85 Neuerscheinungen zur Dresden-Literatur Beginnend mit dieser Ausgabe, werden die DRESDNER HEF 1 E künftig wichtige Neuerscheinungen der Literatur über Dresden upd seine Umgebung vorstellen. Die lose Folge von Rezensionen orientiert sich dabei weniger an touristischen Publikationen; sie will vor allem die Geschichtsschreibung der Stadt in ihren Büchern kritisch begleiten. Dresden - Flug in die Vergangenheit Filmbilder aus vier Jahrzehnten Verlag der Kunst, Dresden-Basel 1993 Gibt es zu viele Bücher über Dresden? Gewiß sind nicht alle gut. Hastig arrangierte Konfektionsware ist darunter, die sich in herkömmlichen Wahrnehmungsmustern des Touristisch=Oberflächlichen erschöpft. Die Tiefenschichten lassen sich erst durch Erinnerung und Nachdenken erschließen; doch sie sind ein unerläßliches Gegengewicht zur verflachenden Informationsflut der Medien. Die angehaltene Zeit, mit der wir uns unseres Ursprungs und unseres Weges zu vergewissern suchen, präsentiert sich im 20. Jahrhundert am ehesten in der »Ästhetik der Zehntelsekunde« Walter Benjamins, auch im »Filmbild als Gedächtnis«, von dem Peter Gehrisch kenntnisreich in seinem einleitenden Essay spricht. Ich halte diesen Bildband vom Dresden des 20. Jahrhunderts, den Christian Borchert aus alten, nahezu vergessenen Dokumentarfilmen zwischen 1910 und 1949 zusammengestellt hat, für die bedeutendste Publikation über das Leben der Stadt in diesem Jahrhundert, die je erschienen ist; und ich kann die Fotos nicht ohne Ergriffenheit betrachten. Denn was uns hier in der Authentizität einer alten I echnik, im groben Rasterkorn der Schwarz-Weiß-Filme entgegentritt, ist ein Stück Alltag, gelebtes Leben unserer Eltern und Großeltern, das unser eigenes Schicksal und das unserer Kinder mitbestimmt hat. Es präsentiert sich fern von jedem Pathos (und wo dies mit Hüteschwenken, Denkmalsenthüllung, Fahnen und Parademärschen erscheint, offenbart es seine Nichtigkeit und Vergänglichkeit). Seine »Leidenschaft« liegt in anderen Bereichen: nicht im Glanz der Königsparade von 1913 auf dem Alaunplatz, beispielsweise, sondern eher in den Gesichtern der Zuschauer, jener anonymen Menschen, denen sich die Fotos vornehmlich zuwenden; sie liegt am Rande des festlichen Daseins, das immer wieder bemüht wurde. Da ist das »Erste Sächsische Sängerfest« 1925 und die 700-Jahr-Feier der Kreuzschule; 1926 war auch das »Bundesfest des Deutschen Radfahrerbundes«: Herren mit Zylindern oder »Butterblumen«, füllige Damen in Schutenhüten. Die Kapelle in Sportkleidung auf