69 Wolfram Steude Zur Musik am sächsischen Hof in Dresden während der Regierung Kurfürst Johann Georgs II. Wenn von Dresdner Hofmusik im 17. Jahrhundert die Rede ist 1 ’, dann stellt sich quasi von selbst der Name Heinrich Schützens ein. Seine Musik und menschlich wie künstle risch überragende Gestalt haben ja tatsächlich der kursächsischen Hofmusik und damit zu gleich, dank der zentralen politischen und konfessionellen Bedeutung des Dresdner Hofs, der Kunstmusik des evangelischen Teils des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation für mehrere Jahrzehnte die Richtung gewiesen. 2 ’ Der 1585 in Köstritz geborene, in Weißenfels aufgewachsene und in Kassel, Marburg und Venedig herangebildete Schütz trat 1615 in Dresden als »Organist und Director der Musi- ca« in den Dienst des Hofes, den er dann 57 Jahre lang, bis zu seinem Tode 1672 versah. Zwar hochgeehrt als »Lumen Germaniae«, sah er sich schon seit der Mitte des Jahrhun derts in zunehmendem Maße stilistisch »überholt«. Sein Altersgenosse, Kurfürst Johann Georg I. (1585-1656) war sein langjähriger Dienstherr, und dessen Sohn und Nachfolger, Johann Georg II. (1613-1680) überlebte den »Ältesten Capellmeister« nur um acht Jahre. Es könnte daher naheliegen, die Regierungsperioden beiden Kurfürsten (1611-1656, 1656-1680) zusammen zu sehen als eine Ära, vergleichbar mit dem sog. »Augustei schen Zeitalter« der beiden Kurfürsten-Könige Friedrich August zwischen 1697 und 1763, und davon eine Kunst- bzw. Musikperiode, nämlich die Heinrich Schützens abzuleiten. Nichts wäre falscher als das! Die tiefen politischen Umbrüche des katastrophenreichen 17. Jahrhunderts haben vor Kur sachsen nicht halt gemacht, der Dreißigjährige Krieg wütete hier bekanntermaßen nicht weniger als in anderen deutschen Landschaften. Für unseren Zusammenhang wichtiger sind jedoch die inneren, sich in der Kunst unmittelbar manifestierenden Umbrüche, denen unser Augenmerk zu gelten hat. Was hat sich - in groben Zügen gezeichnet - in der Musikpflege am Hof in Dresden zur Zeit Kurfürst Johann Georgs II. ereignet? I. Die italienische Renaissance war, wie überhaupt in Deutschland, in Kursachsen in den Künsten relativ spät »angekommen«, im 16. Jahrhundert. Der alsbald einsetzende Prozeß der Anverwandlung, des Einschmelzens renaissancistischer Elemente in das einheimische,