6 und Norddeutschland weit verbreitetes und angesehenes Organ Dresdner Biedermannssinnes und das kurze Furioso von August Rockels „Völksblättern“, der Tod Goethes, als geistige Epo chenzensur verstanden, und ein Dresden, das in seinem Kulturleben das Erbe Weimars anzutre ten schien, Richard Wagners legendäre Aufführung der IX. Sinfonie im Alten Opernhaus am Zwinger, drei Jahre danach der Brand am Vormittag des 6. Mai 1849; und nur drei Tage später die Gefangenen einer besiegten Demokratie in der Frauenkirche. - Doch im Abstand der Jahrzehnte oder Jahrhunderte wird die Kalenderzeit zum Gegenstand des Ermnerns und vermag „in jene an dere, nicht meßbare Zeit vorzudrmgen, die Alexander Block „musikalische Zeit“ genannt hat. 13 Die überlieferten literarischen Zeugnisse aus diesem Zeitraum 14 Schemen von einer geistig und räumlich engen, oft dürftigen Weit zu berichten, der Hauptstadt eines politisch entmachteten Landes, seiner belächelten Einwohner. Dahinter suchen sie die Weite der großen Menschheits bewegungen des 19. Jahrhunderts, deren Träume und naturwissenschaftliche Taten, die Span nungen von Kalenderzeit und musikalischer Zeit, von spätromantischen Gedanken und technisch orientiertem Wirklichkeitssinn, biedermeierhcher Selbstgenügsamkeit und auf Ungehorsam und Mündigkeit gegründeten Zukunftserwartungen - Weite auch in jenen Fragen nach „Ziel und Sinn des Daseins“ überhaupt. Das Verständnis für Lebensformen und Lebensmuster 15 jener Zeit vermag uns die Menschen na hezurücken, indes ihre Alltagswirklichkeiten weit von uns entfernt hegen: Wie richteten sie sich vier oder fünf Generationen vor uns ein, zwischen Ziegelschlag und Wilsdruffer Tor, Seevorstadt und Antonstadt, zwischen Wohnung, Gassen und Strom? Sie kleideten sich in blaue, graue, braune Fräcke, helle Hosen, weite Mäntel mit breiten, oft mehrfachen Kragen, die Frauen in Die neue Promenade zu Dresden auf dem ehemaligen Seetor-Wall