32 Joachim Menzhausen Das Dresdner Schloß im Barock Bis 1635 konnte sich Kursachsen als Gewinner jenes Krieges einschätzen, der der Dreißig jährige werden sollte. Der Prager Friedensschluß brachte dem Kurhaus die beiden Lausitzer Markgrafschaften. Zwar hatten bereits die großen Schlachten bei Breitenfeld und Lützen das Leipziger Tiefland, Kriegszüge auch die Oberlausitz betroffen, aber das Land insgesamt war noch nicht verwüstet und die Bevölkerung nicht dezimiert. Deswegen konnten in Dresden die kostspieligen künstlerischen Projekte fortgesetzt werden, die vor dem Krieg begonnen worden waren. Sie gehörten noch immer in die Reihe jener Unternehmungen, die Herzog Moritz nach der Belehnung mit der Kurwürde eingeleitet hatte, um die mittelalterliche Stadt zu einer modernen kurfürstlichen Residenz auszugestalten. Das Zentrum kursächsischer Staatsrepräsen tation war selbstverständlich das Schloß mit seinen angrenzenden Baukomplexen. Johann Georg I. (reg. 1611 -1656) hatte noch in den ersten Kriegsjahren einen Umbau des Lusthauses auf der Bastion Venus und des Riesensaales im Schloß angeordnet. Beides waren Vorhaben zur Modernisierung der Residenz. 1621 hatte der Bildhauer Sebastian Walther begonnen, über dem Hauptgeschoß des Lusthauses ein zweites mit umlaufender Plattform zu errichten. Der Charakter eines Belvedere wurde somit verstärkt. Aber im Inneren diente das neue Stockwerk allein zu einer Erhöhung des Hauptsaals. Dessen gewölbte Decke war ausgemalt und erhielt Licht von den Seitenfenstern. Als dieser Umbau im Gange war, ließ der Kurfürst im Jahre 1627 Decke und Dachgeschoß über dem Riesensaal abbrechen und beauftragte den Baumei ster und Topographen Wilhelm Dilich mit der Erhöhung und Einwölbung des Saals. Es war der für Staatsaktionen bestimmte Raum der Residenz. Bei fast 60 m Länge und einer Breite von 13m war er nur etwa 5 m hoch gewesen, und seine geschnitzte Kassettendecke aus der Mitte des 16. Jahrhunderts mag als altmodisch niedrig angesehen worden sein. Schäden am Dach des Ostflügels und Wassereinbrüche hatten Anlaß zum Bau geboten, aber die im Grund satz gleiche Veränderung beider Säle im dritten Jahrzehnt des 17. Jahrhunderts weist auf einen gemeinsamen Grund hin: die beginnende Barockisierung. Betrachtet man Umfeld und künstlerischen Entwicklungsgang Sachsens, so wird verständ lich, daß sie aktuell war und notwendig für das Selbstverständnis des Herrschers einer deut schen Großmacht. Die Reformation hatte sich als retardierendes Moment auf die künstleri sche Entwicklung ausgewirkt, denn die Bilderstürme waren weder zufällig noch folgenlos geblieben. Zwar war durch die kirchliche Kunst in Sachsen eine evangelische Ikonographie ausgebildet worden, aber für weltliche Darstellungen und in der Architektur verwendete man, eher zögernd, die Errungenschaften der führenden »papistischen« Kunst Italiens und der Niederlande. Erst etwa 70 Jahre nach der Reformation begannen die lutherischen Für-