82 Manfred Püschner Dresden als Vorposten gegen den »Prager Frühling« 1968 Keine andere Großstadt im Warschauer Pakt lag näher an Prag als Dresden, bot ähnliche Vor aussetzungen für eine Schaltstelle im Konflikt um den Reformkurs der Tschechoslowakei. In ihrem Umfeld stand eine gewaltige Streitmacht - die 1. sowjetische Gardepanzerarmee, die 7. NVA-Panzerdivision -, führten Transitwege ins Tschechische, bündelten sich Grenzüber gänge, befanden sich starke Rundfunksender und ein relativ moderner Flughafen. Die Tschechoslowakei - seit 1960 »Sozialistische Republik« CSSR - galt bis dato als verläß licher sowjetischer Vorposten. Moskautreue Kommunisten hatten im Februar 1948 ihre sozial demokratischen und bürgerlichen Kontrahenten ohne sowjetisches Mittun ausgeschaltet, spä ter in Schauprozessen ä la KPdSU einen Teil der Führung liquidiert, privates Wirtschaften unterbunden, verstaatlicht, ohne Rücksicht auf die Folgen, 1960 als erste im Osten den Auf bau des Kommunismus verkündet. Es wurde im Sowjetblock daher kaum wahrgenommen, daß sich im »Musterländle« seit Anfang der 60er Jahre^ Krisenzeichen und Unmut mehrten. Reformansätze scheiterten zunächst, bis der Sturz des KPC-Chefs Novotny am 5.1.1968 in eine Demokratisierung unter reformkommu nistischen Vorzeichen mit Meinungs-, Medien-, Reisefreiheit und Abwahl von Funktionären mündete, die als »Sozialismus mit menschlichem Antlitz« im Februar Kontur gewann, im März das Land veränderte und als »Prager Frühling« in die Geschichte einging. Die KPC-Reformer befürchteten, ohne einschneidende Veränderungen und Mitbestimmung wird das sozialistische System letztendlich scheitern. Sie wollten es dynamisch, leistungsfähig, auf Zustimmung und demokratischem Miteinander begründet, hielten es für reformierbar. Sie hofften, da sie außen- und sicherheitspolitisch - anders Rumänien - nicht aus der Reihe tanz ten, würde ihr Alleingang toleriert. An der CSSR-Westgrenze aufgegriffene Ostdeutsche wur den z.B. immer an die DDR ausgeliefert. Die neue KPC-Führung mußte am 23. März 1968 in Dresden erkennen: die Hoffnung war eine Illusion. KGB-Chef Andropow überraschte Außenminister Gromyko und vier Berater bzw. Außenpoli tik-Spezialisten im März im Moskauer ZK-Sekretariat: »Die Vorgänge in der CSSR werden immer besorgniserregender... Auch die Verbündeten... verlangen eine klare Stellungnahme«. !) Die Spitzenfunktionäre hatten ein Pakt-Treffen in Dresden zur Lage in der CSSR im Kontext mit dem Ost-West-Konflikt vorzubereiten. Falin ergänzte später, Walter Ulbricht - SED- und DDR-Staatschef- habe auf diese Aussprache von Vertretern der UdSSR, Polens, der DDR, Ungarns und Bulgariens mit denen der CSSR gedrängt. 2)