75 Zdenek Radvanowsky Internierungslager im nordböhmischen Grenzgebiet 1945-1947 Die Lager in der Nachkriegstschechoslowakei In den letzten Jahren hat die tschechische Historiographie versucht, die »weißen Flecken« der gemeinsamen tschechisch-(sudeten)deutschen Geschichte zu füllen. Das betrifft insbe sondere Arbeiten zur Situation der Deutschen im böhmischen Grenzgebiet nach 1945. Es entstanden eine Anzahl Studien und einige Monographien 1 ’, die sich mit der Vertreibung und Zwangsaussiedlung der Deutschen, mit Massakern an der deutschen Bevölkerung in den böhmischen Ländern und weiteren Themen befaßten. Zu den Defiziten der Forschung gehört noch immer die Problematik der Lager für die deutsche Bevölkerung in der Nach kriegstschechoslowakei. Im seit Herbst 1938 von Hitlerdeutschland annektierten Grenzgebiet der böhmischen Länder (Sudetengau) haben in den Kriegsjahren 351 Konzentrations-, Internierungs-, Arbeits- und Kriegsgefangenenlager und Gefängnisse existiert. 21 Die Ost-Dokumentation des Bundes archivs in Koblenz enthält 437 Hinweise zur Situation in ca. 200 Internierungs- und anderen Lagern, die nach Kriegsende auf dem Gebiet der damaligen Nachkriegstschechoslowakei ent standen 3 ’. Die Mehrheit dieser Lager war mit der Ortslage der NS-Lager identisch. Die Ver hältnisse in den nazistischen Lagern in der Zeit vor und während des Zweiten Weltkrieges sind heute bekannt. Bisher wurden Untersuchungen zu diesem überaus sensiblen Thema Nachkriegslager noch nicht systematisch in Angriff genommen. Erschwerend wirkten ideologische Barrieren und der komplizierte Zugang zu den Archivbeständen der tschechoslowakischen Sicherheits- und Militär behörden. Inzwischen ist jedoch ein bedeutender Umschwung zu bemerken, so daß Zentral- und Regionalarchive für Detailforschungen offen stehen. Neuere Publikationen zur konzeptionellen Vorbereitung, zum Verlauf, zu regionalen Spezifika und zu Folgen der Zwangsaussiedlung der Deutschen nach 1945 ermöglichten eine Reihe von Teilerkenntnissen zur Lagerproblematik. Insbesondere setzte sich in letzter Zeit der tschechische Historiker T. Stanek mit dieser Thematik auseinander. An der Universität »J. E. Purkyne« Üsd nad Labern untersuchten die damaligen Geschichtsstudenten J. Hrazdi'ra, J. Skräbal, J. Vosäla, A.Jegrova, M. Pokorny und K. Chloubovä-Fridrichovä im Rahmen verschiedener Arbeitsthemen Lager für Deutsche im nordböhmischen Grenzraum. Einige von ihnen stellten ihre Unter suchungsergebnisse im Jahre 1993 auf einem deutsch-tschechischen Kolloquium in Üstf nad Labern/Aussig an der Elbe vor, die in einem Sammelband gedruckt wurden. 4 ’