71 8. Oktober 1629 berichtet Hainhofer in seiner »Relation«, d.h. seinem Reisebericht: »Umb 5 uhren giengen mit Herren Pflügen 61 wir alle vier gen hof in den dritten gaden 7) hinauf zu den Durchleuchtigen vier jungen Princen, welcher F. F. F. Frl. G. G. G. Gn. 8) sampt Ihrem Hofmeister Herren von Watzdorf' 1 , den Junckern und Cammerdienere Klediz, uns gar gnädig und freundlich empfiengen. Als wir bey einer viertel stund miteinander conversi- reten, trüge man die speisen auf. [...] Der ältere Prinz, dem ich zur rechten saße, hatte gutte conversation mit mir von der mahlerey, von federrüssen 10 ’, von der Musica, von kunstcäm- mern und ändern anmuthigen sachen.« n) Aus demselben Jahr besitzen wir ein ungleich gewichtigeres Dokument, das Aussagen macht zu Johann Georgs II. musikalischer Empfänglichkeit: Heinrich Schütz dediziert ihm seine vorwiegend in Venedig entstandenen und 1629 dort im Druck erschienenen »Sym- phoniae sacrae« (1. Teil). In der lateinischen Vorrede erinnert sich Schütz zwar enthusia stisch an seinen ersten Venedigaufenthalt bei Giovanni Gabrieli, erzählt aber auch dem Kurprinzen von der neuen Art des Musizierens, um derentwillen er die Reise unternom men hatte. 12 ’ Die Schütz-Sammlung von 20 lateinischen geistlichen Konzerten mit obligaten Instrumen ten (SWV 257-276) ist, außer einigen später erschienenen »Kleinen geistlichen Konzerten« dasjenige Opus, in dem der Komponist dem italienischen Frühbarock Monteverdischer Prägung relativ nahekommt (ohne ihn im eigentlichen Sinne zu übernehmen!). Denkbar, daß diese Konzerte, die für deutsche Ohren um 1630 sicherlich in hohem Grade neu und interessant waren, auch den Kurprinzen beeindruckt hatten. Jedenfalls wiesen auch sie ihn auf die neue italienische Barockmusik hin. In ähnlicher Richtung müßte bis zu seinem Weggang aus Dresden 1628 Carlo Farina mit seinem Musizieren und Komponieren Wir kungen erzielt haben. Er war der erste Violinvirtuose am Dresdner Hof überhaupt. 131 Obwohl Johann Georg II. offenbar die sonst übliche Kavalierstour junger Prinzen an meh rere Höfe Europas aufgrund der Kriegsumstände in den Jahren zwischen etwa 1634 und seiner Hochzeit 1638 nicht gemacht hatte - sie hätte ihn mit absoluter Sicherheit auch nach Italien geführt! 14 ’ - muß er doch so viel Anregungen von italienischer Musik und ita lienischem Musizieren empfangen haben, daß sein Geschmack fortan eindeutig davon be stimmt war. Moritz Fürstenau berichtet (aufgrund leider von ihm nicht zitierter Aktenaus künfte) in bezug auf die Italiener: »Schon als Kurprinz zog er solche an den sächsischen Hof und in seine besonderen Dienste. Er hielt sich dazu einen eigenen Faktor in Venedig, der seine Angelegenheiten auch in anderen Städten Italiens zu besorgen hatte. Dies Bestre ben des Kurprinzen, Italiener für die Kapelle zu gewinnen, war so groß, daß sich 1652 so gar die Kurfürstin von Baiern wegen »Abspenstigmachung ihrer italienischen Musikanten< beklagte und förmlich Genugthuung deshalb verlangte, die ihr Johann Georg I. auch zu sagte.« 15 ’ Sonst waren die Kavalierstouren junger Fürsten durch Teile Europas nicht selten ausschlaggebend für die Kunstpflege an den Höfen, an deren Spitze sie früher oder später zu treten hatten, je nachdem, mit wie wachen Sinnen und wie großem Verständnis sie der ihnen neuen und fremden Kunst begegneten. Fürst Ludwig von Anhalt gestaltete z. B. nach seiner Rückkehr aus Italien am Anfang des 17. Jahrhunderts nicht nur die Garten-