Churchill jedoch war zu diesem Zeitpunkt - nur zu diesem - auf Hitlers Niveau herunterge kommen, denn er forderte, den Endsieg schon im Griff, als das Elend der deutschen Ost flüchtlinge in London bekanntgeworden war, diesen >Deutschen beim Rückzug aus Breslau das Fell zu gerben<; und sein Privatsekretär beobachtete, daß die Schreckensnachrichten vom Dresdner Feuersturm den Premierminister ganz ungerührt ließen.« 2. Dieses Zitat ist den gegenüber der Handlung umfangreicheren essayistischen Teilen des Romans entnommen, und es stützt - eben als essayistischer Diskurs - die Einsicht, daß es kaum glückt, individuelle Geschichten mit Vorgängen von so außermenschlicher Gewalt zu vereinen, wie es der Luftkrieg gegen offene Städte war. Fiktionales und Tatsächliches schließen hier einander weitestgehend aus. Dresden-Romane sind daher bislang stets zur Trivialität verurteilt gewesen. Das gilt für Max Zimmering, Phosphor und Flieder (1954) ebenso wie für Eberhard Panitz, Die Feuer sinken (1960) oder Henri Coulonges, Dresden starb mit dir, Johanna (1979). Außer in der Lyrik scheint es nur im Episodischen und Essayistischen möglich zu sein, etwas von dem in Sprache umzusetzen, was das menschliche Maß übersteigt: In Bruno E. Werners Roman »Die Galeere«, in »Schlachthof fünf« von Kurt Vonnegut; in kurzen Prosatexten bei Heinz Czechowski und in Erich Kästners Reportage »... und dann fuhr ich nach Dresden« von 1946. - »Fern sei es von mir, den Ernst der Kunst zu leugnen; aber wenn es ernst ist, verschmäht man die Kunst und ist ihrer nicht fähig«, schreibt Thomas Mann im Doktor- Faustus-Roman. 51 3. In seinem »Tagebuch 1946-1949« berichtet Max Frisch in tiefer Betroffenheit (»Nach einem Flug« 61 , »daß ich durchaus imstande wäre, Bomben abzuwerfen. Es braucht nicht ein mal eine vaterländische Wut, nicht einmal eine jahrelange Verhetzung; es genügt ein Bahn höflein, eine Fabrik mit vielen Schloten, ein Dampferchen am Steg; es juckt einen, eine Reihe von schwarzen und braunen Fontänen hineinzustreuen, und schon ist man weg; ... Man sieht kein Blut, hört kein Röcheln, alles ganz sauber, alles aus einem ganz unmensch lichen Abstand, fast lustig.« - Und er bedenkt »den Unterschied, der darin besteht, ob ich Bomben streue auf ein solches Modell, das da unter den jagenden Wolken liegt, halb rüh rend, halb langweilig und kleinlich, oder ob ich ebenfalls dort unten stehe, mein Sackmesser öffne und auf einen Menschen zugehe, einen einzigen, dessen Gesicht ich sehen werde, bei spielsweise auf einen Mann, der gerade Mist verzettelt, oder auf eine Frau, die strickt, oder auf ein Kind, das barfuß in einem Tümpel steht und heult, weil sein papiernes Schifflein nicht mehr schwimmt. Das letztere kann ich mir nicht Zutrauen. Beim ersteren, das ist der Unterschied, bin ich durchaus nicht sicher.« Die Abstraktion vom menschlichen Dasein - in der räumlichen Distanz des Fliegens, dem technischen Medium des Flugzeugs, der strategischen Planung - machte den Luftkrieg, dessen Kombattanten zur militärischen Elite gehörten, zu einer der gnadenlosesten Formen des Kriegsgeschehens. Es konnte keine Barmherzigkeit mit den Unterlegenen geben, keine Verschonung Unschuldiger. Planung und Automation des Tötens, die Kennzeichen einer »modernen«, technisch perfektionierten Kriegsführung, sind hier bereits vorgegeben. Alexan der Kluges fiktives Interview mit dem Kommandanten des Bomberstroms beim »Luftangriff