43 Gerald Heres Bernhard August von Lindenau und die Reform der Dresdener Museen Am 12. November 1829 übertrug König Anton von Sachsen die „Ober-Aufsicht über die Kunst- und wissenschaftlichen Sammlungen“ zu Dresden Bernhard August von Lindenau. 1 Damit en dete eine hundertjährige Tradition: August der Starke hatte 1720 den Kabinettsminister Grafen Manteuffel zum „Directeur-General Unserer Bibliotheken und Cabineter“ ernannt, aber schon 1727 mit diesem Amt den Oberkammerherrn Grafen Friesen betraut. 2 Seither gehörten die Sammlungen, mit Ausnahme der dem Oberstallmeister unterstellten Rüstkammer, zum Ober- kammerherren-Departement bzw., in der Brühl-Ära, zur „Ober-Cämmerey“. Diese Verbin dung brachte Vor- und Nachteile. Zunächst wirkte sich die institutionelle Verankerung im Hof staat günstig aus, und eine Durchsicht der Akten zeigt, daß die Oberkammerherrn und ihre Be auftragten sich zwar mit unterschiedlichem Sachverstand, stets aber mit Pflichtbewußtsein um Erhaltung, Vermehrung und Ordnung der Sammlungen bemüht haben. Dies hat den Weltruf, den die Dresdener Sammlungen im 18. Jahrhundert genossen, überhaupt erst ermöglicht. An der von August dem Starken geprägten Struktur war jedoch in all den Jahrzehnten wenig verändert worden, und seit dem Beginn des 19. Jahrhunderts erwies sich die Abhängigkeit der Museen von einem Hofamt immer stärker als Hemmnis einer lebendigen Entwicklung. Als 1824 der Oberkammerherr Freiherr von Friesen starb, übernahm zunächst Graf Einsiedel, damals leitender Staatsminister, kommissarisch auch die Leitung der Sammlungen, bis endlich in Lindenau die Persönlichkeit gefunden war, von der man die längst erwartete Reform des Samm lungswesens erhoffen konnte. 3 Bernhard August von Lindenau (1779—1854), gleich geschätzt als Gelehrter wie Staatsmann, war nach der Teilung des Herzogtums Gotha-Altenburg in den Dienst des Königreiches Sachsen getreten. Zunächst ging er 1828 als Gesandter zum Frankfurter Bundestag, übernahm aber schon 1829 die Direktion der Landesökonomie-, Manufaktur- und Commerzien-Deputation. 4 Nach den revolutionären Unruhen im September 1830 mußte der König den verhaßten Einsiedel entlassen. Den Vorsitz im Gesamtministerium übertrug er dem allseits beliebten, als liberal bekannten Lindenau. Die sächsische Staatsreform, die mit der Verfassung von 1831 ihre Grund lage erhielt, ist zum großen Teil Lindenaus Werk. Daß er die Leitung der Dresdener Sammlungen nicht abtrat, sie auch nicht als Nebensache behandelte, sondern sie vielmehr in sein Reformwerk einbezog und mit dem Nachdruck, den sein Amt ihm verlieh, eine beispielhafte Reform des Mu seumswesens durchsetzte, ist gewiß nicht das kleinste seines reichen Lebenswerks. Mit dem „Musee Fran^ais“ und dem „Musee des Monuments Frangais“ wurden in Paris 1793 zwei Museen eröffnet, die erstmals ausdrücklich dem ganzen Volk zugänglich waren. 5 Die Kunst werke wurden in historische Ordnungen gebracht und durch Beschriftungstexte erläutert, billige Kataloge boten dem ungeschulten Besucher Informationen. Obwohl Entwurfszeichnungen für Museumsbauten damals zu den beliebten Preisaufgaben der Akademien zählten, hat man auf die