19 formalen Akzeptanz der Minderheitsregierung Fellisch Anfang Dezember ging allerdings das weitere prokommunistische Engagement der sächsischen Parteiführung und insbesondere des Innenministers Liebmann einher, das letztlich wenige Wochen später (14.12.1923) zur Auf kündigung der Tolerierung durch die Linksliberalen und damit zum Ende der Regierung Fellisch führte. Spätestens zu diesem Zeitpunkt wurde die Zerrissenheit der sächsischen Linken augenschein lich: Die Kommunisten verweigerten aufgrund ihrer putschistischen Taktik jedwede Tole rierung einer SPD-Minderheitsregierung. Damit aber stellte sich für die Sozialdemokraten die Frage nach Neuwahl des Landtages oder eines Regierungsbündnisses mit den liberalen Par teien des Freistaates. Während vor allem die linkssozialistischen Kräfte, die sich in der Partei führung und der Fraktionsminderheit konzentrierten, die Auflösung des Parlaments trotz vorhersehbarer schlechter Wahlaussichten befürworteten, zielte die sich zu großen Teilen aus der MSPD rekrutierende, gemäßigte Fraktionsmehrheit auf eine Koalition der sozialliberalen Mitte. Es stellt sich die Frage, ob diese Heterogenität des linken, sächsischen Spektrums als eine ver hängnisvolle Spaltung der proletarischen Kräfte angesehen werden kann. Betrachtet man sich jedenfalls die ideologischen Kernaussagen beider Parteien, so muß eine sozialistische Einheits front als politische Chimäre erscheinen, die nur dazu geeignet schien, den für die Republik existentiellen Widerspruch zwischen staatstragenden, demokratischen Parteien und demokra tiefeindlichen Kräften durch eine scheinbar antagonistische Links-Rechts-Lagermentalität zu verwischen. Andererseits erschwerte gerade in Sachsen das Fehlen einer integrierenden Volks partei der Mitte (Zentrum) die Annäherung zwischen Sozialdemokratie und bürgerlich demokratischem Spektrum. So gesehen, erwies sich die Entscheidung der gemäßigten SPD-Fraktionsmehrheit für eine sozialliberale Koalition am 4. Januar 1924 einerseits als verantwortungsethischer Schritt hin zur politischen Stabilisierung des Freistaates, führte jedoch andererseits zur Aufspaltung der sächsischen Sozialdemokratie und damit zu einer Differenzierung der demokratischen Linken. Endpunkt dieser Entwicklung war die organisatorische Trennung der sozialdemokratischen Landtagsfraktion in SPD- und ASP-Fraktion sowie die schließliche Gründung der ASPS (Alte Sozialdemokratische Partei Sachsens) am 6. Juni 1926. Für die Regierungsbildung bedeutsam und sogar den Ministerpräsidenten Max Heidt stel lend, büßte die ASPS bei den Landtagswahlen von 1926 ihr parlamentarisches Gewicht jedoch weitgehend ein und stellte nur noch vier Abgeordnete, wohingegen die stärker an der Basis orientierte SPD mit immerhin noch 31 Mandaten stärkste Fraktion des Landtages wurde, sich aber einer Zusammenarbeit mit Liberalen und sogar Altsozialisten verweigerte. Aus diesem Grunde mußte die bestehende Koalition endlich bis zur DNVP ausgeweitet werden, was zur Entfremdung der ASPS von der Arbeiterschaft und der restlichen sächsi schen Linken beitrug. Insgesamt zeigte sich also am Vorabend der Weltwirtschaftskrise ein sehr differenziertes Bild der sächsischen Linken, das eine starke programmatische und ideologische Heteroge nität aufwies.