13 Stückchen Gefangenschaft war überstanden. Drüben zwischen Zellen lag ein Beamtenzim mer, dort wurde ich gemessen. Meine Zähne wurden begutachtet, von allen zehn Fingern und von beiden Händen wurden Abdrücke genommen, alles offenbar ganz so, wie man die nötigen Feststellungen bei einem Verbrecher fürs Verbrecheralbum macht. Aber die bei den nichtuniformierten Amtierenden waren von einer unter diesen Umständen fast komi schen Liebenswürdigkeit. Der eine lieh mir zur Unterschrift des Protokolls seine Brille, die mir wenig half, und tröstete, die meine bekäme ich sicher bald zurück. Der andere beim Aufnehmen des Protokolls fragte: Confession mosaisch? (Das Wort Jude, zum Schimpf wort gestempelt, wurde beiseite gelassen, das Israel hinter meinem Vornamen überall, auch nachher im Entlassungsschein für das Ernährungsamt, beiseite gelassen; es war als wollte man hier den Unterschied zwischen Arier und Nichtarier nicht gelten lassen, als wollte man nichts gemein haben mit der Judenverfolgung der Gestapo und schäme sich ihrer ein bißchen.) Ich antwortete auf die Frage nach der Confession: Evangelisch. Verwundertes Aufsehen. »Aber Ihr Paß? Dem Gesetz nach, der Abstammung nach.« Stillschweigen, noch größere Höflichkeit als zuvor. Ich kam mutiger in die Zelle zurück - aber es war die Zelle, wieder klirrte das Schloß, fiel der Haken. Gleich darauf hörte ich draußen laute Schritte, Öffnen der Türen, dann wurde auch bei mir wieder geöffnet und jemand rief: »Kaffeepott!« Zwei Leute in Gefangenentracht gingen mit einer großen Trage vorbei, der eine steckte mir mehrere Brotschnitten und ein Stückchen Margarine hin, ein dritter folgte mit einer Riesenkanne und goß mir etwas in den braunen Becher, die Tür flog wieder zu. Die dreimalige Fütterung, die sich immer in der gleichen Weise vollzog, wurde mein Tageszeitmessör. Abends und nachts hörte ich die Schläge der nahen Kreuzkirche, dazu auch entferntere Stadtuhren, tagsüber ging alles im brausenden Stadtgeräusch unter. Die Gefangniskost an sich machte mir nichts aus. Wir waren tief im zweiten Kriegsjahr, eben kam das Wort Mangelware auf, und wovon die Arier wenig erhielten, davon bekamen die Nichtarier gar nichts. Ich war alles in allem im Gefängnis nicht schlechter, ein paarmal sogar besser verköstigt als zu Hause. Übrigens spürte ich die ersten Tage gar keinen Hun ger, ja ich war in meinem Lebensgefühl so herabgedrückt, daß mir nicht einmal das Rau chen fehlte. Ich aß rein pflichtgemäß, um mich nicht zu sehr zu erschöpfen. Später kam es vor, daß ich abends gern eine reichlichere Mahlzeit gehabt hätte. Aber wie oft wurde ich denn zu Hause wirklich und friedensmäßig satt? Nein, im Punkte der Ernährung sel ber bedeutete das Gefängnis mir keine neue Erfahrung. Morgens wurde in den Kaffeepott ein dünner Haferschleim gegossen, und dazu gab es 100 gr. trockenes Brot (ich kannte die Maße genau von den Restaurants her), abends kam irgendein Kräutertee in den Kaffee port, es wurden reichliche 250 gr. Brot verteilt und ihnen 20 gr. Margarine oder ein Schüs- selchen Marmelade, ein Schälchen Zucker beigegeben. In diesem erfreulichen Fall trat an die Stelle des Kräutertees ein dünner Kornkaffee, ich brockte das Brot in das süße Getränk, es war eine sehr schöne Mahlzeit. Freilich mußte sie ganze 13 Stunden Vorhalten. Auch mittags hieß es gelegentlich »Kaffeepott«, und der Kornkaffee wurde ausgeschenkt, dann gab es eine große Schüssel Pellkartoffeln und eine winzige Portion Quark dazu. Zumeist aber wurde eine Breisuppe gereicht, in der zweimal sogar ganz kleine Bröckchen Fleisch