3 Günter Just Vorbemerkung Dresden verfügt über eine betörend schön gebaute Kulisse am Elbufer beidseits der Augustus- brücke. Jeder Fremde wähnt hinter ihr ein analoges städtisches Bild und erwartet auch in anderen Stadtteilen eine ähnliche urbane Dichte. Statt dessen findet sich heute noch dort, wo das Zentrum vermutet wird, neben dem Ensemble Theaterplatz und Brühlsche Terrasse weit läufige Tabula rasa: der Neumarkt. Die nach 1945 entstandenen Bereiche zeigen sich aufge weitet, zerdehnt und mit leergefegten funktionslosen Freiflächen ohne Verweilqualität. In wei ten Teilen der Stadt ging der historische Stadtgrundriß verloren. Dieser Zustand beschreibt unsere Aufgabe, Dresden zu durchpulstem, kleinparzelligem und Wohlbefinden befördernden Stadtgewebe zu verhelfen. Städtebau, oder besser Stadtbaukunst, muß sich darauf konzentrieren, gezielt Stadträume unterschiedlicher Qualität und Nutzungs möglichkeit zu schaffen. Wichtiger als die Konturen eines Gebäudes - seiner Architektur also - ist der zwischen den Baukörpern entstehende Raum. Erst dies definiert den eigentlichen »Lebensraum Stadt«. Die räumliche Vielfalt, bei hoher baulicher Dichte und menschlichem Maßstab, wäre Voraus setzung für eine Identifikation der Bürger mit ihrem Quartier und mit ihrer Stadt. Ich bin geneigt, von der Notwendigkeit der Stadtwerdung Dresdens zu sprechen. Aus diesem Grunde und angesichts des allgemein zu beobachtenden gewaltigen Flächenanspruchs des Bauens muß die Kernstadt Dresdens (Innenstadt plus wesentliche Bereiche innerhalb und außerhalb des 26er Ringes) nicht nur attraktiv verdichtet, sondern zuvörderst bewohnbar gestaltet werden. Stadtumbau - und im Falle Dresdens Stadtneuausformung - kann durch Befriedigung des Bedarfs, z. B. nach komfortablen Wohnungen, auch die Zersiedlung des ländlichen Umfeldes durch »Stadtflüchtige« verhindern, zumindest stark begrenzen. Das Herz unserer Stadt, das Gebiet um die Frauenkirche zwischen Elbe und Wilsdruffer Straße, soll endlich wieder bebaut werden. Die im Wiederaufbau befindliche Frauenkirche will nicht als einsames Monument auf weiter Flur dominieren. Auf zum Teil noch ablesbarer alter Parzellenstruktur soll vielmehr ein Stadtorganismus entstehen, der mit einstigen Quartie ren und Straßen, mit ehemaligen Platzfolgen und wiederentstandenen, erkergeschmückten Bauwerken sowie kulturgeschichtlich bedeutsamen Leitbauten, aber auch mit Gebäuden in heutiger Architektursprache dieser einst so grandiosen, die Stadtsilhouette wesentlich prägen den Kuppel der »Dicken Berta« die notwendige maßstabbildende Rahmung sichert. Der Neuaufbau des Neumarktes, kontrovers diskutiert zwischen provokanten Fragestellern »Dresden, barock in die Zukunft?« und den Traditionalisten - führt er uns zum geputzten Puppenstuben-Quartier, das es früher so nie gab, oder zum neuen Bauen im historischen Kon text? Die Sehnsucht vieler, vornehmlich älterer Dresdner, die Stadt in ihrer alten historischen