Reiner Groß Ludwig Wittig und sein literarisch- o publizistisches Wirken in Dresden In dem 1846 im Verlag von Otto Wigand in Leipzig anonym erschienenen Buch »Dresden und die Dresdener oder Spiegelreflexe aus Dresdens Gegenwart. Frescogemälde und Federzeichnun gen in niederländischer Manier« Findet noch heute der aufmerksame Leser eine interessante und eingehende Schilderung der politischen, literarischen und publizistischen Verhältnisse ein schließlich einer Charakterisierung der die unterschiedlichen politischen Richtungen repräsen tierenden Personen. »Wenden wir uns«, so heißt es dabei, »nun zu den Publizisten, das will sagen, zu denjenigen Literaten, deren Richtung eine zunächst und vorzugsweise politische ist, und die, soweit sie der Fortschrittspartei angehören, ohne Zweifel nicht wenig zur Emanzipation der Dresdner Ideen und Begriffe von dem starren Zopfthume beigetragen haben ...« Zu diesen Literaten zählt Ludwig Wittig: »Da ist L. Wittig, auch als politischer Dichter genannt, ein gesin nungstüchtiger, bisweilen nur noch zu exzentrischer Mann des Fortschritts, kenntnisreich und federgewandt, pikant und unumwunden, was seine neuerdings in der sächsischen Dorfzeitung veröffentlichten »Bilder aus dem Ständehause< beweisen zu sollen schienen.« 1 * Ludwig Wittig war Teil der großen geistig-kulturellen Bewegung in dem Jahrzehnt vor der bürgerlich-demokratischen Revolution von 1848/49, die als Vormärz in die deutsche Ge schichte eingegangen ist und in der Dresden ein Zentrum, ja wenn nicht das Zentrum über haupt in Deutschland war. 2 * Architekten, Maler, Musiker, Philosophen, Komponisten, Dich ter, Schriftsteller, Publizisten kamen in die Stadt am Elbstrom, hielten sich kürzere oder längere Zeit hier auf, ließen sich zu bedeutenden Werken inspirieren. In Zirkeln, kleinen Gesellschaften, in Vereinen, bei Lesungen und Konzerten lernte man sich persönlich kennen und trat in regen Gedankenaustausch ein. Dies war der Boden, auf dem sich in Dresden ein eigenständiges literarisches und politisch-publizistisches Leben entfaltete. Einer derjenigen, der dieses geistig-kulturelle Leben in vollen Zügen genoß, war Ludwig Wittig. Sein Leben und sein Werk ist auf das engste mit der demokratischen und revolutionären Bewegung im Deutschland des zweiten Drittels des 19. Jahrhunderts verbunden. 3 * Ludwig Wittig wuchs, am 26. Mai 1815 in Dresden geboren, in einer kleinbürgerlichen Fami lie der sächsischen Residenz auf. Gemeinsam mit seinen zwei Schwestern, von denen eine 1848 nach Amerika auswanderte, erlebte er von klein auf den täglichen Kampf der Familie um den notwendigsten Lebensunterhalt. Sein Vater Johann Christian Wittig war Schneidermeister und unterhielt eine eigene Werkstatt, die er aber in den dreißiger Jahren wegen eines Augen leidens aufgeben mußte. Nach einem wenig einträglichen Handel mit Kirchengerät hatte er in