11 Reinhard Spehr Archäologische Untersuchungen zur mittelalterlichen Baugeschichte des Dresdner Schlosses 1. Einführung Von 1982 bis 1987 führte der Verfasser archäologische Ausgrabungen im Residenzschloß durch. Anlaß war der beginnende Wiederaufbau mit der Absicht, den Großen Schloßhof für eine Unterkellerung auszubaggern. Die Grabungen wurden begonnen mit einem Spektrum historischer Fragen, deren Zahl während der Arbeiten ständig wuchs und deren Formulie rung laufend verändert und präzisiert werden mußte. Zum achäologisch-historischen Untersuchungskomplex »Schloß Dresden« gehörten aber auch Ausgrabungen und zufällig anfallende Notbergungen an anderer Stelle in der mittelalterlichen Stadt (Steinerne Brücke, Frauenkirche, Hafenviertel Nisan an der Münzgasse, Salzgasse / Rampische Gasse, romani sche Stadtmauer am Jüdenhof und an der Kreuzkirche, markgräflicher Palast unter der Sophienstraße, Franziskanerkloster, Burglehnviertel an der Kleinen Brüdergasse) sowie in der Umgebung (Jagdpfalz Tharandt in Grillenburg mit zugehöriger Wüstung »Warnsdorf«, Burg »Torun« bei Pesterwitz). Die gewonnenen Ergebnisse haben manche alte Vorstellung über den Haufen geworfen. Das kann nicht verwundern, denn oft ist es allein die Archäologie, die neue Quellen zur mittelalterlichen Geschichte vorzulegen vermag. Freilich bedürfen alle achäologischen Fakten einer Verknüpfung durch Hypothesen, um ein einigermaßen anschauliches Bild entstehen zu lassen. Durch die jetzigen Ausgrabungen zwischen den Brü dergassen sowie die bald beginnenden an Alt- und Neumarkt werden sich weitere Quellen auftun, welche die Vermutungen und Hypothesen 1 * differenzieren. Das »Urgelände« des Schlosses war eine lößbedeckte Niederungskuppe zwischen der Ein mündung des Kaitzbaches (durch Grabungen unter dem Georgentor gesichert) und dem Weißeritzdelta (zwischen Schinkelwache und Semperoper). Ihre Oberfläche (NN-Höhe ca. 111m) war leicht bewegt und von Erosionsrinnen zerfurcht, die durch Lehm zusedimentiert waren. Die älteste Besiedlung reicht in die Zeit der Stichbandkeramik zurück (ca. 3000 v. Chr.), in die jüngere Bronze- und frühe Eisenzeit (ca. 800- 600 v. Ch.) und die Latennezeit (ca. 400/200 v. Chr.). Während des frühen Mittelalters, d. h. bis zum Ende des 12. Jahrhun derts, als die Hafensiedlung »Nisani« (an der Münzgasse), die zugehörige Marktsiedlung (an der Großen Frauengasse, Judengasse, Niclasgasse) und die Frauenkirche mit ihrem Friedhof