expressionistische Wandlungsdrama »Der Sohn«, vom Autor 1916 als »Menschwerdung«, die den »Aufruhr des Geistes gegen die Wirklichkeit« am Kon kretum bewußt machen und austragen soll, gedeutet, wurde von der im Ersten Weltkrieg auf wachsenden Jugend enthusiastisch begrüßt. Die konventionelle dramatische Form ist in eine lose Abfolge von Stationen aufgelöst, die ausschnitthaft Elemente einer subjektiv geordneten Umwelt vorführen. Die abstrakte Sprache steht ganz im Spannungsbereich zwischen emotional aufgeladenem Monolog und formelhaftem Gestus. Das Stück geriet zum Thesendrama, in dem die Ausgangsposition - daß der Mensch sich zu wandeln habe - in einer Serie von Varia tionen durchgeprüft und am Ende gestisch manifestiert wird. Während in Dresden nur Deutsch den Sinn und die Symptomatik des Vater-Sohn-Kampfes erfaßte, fand im Januar 1918 Richard Weichert am Hof- und Nationaltheater Mannheim als erster den dafür erforderlichen, mit Lichtregie operierenden rhythmisierten Spielstil. Die Gestalt des Sohnes wurde, dem monologischen Charakter des Dramas entsprechend, in einem Licht kegel beherrschend in die Mitte gestellt. Hier wurde nicht nur die Entgrenzung des Raumes sichtbar, sondern auch die Verlorenheit der Menschenseele, die Einsamkeit des Individuums, die Unfähigkeit zur Kommunikation. Für den 1916 aus Dresden scheidenden Schauspieldirektor Carl Zeiss, der als Generalintendant nach Frankfurt berufen wurde, mußte am Dresdner Hoftheater ein Nachfolger gefunden werden. Karl Wolff, der am Münchner Hoftheater Dramaturg war, kam nach Dresden, inszenierte den 1. Teil von Strindbergs »Nach Damaskus« und Werfels »Troerinnen« und betrieb die Anstellung von Berthold Viertel. Am 18. Februar 1918 wurde Reinhard Görings »Die Seeschlacht« in der Regie von Ernst Lewinger uraufgefuhrt. Es spielt im Panzerturm eines Kriegsschiffes unter Matro sen, die einer Entscheidungsschlacht entgegenfahren. In totaler Ahnungslosigkeit gegenüber der bevorstehenden und vom einzelnen nicht mehr überschaubaren Katastrophe tragen sie die Wider sprüche von Gehorsam und Meuterei, Krieg und Frieden, Pflicht und Versagung, Sinngebung und Sinnlosigkeit aus. Die Dialoge stilisieren sich zum oratorischen Stimmenspiel. Ein »defätisti sches« Stück in einer Zeit, wo Durchhalteparolen zur letzten Entscheidung im Kriege, zur letzten großen Offensive ausgegeben wurden. Die Signale, das Abfeuern eines Riesengeschützes auf der Bühne, Pulverdampf und das Einschlagen der Geschosse in das Schiff, die Meuterei, der ausbre chende Wahnsinn und das Sterben der Mannschaft wurden atemberaubend dargestellt. Oskar Kokoschka, der einer Prager Künstlerfamilie entstammte, war im September 1916 erst mals nach Dresden gekommen; die Chancen, an der Kunstakademie eine Professur zu erhalten, standen nicht schlecht. Hier entstand nach den schon 1909 und 1911 verfaßten Dramen »Mör der, Hoffnung der Frauen« und »Der brennende Dornbusch« das dritte Drama »Hiob«, eine erweiterte Fassung von »Sphinx und Strohmann«. Am 14. April 1917 hatte bereits die Auffüh rung dieser ersten umgearbeiteten Fassung im Züricher Dada-Klub »Voltaire« unter Regie von Marcel Janco stattgefunden; Hugo Ball und Tristan Tzara spielten Hauptrollen. Mit Deutsch, Heinrich George und Käthe Richter wurde dann am 3. Juni 1917 im Dresdner Albert-Theater