41 Das apokalyptische Jahr - Erinnerungsberichte In einem »Aufruf an unsere Leser« batten die Dresdner Hefte im vergangenen Jahr Zeugnisse, Berichte und Dokumente zum Jahr 1945 erbeten. Aus den eingesandten, z. T. umfangreichen Erinnerungen wurde die nachfolgende Auswahl zusammengestellt. Durchweg waren es Berichte von damals noch ganz jungen Leuten zwischen 16 Jahren und Anfang Zwanzig. Die Texte wurden unter chronologischem Gesichtspunkt ausgewählt und geordnet, in den meisten Fällen gekürzt und stilistisch leicht bearbeitet. Die Überschriften wurden nachträglich gegeben, die Auslassungen sind mit [...] gekennzeichnet. Wir bedanken uns bei allen Einsendern für ihre Beteiligung. Traute Richter Die Schließung des Theaters Brief an die Eltern - September 1944 Meine lieben Eltern! Ja - jetzt ist’s nun passiert. Freitag hatten wir Appell in der Oper, wobei uns »Näheres« mit geteilt wurde. Also, ab Donnerstag den 7. bin ich Rüstungsarbeiterin bei »Universelle« in der Zwickauer Straße. Von 7 h bis 6 h mit einer Stunde Mittag. 60 Wochenstunden. Wir kriegen den Lohn einer Hilfsarbeiterin, und das Theater zahlt die Differenz zur Gage bis zu 600 RM. Ich kriege also alles ausgezahlt. Mitglieder, die höhere und hohe Gagen haben, kriegen also auf die Dauer des Einsatzes nur 600 RM ausgezahlt. Die Verträge laufen normal weiter. Wir werden alle aufgeteilt. Ich bin mit sehr netten Leuten zusammen. Vor allem die Männer sind alle samt feine Kerls. Und zwar: Antonia Dietrich (wahrscheinlich), Edna Vihrog (unsere Naive), Lotte Grüner (»jugendliche« Komikerin und Charakterspielerin). Also zwei »Rivalinnen«, die mir nicht sehr gewogen sind, weil ich ihnen viel wegspiele; aber jetzt, wo die Theaterinteres sen ausscheiden, sind sie bestimmt nett, denn sie sind beide sehr lustig. Von den Männern: Alfons Mühlhofer, Willy Kleinoschegg (Graza), Walter Kottenkamp (Drei Spaßvögel) und Hans Finohr (mein Leipziger Prüfungskommissar). Schickt mir bitte den roten Arbeitsmantel.